Biathlon:Unruhige Hand am Schießstand

IBU Biathlon World Cup - Men's and Women's Mass Start

Kommt auch am Schießstand immer besser in Form: Laura Dahlmeier.

(Foto: Getty Images)

Von Joachim Mölter, Ruhpolding

Laura Dahlmeier sah schon wie die Siegerin aus in diesem Massenstartrennen von Ruhpolding, die 24-Jährige vom SC Partenkirchen glitt als Führende die Abfahrt zum Ziel hinunter, und der überwiegende Teil der 25 000 Menschen in der vollbesetzten Chiemgau-Arena war bereit, ihr mit viel Getröte und Getöse und Geschrei zusätzlichen Rückenwind zu geben für die letzten Meter. Aber in Dahlmeiers Windschatten saugte sich die Finnin Kaisa Mäkäräinen heran, in einer Kurve presste sie sich vorbei und bog als Erste auf die Zielgerade. Dahlmeier kämpfte, das Publikum tobte - vergebens. Kaisa Mäkäräinen war 0,8 Sekunden schneller an diesem Sonntagnachmittag, eine Winzigkeit nach 12,5 Kilometern.

"Ich war die ganze Zeit am Limit", sagte die 35-Jährige nach ihrem ersten Saisonsieg am Sonntag, "ich bin froh, dass es gereicht hat." Die unterlegene Dahlmeier war auch nicht wirklich unglücklich über den verpassten Erfolg vor heimischem Publikum. Sie freute sich vielmehr, dass sie so lange hatte Widerstand leisten können, "das war ein gutes Zeichen". In diesem Winter ist die fünfmalige Weltmeisterin von Hochfilzen 2017 bereits zweimal von Erkältungen gebremst worden, "jetzt bin ich wieder in einer guten Form", resümierte sie. Bundestrainer Gerald Hönig pflichtete bei: "Der Trend ist durchaus positiv." Im Hinblick auf die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang/Südkorea (9. bis 25. Februar) sorgt diese Erkenntnis für mächtig Erleichterung in der Biathlon-Abteilung des Deutschen Skiverbandes (DSV).

Am Samstag hatte die Frauen-Staffel für den einzigen Heimsieg bei den beiden deutschen Weltcups in Oberhof und Ruhpolding gesorgt. Über vier mal sechs Kilometer gewannen Franziska Preuß, Denise Herrmann, Franziska Hildebrand und Schlussläuferin Dahlmeier die Olympia-Generalprobe vor Italien und Schweden. "Ein schwer verdienter Sieg", fand Hönig. Seine Frauen mussten insgesamt neunmal nachladen, trotzdem - oder gerade deshalb - untermauerten die Weltmeisterinnen ihre Medaillenansprüche bei Olympia: In den drei Weltcup-Rennen dieses Winters wurden sie zweimal Erste und einmal Zweite.

In diesem Winter gibt es bisher nur drei Einzelsiege

Sieht man von der Frauen-Staffel ab, sind die Aussichten der DSV-Biathleten in diesem Winter freilich nicht so vielversprechend: Es gab bis dato bloß drei Einzelsiege, zwei durch Herrmann in Östersund und einen durch Dahlmeier in Annecy; bei den Männern schaffte es nur Erik Lesser zweimal aufs Siegerpodest, jeweils als Dritter, dazu kam noch ein zweiter Platz der Staffel. Das ist bescheiden im Vergleich zu früheren Jahren, der kleinste gemeinsame Nenner bei den Erklärungen dafür ist: Die Weltspitze ist enger zusammengerückt im Olympia-Winter, da wirft einen jeder Fehler zurück.

"Läuferisch gehören wir absolut zur Weltspitze"

Das kann man mit dem Ergebnis im Massenstart der Männer belegen, in dem am Sonntag jeder Deutsche mindestens einmal in die Strafrunde musste. Nur der Norweger Johannes Thingnes Bö und der Franzose Martin Fourcade, die Führenden im Gesamt-Weltcup, können sich in dieser Saison ein, zwei Extraschleifen leisten und trotzdem Erster und Zweiter werden. Diese Fehlertoleranz haben die deutschen Athleten nicht: Die werden halt Sechster (Simon Schempp), Siebter (Arnd Peiffer), Neunter (Benedikt Doll) oder 13. (Roman Rees), wenn sie nicht fehlerfrei schießen. Erik Lesser, der nach zwei Strafrunden 18. wurde, hatte schon nach dem Einzelrennen am Mittwoch festgestellt: "Läuferisch gehören wir absolut zur Weltspitze. Wir müssen nur am Schießstand eine Scheibe mehr treffen."

Die fehlende Treffsicherheit ist vor allem bei den Frauen das große Thema gewesen in diesen Weltcup-Tagen von Ruhpolding; selbst bei ansonsten sicheren Schützinnen wie Dahlmeier und Franziska Hildebrand waren ungewöhnlich viele Kugeln daneben gegangen. Im Einzelrennen am Donnerstag hatte Dahlmeier sogar viermal vorbeigeschossen und als 48. das schlechteste Weltcup-Ergebnis ihrer Karriere abgeliefert.

Viel Zeit am Schießstand

Eine minimale Verlagerung beim Anschlag war bei der Analyse als Grund für die Fehler ermittelt worden; bis zum Staffeleinsatz am Samstag hatte sie das Malheur abgehakt. Beim abschließenden Massenstart hatte sie sich trotzdem bewusst viel Zeit genommen am Schießstand. Mit nur zwei Fehlern war sie mit Abstand die Beste des deutschen Quintetts. Denise Herrmann (5.), Maren Hammerschmidt (11.) und Hildebrand (19.) hatten jeweils viermal verfehlt, Vanessa Hinz (21.) sogar fünfmal.

In Ruhpolding war lediglich Franziska Preuß bei ihrem Staffeleinsatz mit null Fehlern vom Schießstand gegangen - doch ihr fehlt noch die volle Olympianorm des DSV. Weil sie zwischendurch krank war, ist die 23-Jährige noch ein wenig im Rückstand, Bundestrainer Hönig hat aber schon signalisiert, dass er bei der Nominierung ein gutes Wort für sie einlegen will. "Sie hat vorige Woche in Oberhof schon in der Staffel überzeugt und heute wieder", sagte Hönig: "Ich würde ungern ohne sie nach Pyeongchang fahren." Auch bei Franziska Preuß ist die Tendenz positiv. Und am nächsten Wochenende in Antholz/Italien, beim letzten Weltcup vor Pyeongchang, hat sie ja noch die Chance, ihre Olympia-Tauglichkeit nachzuweisen.

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