Biathlon:Krimi im finnischen Wald

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Sichtlich überwältigt von ihrem ersten Weltcup-Sieg: Vanessa Hinz, 25, aus Schliersee. (Foto: Martti Kainulainen/Reuters)

Showdown beim letzten Schießen: Die 25-jährige Vanessa Hinz aus Schliersee behält die Nerven und feiert ihren ersten Weltcup-Sieg. Das Terrain scheint ihr zu liegen: 2015 hatte sie an gleicher Stelle ihre erste WM-Goldmedaille gewonnen.

Von Joachim Mölter, Kontiolahti/München

Vanessa Hinz hat eine Schwäche für Krimis, die in Skandinavien spielen; zu ihren Lieblingsautoren gehören die Schweden Hakan Nesser und Henning Mankell sowie der Norweger Jo Nesbö. Aber deren düstere Krimis waren nicht der Grund, warum sie in den vergangenen Tagen stets ein Gewehr geschultert hatte, als sie in der Abenddämmerung in den finnischen Wäldern rund um die Kleinstadt Kontiolahti unterwegs gewesen ist. Vanessa Hinz ist Biathletin, sie war beim Weltcup zugange - als Hauptdarstellerin in einem Krimi sportlicher Natur.

Am Sonntagabend kam die 25-Jährige vom SC Schliersee im Massenstart über 12,5 Kilometer gemeinsam mit der Italienerin Lisa Vittozzi und der Französin Anais Chevalier zum letzten Schießen, alle waren fehlerfrei gewesen bis dahin, es kam zum Showdown. Als sich der Pulverdampf verzogen hatte, mussten Vitozzi und Chevalier in die Strafrunde, Hinz hatte als einzige die Nerven behalten und abermals alle fünf Scheiben getroffen. Sie skatete allein weiter, den letzten, steilen Anstieg vor dem Stadion lief sie mit einem Grinsen im Gesicht hinauf, sie war sicher: Den ersten Weltcupsieg ihrer Karriere nimmt ihr keiner mehr. Im Ziel riss sie die Arme in die Höhe und verbeugte sich vor dem Publikum.

"Ich hab' schon so oft an mir gezweifelt, und jetzt steh' ich ganz oben. Das ist unglaublich", sagte Vanessa Hinz später im ZDF, sie war noch immer ganz überwältigt. Am Tag zuvor hatte sie in der Single-Mixed-Staffel achtmal nachladen müssen. "Beim Schießen hatte ich so oft Pech, nun war das Glück auf meiner Seite", sagte sie: "Jeder Biathlet weiß, wie das zu erklären ist. Es läuft mal so und mal so." Für die 1,77 Meter große Zollwachtmeisterin ist es bislang vor allem in Staffeln gut gelaufen. 2015 hatte sie an gleicher Stelle ihre erste WM-Goldmedaille gewonnen, mit den Frauen des Deutschen Skiverbandes (DSV); vor einem Jahr in Hochfilzen war sie an zwei weiteren WM-Titeln beteiligt, erneut mit den Frauen sowie mit dem Mixed-Quartett.

Für die Olympia-Staffel von Pyeongchang ist Vanessa Hinz nicht nominiert worden, das hat im Nachhinein für Kritik gesorgt. Die Teamkollegin Franziska Hildebrand hatte nach dem enttäuschenden achten Platz verlauten lassen, sie wäre lieber in der WM-Besetzung von 2017 gelaufen.

Vanessa Hinz selbst hat sich nicht beklagt, sie gehört ja zu den Ruhigeren, Stilleren, Nachdenklicheren der Branche. Ihre besten Weltcup-Resultate bislang waren zwei vierte Plätze, 2015 und 2017 jeweils in Nove Mesto (Tschechien), einmal in der Verfolgung, das andere Mal im Massenstart. Im Olympia-Sprint von Südkorea war sie Fünfte geworden. Schon oft habe sie gedacht, "jetzt muss es doch mal mit dem Podest klappen". Nun ist sie in Kontiolahti sogar auf die höchste Stufe gesprungen. Sie hatte alle Gegnerinnen bezwungen und alle ihre eigenen Zweifel auch.

© SZ vom 13.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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