Biathlon:In vollem Galopp

Ihre Gegnerinnen sagen, sie laufe "wie ein Pferd", nun ist Laura Dahlmeier losgelassen. Mit dem Sieg in der Verfolgung erringt die Deutsche ihre zweite Medaille bei der WM in Hochfilzen. Für das deutsche Team bedeutet das einen Rekord-Start.

Von Joachim Mölter, Hochfilzen

Wenn die deutschen Biathleten auf Reisen gehen, nehmen sie seit einiger Zeit immer eine Dartscheibe mit. Das Pfeilewerfen hat sich zum beliebten Zeitvertreib entwickelt im Mannschaftshotel, gerade an freien Tagen wie sie nun bei den Weltmeisterschaften in Hochfilzen bevorstehen. Laura Dahlmeier ist allerdings eher selten dabei, wenn teaminterne Turniere anstehen. "Ich habe es nicht in die Start-Aufstellung geschafft", sagt die 23-Jährige aus Garmisch-Partenkirchen über ihre Treffsicherheit mit Pfeilen. Man kann es kaum glauben, dass sie Schwierigkeiten mit einem rund drei Meter entfernten Ziel hat, wo sie doch für gewöhnlich Gewehrkugeln exakt auf 50 Meter entfernte schwarze Scheiben prasseln lässt.

Am Sonntag hat Dahlmeier beispielsweise nur mit einem von 20 Schüssen das Ziel verfehlt, das sicherte ihr den Sieg im Verfolgungsrennen über 10 Kilometer, 11,6 Sekunden vor der fehlerfreien Weißrussin Darja Domratschewa und weitere fünf vor der Tschechin Gabriela Koukalova. Die Sprint-Weltmeisterin vom Freitag hatte eine der besten Laufleistungen abgeliefert, aber gleich drei Strafrunden zusätzlich drehen müssen, was sie entscheidend zurückwarf im Duell mit Dahlmeier. Die erzählte hernach: "Ich habe gemerkt, dass es läuferisch heute zäh geht, da wusste ich, dass ich am Schießstand sauber arbeiten muss." Es war kein perfektes Rennen, das wusste sie ebenfalls: "Aber ich habe aus der Situation das Bestmögliche gemacht."

Biathlon: Weltmeisterschaft Hochfilzen

Vor den Verfolgerinnen auf die Strecke: Laura Dahlmeier macht sich auf zum nächsten Sieg.

(Foto: Martin Schutt/dpa)

Das kann man bei dieser WM in den Tiroler Alpen im Grunde über die gesamte Biathlon-Abteilung des Deutschen Skiverbandes (DSV) sagen. Dank Dahlmeiers Erfolg vom Sonntag hat das Team nun an bislang jedem Wettkampftag eine Medaille gewonnen: am Donnerstag Gold in der Mixed-Staffel, am Freitag Silber im 7,5-Kilometer-Sprint der Frauen durch Dahlmeier, am Samstag Gold durch Benedikt Doll im Männer-Sprint über 10 Kilometer (siehe nebenstehenden Text). Damit haben die deutschen Biathleten bereits zur Halbzeit der WM die Vorgabe des Verbandes von fünf Medaillen fast erfüllt. "Es freut mich, dass die Mannschaft aktuell so stark ist", sagt Dahlmeier, "das gibt allen Auftrieb."

Nun ist es allerdings so, dass die 1,62 Meter große Dahlmeier im Moment die treibende Kraft ist hinter dem deutschen Teamerfolg bzw. das Zugpferd davor, wenn man ihrer Rivalin Koukalova glauben mag. "Sie rennt wie ein Pferd", hatte die Tschechin ehrfurchtsvoll nach dem Sprint am Freitag gesagt, in dem sie gerade noch vier Sekunden Vorsprung ins Ziel gerettet hatte. Die nahm sie mit ins Verfolgungsrennen, Dahlmeiers liebste Disziplin, wie diese betont und wie auch ihre Plätze zwei und eins bei den Weltmeisterschaften 2015 und 2016 belegen. "Wenn ich eine Gegnerin vor mir sehe, kann ich noch ein paar Prozent mehr aus mir herausholen", sagt sie. Freunden und Bekannten daheim hat sie jedenfalls genau dieses Rennen empfohlen, wenn sie zum Zuschauen nach Hochfilzen kommen wollten. "Krass, dass das so funktioniert hat", findet sie.

IBU World Championship Biathlon 2017 - Day 5

Überglücklich nach ihrem Sieg: Laura Dahlmeier.

(Foto: Adam Pretty/Getty)

Zusammen mit Oslo 2016 hat Laura Dahlmeier nun acht WM-Medaillen in Serie geholt.

Der Bundestrainer Gerald Hönig kennt die 23-Jährige nun schon ein paar Jahre, aber auch er ist immer noch beeindruckt von ihren Fähigkeiten. Sie habe "auf den Punkt wieder alles richtig gemacht", lobt er. Nur einmal habe er kurz gezuckt, im ersten Stehendanschlag, "da hat sie sich die Null richtig erarbeitet". Nach zwei Treffern setzte Dahlmeier kurz ab und baute den Schuss neu auf. "Ich hab ja gewusst, dass ich die Null brauche", erklärte sie später und verwies noch einmal auf "ein paar muskuläre Probleme", die ihr Laufen erschwert hatten.

Nun hat sie zwei Tage Zeit zur Erholung vor ihrem nächsten Start, im Einzel über 15 Kilometer am Mittwoch (14.30 Uhr/ARD und Eurosport). Die beiden Lang-Rennen im Weltcup-Zirkus hat sie in diesem Winter gewonnen, "ich hoffe natürlich, dass es so weitergeht", sagte sie am Sonntag und meinte damit wohl auch eine andere Serie: Saisonübergreifend hat sie nun im achten WM-Rennen nacheinander eine Medaille gewonnen, 2016 nahm sie fünf aus Oslo mit, je einmal Gold und Silber, dazu dreimal Bronze. Fünf WM-Medaillen auf einen Schlag hatte bei den Deutschen nicht einmal Magdalena Neuner geholt: dreimal Gold und einmal Silber 2011 in Chanty-Mansijsk waren die reichste Ausbeute der Rekord-Weltmeisterin. Und mit sechs Medaillen kehrten bislang nur die Norwegerin Tora Berger und Marie Dorin Habert (Frankreich) von Weltmeisterschaften zurück, Berger schaffte dies 2013 in Nove Mesto, Dorin Habert vergangenes Jahr in Oslo. Berger brachte es damals auf neun WM-Medaillen in Serie, Laura Dahlmeier hat auch in dieser Hinsicht die Verfolgung aufgenommen. "Ich habe bei allen Rennen eine Medaillenchance", sagt sie selbstbewusst. Es sei zwar "nicht meine Motivation, irgendwelche Rekorde zu brechen", fügt sie hinzu: "Aber wenn man sich mal in einer stillen Minute hinsetzt und überlegt, wie viele Medaillen man gewonnen hat - das ist schon ein schönes Gefühl."

Tabelle Sport

Wenn man sie richtig verstanden hat, dann ist es aber das schönste Gefühl, nicht allein auf das Siegerpodest klettern zu müssen. "Es würde mich sehr freuen, wenn wir mit der Staffel noch einmal gemeinsam auf dem Podium stehen", hat sie am Sonntag gesagt. Alleinunterhalterin will sie nicht sein.

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