Biathlon-Staffel in Ruhpolding:Raus, rein, Zweite

Biathlon-Staffel in Ruhpolding: Franziska Hildebrand, Evi Sachenbacher-Stehle, Laura Dahlmeier and Franziska Preuß: Erfolg in Ruhpolding

Franziska Hildebrand, Evi Sachenbacher-Stehle, Laura Dahlmeier and Franziska Preuß: Erfolg in Ruhpolding

(Foto: AFP)

Die deutschen Trainer wechseln beim Biathlon-Weltcup ihre eigentlich erfolgreiche Staffelaufstellung. Doch auch in veränderter Form erweist sich die Mannschaft als Medaillenkandidat für Olympia.

Von Joachim Mölter, Ruhpolding

Wenn etwas funktioniert, sollte man nicht daran herumbasteln, sondern die Sache einfach mal laufen lassen. Sagt man so im Volksmund. Aber man kann auch mal ein Teil auswechseln, vielleicht läuft es dann ja noch besser. Dachten sich die Biathlon-Trainer des Deutschen Skiverbandes (DSV) und nahmen für den Weltcup in Ruhpolding ihre Frauen-Staffel auseinander, ein bis dato bestens funktionierendes Team. Das Ergebnis war nicht viel anders als in den vorangegangenen Rennen dieses Winters: Die DSV-Frauen wurden trotz einer Strafrunde Zweite, nur 6,8 Sekunden hinter den fast fehlerfreien Russinnen.

In der Besetzung Franziska Preuß, Andrea Henkel, Franziska Hildebrand und Laura Dahlmeier hatte das deutsche Quartett in Hochfilzen und Annecy die Plätze zwei und eins belegt. Größere Medaillen- oder gar Gold-Hoffnungen für die bevorstehenden Olympischen Winterspiele in Sotschi hatte bislang niemand sonst geweckt in der Biathlon-Abteilung des DSV. Dennoch war der geplante Tausch von Evi Sachenbacher-Stehle für Franziska Hildebrand sowie die damit verbundene Umstellung von Andrea Henkel auf die Schlussposition durchaus plausibel.

Die 26 Jahre alte Hildebrand, von ihrem früheren Trainer Peter Sendel einst als "Riesenschießtalent" gelobt, hatte am Schießstand etwas geschwächelt bei den jüngsten Erfolgen: Sie musste stets nachladen und als Einzige sogar einmal in die Strafrunde. Da bot es sich an, die laufstarke Sachenbacher-Stehle, 33, in der Staffel zu testen, zumal die zuletzt in Oberhof mit zwei siebten Plätzen eine erstklassige Form nachgewiesen hatte. Der Einsatz der erst vor zwei Jahren vom Langlauf zum Biathlon gewechselten Sportlerin schien jedenfalls ein nur kleines Risiko zu sein im Hinblick auf die Olympia-Nominierung.

Aber wie das häufig ist, wenn man experimentiert: Es kommt anders als geplant.

Am Mittwoch meldete sich Andrea Henkel malad, ihr Magen rebellierte. Ein größeres Risiko einen Monat vor Olympia-Beginn wollten die Trainer nicht eingehen. Sie nahmen Andrea Henkel aus der Staffel - "eine reine Vorsichtsmaßnahme", wie DSV-Sprecher Stefan Schwarzbach versicherte - und ersetzten sie durch die bereits ausrangierte Hildebrand. Die Athletin vom WSV Clausthal-Zellerfeld musste dem Reglement zufolge Henkels Platz als Schlussläuferin einnehmen - das erschien als nur mittelgroßes Risiko.

Die im vorigen Sommer bereits aus dem Nationalteam ausgemusterte Hildebrand dankte das Vertrauen, indem sie zweimal fehlerfrei schoss und damit den zweiten Platz verteidigte.

Mit dem war zu Beginn des Rennens nicht zu rechnen gewesen. Franziska Preuß vom SC Haag, mit 19 Jahren die Jüngste im deutschen Quartett, war mit der Startnummer 1 gestartet, hatte aber gleich beim Liegendschießen so oft danebengeschossen, dass selbst die drei Nachlade-Patronen nicht reichten - sie musste in die Strafrunde und kam als Letzte wieder heraus.

"Jetzt funktioniert's langsam"

Für das Malheur "habe ich keine Erklärung", sagte sie, "die Fehler waren alle rechts unten". Eine plausible Erklärung hatten auch ihre Trainer zunächst nicht, Chefcoach Uwe Müssiggang gab nur ganz generell zu bedenken: "Das passiert oft bei guten Schützinnen - wenn sie daneben schießen, dann immer an die gleiche Stelle".

Preuß wechselte später als 18. (von 21 Teams) auf Sachenbacher-Stehle, die ihre Nominierung mit einem famosen Rennen rechtfertigte. Nur beim Stehendschießen musste sie einmal nachladen, sie holte mehr als 50 Sekunden Rückstand auf und schickte die Partenkirchnerin Laura Dahlmeier, 20, als Erste auf die dritte Etappe. "Ich habe einfach versucht, mein Rennen zu laufen und beim Schießen bei mir zu bleiben", sagte die Langlauf-Olympiasiegerin.

Dass sie mehr und mehr aufholte, habe sie gar nicht wahrgenommen, sagte sie: "Auf einmal war die Erste da - cooles Rennen." Sachenbacher-Stehle durfte zum ersten Mal in Ruhpolding mitmachen, sie war quasi die Lokalheldin, denn sie stammt aus dem nahen Reit im Winkl. Dass sie von 15 000 Zuschauern angefeuert wurde, hat sie auch als Langläuferin nicht oft erlebt.

Die dreifache Junioren-Weltmeisterin Dahlmeier bestätigte dann ihre Extraklasse beim Hantieren mit dem Gewehr: Sie gehört zu den ganz wenigen Athletinnen, die sowohl liegend als auch stehend mehr als 90 Prozent ihrer Schüsse treffen; auch bei ihrem vierten Staffel-Einsatz bei den Frauen hat sie nicht einmal nachladen müssen. Das musste auch Schlussläuferin Hildebrand nicht. Die laufstärkere Russin Olga Wilukina konnte sie zwar nicht halten, aber immerhin hielt sie Norwegens Schlussläuferin Tora Berger auf Distanz, die ihr Team trotz sogar zwei Strafrunden noch aufs Siegerpodest gebracht hatte.

Was das Experiment der DSV-Trainer nun für die Olympia-Aufstellung der deutschen Staffel bedeutet, wollte Evi Sachenbacher-Stehle nicht beurteilen. "Das müssen die Trainer entscheiden. Die zu diesem Zeitpunkt Besten müssen laufen", findet sie. Sie hat zumindest gute Argumente in eigener Sache geliefert und findet: "Jetzt funktioniert's langsam."

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