Biathlon: Männer:Der Sieger schießt daneben

Angetrieben von der eigenen Unzufriedenheit gewinnt Martin Fourcade in Ruhpolding das Verfolgungsrennen. Es ist bereits der zehnte Saisonsieg des Franzosen - nur der Norweger Björndalen gewann 2005 häufiger.

Von Volker Kreisl, Ruhpolding

Martin Fourcade wäre diesmal vielleicht zu schlagen gewesen. Zwei Fehler hatte er sich zunächst geleistet, und das im Liegendschießen, in dem er sich sonst leichter tut. Und dann: Gleich im nächsten, dem dritten Schießen, verfehlte er stehend nochmals. Sein großer Vorsprung aus dem Sprintrennen war dahin. Aber Fourcade blieb verhältnismäßig ruhig, er zog seine Bahnen mit raumgreifenden Skating-Schritten und aufrechter Körperhaltung weiter. Und er sagt ja generell, Fehler seien förderlich: "Ich brauche die Unzufriedenheit, um im nächsten Rennen wieder gut zu sein."

Trotz einer clownesken Einlage laufen Simon Schempp und Arnd Peiffer in der Spitzengruppe

Martin Fourcade, 28, aus Villard de Lans in den französischen Alpen, ist seit der WM 2012 in Ruhpolding der dominierende Biathlet. Jahr um Jahr steigerte er sich weiter, und nun geht es ihm wie schon vor zehn Jahren dem Norweger Ole Einar Björndalen: Seine Rivalen sind nicht mehr die neben ihm am Start, sondern die Statistiken der Vergangenheit. Gerade rennt er gegen die Bestmarke Björndalens aus dem Jahr 2005 an, die der meisten Siege in einer Saison. Zwölf hatte Björndalen damals geholt, und es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Fourcade die Marke überbietet. Zehn hat er schon jetzt, weil: Auch das Verfolgungsrennen von Ruhpolding hat er trotz der drei Schießfehler angetrieben von der Unzufriedenheit noch gewonnen.

BMW IBU World Cup Biathlon Ruhpolding - 12.5 km Men's Pursuit

Alle leiden - nur einer nicht: Rennsieger Martin Fourcade spaziert schon mal davon.

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty)

Grob eine dreiviertel Minute Vorsprung aus dem Sprint vom Freitag hatte Fourcade noch auf die nächsten Verfolger, als er auf die zweite Runde ging. Binnen zweier Schieß-Stopps schmolz dieser zusammen auf eine halbe Sekunde Rückstand, und mancher Top-Athlet wäre jetzt aus dem Konzept gekommen. Fourcade aber machte das, was Simon Schempp neulich als eine der mentalen Qualitäten des Franzosen bezeichnete: "Er spielt mit den Gegnern."

Fourcade setzte sich an die Spitze der nun größer gewordenen Führungs-Gruppe, und am letzten entscheidenden Anstieg sprang er auf und davon. Die einen, Emil Hegle Svendsen aus Schweden und Schempp, hielten verhältnismäßig gut mit, die anderen, Dmitri Malyschko, Anton Schipulin (beide Russland) und Arnd Peiffer, ließen abreißen. Als es dann an den Schießstand ging, hatten die einen ähnlich hohen Puls wie Fourcade, die anderen grob 15 Sekunden Rückstand.

Schempp und Peiffer hatten vor dieser letzten Prüfung eigentlich einen guten Eindruck gemacht. Sie mussten schon kurz nach dem Start ein spezielles Hindernis überwinden und waren trotzdem fast einwandfrei durch alle Schießprüfungen gegangen. Zu kompensieren galt es dabei einen Zeitrückstand, einen Stockverlust, verlorenen Laufrhythmus - und vielleicht auch den inneren Ärger, den eine clowneske Einlage hinterlässt: Das Hindernis waren sie gewissermaßen selbst. Schempp war in der Abfahrt auf Peiffer aufgelaufen, der genau in dem Moment seinen linken Ski verzog, als Schempp seine Hand an Peiffers Stockspitze hielt. Das macht man so, wenn man nicht stürzen will. Doch diesmal lag der instabile Peiffer sofort im Schnee, und Schempp lag auf Peiffer.

IBU Biathlon World Cup - Men's and Women's Pursuit

Ungeplante Showeinlage: Simon Schempp und Arnd Pfeiffer stolpern kurz nach dem Start übereinander.

(Foto: Laurent Salino/Getty Images)

"In meinen schönsten Träumen hätte ich mir das nicht vorgestellt", sagte Fourcade

Am Ende waren der Gesamtweltcupvierte Peiffer als Fünfter und Schempp als Siebter ins Ziel gekommen. "Schwer zu sagen", antwortete er auf die Frage, ob sich der Zwischenfall zu Beginn auf seine Platzierung ausgewirkt hatte und ob Fourcade vielleicht zu schlagen gewesen wäre. Eher wohl nicht, denn der Franzose hatte mit seinem Sprint vor dem letzten Schießen wieder einmal ein neues Spiel begonnen, er hatte hoch gepokert, auch er hatte hohen Puls, aber er schoss eben fünf Schuss ins Schwarze. Svendsen traf zwar ebenfalls alles, aber er brauchte viel zu lange und hatte 14 Sekunden Rückstand. Malyschko und Schempp verfehlten zwei Mal, Peiffer blieb zwar fehlerfrei, aber langsam, sein Rückstand betrug vor der Finalrunde knapp 33 Sekunden. Dazwischen schob sich stattdessen überraschend der Tscheche Michal Krcmar, der am Ende hinter Svendsen noch Dritter wurde.

Zehn Siege in 13 Weltcuprennen, dazu noch zwei Podestplätze: "In meinen schönsten Träumen hätte ich mir das nicht vorgestellt", sagte Fourcade. Er hatte sich innerhalb eines Rennens selber zurückgebracht, und davon war er so begeistert, dass er in die Fernseh-Kameras gleich eine kleine Kampfansage für die weiteren Jahre sprach: In der ARD sagte er, wenn seine Siege zurzeit viele langweilten, dann mag das so sein, "bis es wieder aufhört, müsst Ihr bis zu meinem Karriereende warten".

Fourcade siegt und siegt also, während die anderen an ihre eigenen Baustellen denken. Peiffer, der sich insgesamt in guter Form befindet, war mit seinem fünften Platz aber zufrieden. Nur der Sturz war ärgerlich, denn für Peinlichkeiten besonderer Art gibt es einen teaminternen Bußgeld-Katalog, berichtete Peiffer. Die Höchststrafe, 100 Euro, ist fällig bei "öffentlichem Vergessen des Gewehrs". Aber auch "Sturz vor der Kamera mit Stockbruch" ist teuer: 50 Euro in die Teamkasse. So ist das Leben, die einen siegen, die anderen zahlen drauf.

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