Ruhpolding:Biathletin Dahlmeier: "Ein Wahnsinn, ein Traum, ein geiles Rennen"

Ruhpolding: Laura Dahlmeier gewöhnt sich langsam an dieses Gefühl. Den Erfolg. Die Jubelgesten.

Laura Dahlmeier gewöhnt sich langsam an dieses Gefühl. Den Erfolg. Die Jubelgesten.

(Foto: AFP)
  • Gute Läuferin, gute Schützin und jetzt auch noch cool: Die 22-jährige Laura Dahlmeier ist auf dem Weg, eine komplette Biathletin zu werden.

Von Saskia Aleythe, Ruhpolding

Braucht man das? Laura Dahlmeier hängt gerne an Kletterfelsen, so gerne, dass sie im vergangenen Jahr sogar an einem übernachtete. 800 Meter über dem Boden, auf einem winzigen Vorsprung, "du wusstest, wenn du dich jetzt auf die falsche Seite drehst, hängst du im Seil". Ein "verdammt cooles Gefühl", findet das die Biathletin, neben dem Kletterpartner unter den Sternen, weit weg von anderen Menschen.

"Diese Ausgesetztheit mit der Natur habe ich super schön gefunden", sagt sie, allein mit der Wand und den eigenen Gedanken. Laura Dahlmeier braucht das. Es formt ihre Stärken - und die sind beim Weltcup-Wochenende in Ruhpolding nun richtig aus ihr herausgebrochen.

Einmal streckte sie die Fäuste beim Zieleinlauf nach oben, einmal lief sie sogar mit Deutschland-Fähnchen und Knicks über die Ziellinie - nach einem vierten Platz im Sprint schnappte sich Dahlmeier sowohl in der Verfolgung als auch im Massenstart den Sieg. "Das ist Wahnsinn, hier zu gewinnen", sagte sie. Im Massenstart war sie fehlerfrei geblieben, "ein Wahnsinn, ein Traum, ein geiles Rennen". Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig verlor seine lange geübte Zurückhaltung und befand: "Das ist der Beginn einer großen Karriere."

Vor allem die Verfolgung am Samstagnachmittag zeichnete das Bild einer kompletten Biathletin. Da war Dahlmeiers Finish, als sie auf der letzten Runde noch Gabriela Soukalová aus Tschechien überholte, aus 13 Sekunden Rückstand machte Dahlmeier sieben Sekunden Vorsprung beim Zieleinlauf. "Ich habe sie atmen gehört", schilderte Soukalová später. Da war auch Dahlmeiers sehr ordentliche Schießleistung, nur eine Kugel verfehlte das Ziel.

Eine gute Läuferin ist die 22-Jährige schon lange, eine gute Schützin auch, in Ruhpolding führte sie noch eine weitere Fähigkeit vor: cool zu bleiben, wenn es darauf ankommt. Es war kein einfaches Schießen gewesen für Dahlmeier, im letzten Stehendanschlag wartete sie zweimal lange, bevor sie das nächste Mal abdrückte - und wahrte sich so die Chance auf den Sieg.

"Laura hat heute gezeigt, dass sie alle Teildisziplinen beherrscht", sagte Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig, "sie ist sich ihren Fähigkeiten voll bewusst. Beim Schießen hat sie kurz den Rhythmus verloren, aber sie wusste, dass sie läuferisch aufholen kann. Laura verfügt über ein wahnsinnig hohes Grundniveau." Dass sie sich im Sommer 2014 mal beim Klettern einen Bänderriss holte, der sie auch beim Biathlon eine Weile behinderte, ist beim DSV kein Thema mehr. "Ihr Hobby kommt ihr entgegen", sagt Hönig heute. Physisch, aber auch mental. Nach dem letzten Schießen in der Verfolgung habe sie versucht, "den Kopf abzuschalten und nur noch Vollgas zu geben", erklärte Dahlmeier.

Sie ist selbst überrascht

Dass sie in Ruhpolding so stark auftreten konnte, hat sie dennoch überrascht. Noch in der Weihnachtszeit hatte eine Erkältung Dahlmeier befallen, sie musste eine Trainingspause einlegen, aber das kennt sie ja mittlerweile. Schon im Herbst bremste sie eine Erkrankung aus, erst im vierten Rennen stieg sie in den Weltcup ein.

Zwei Siege fuhr Dahlmeier dann ein, zusätzlich einen zweiten Platz, längst gilt die Regel: Ist Laura Dahlmeier fit, wird es für die Konkurrenz gefährlich. Auch Franziska Hildebrand präsentierte sich mit ihrem Sieg im Sprint weiter auf einem konstant hohen Niveau, mit Platz drei im Gesamtweltcup bleibt sie einstweilen die beste Deutsche - hat aber nur noch 18 Punkte Vorsprung auf Dahlmeier.

Wie wichtig es ist, die Konzentration den Winter über aufrecht zu erhalten, erleben gerade die Männer im deutschen Biathlon-Team. Angeführt von Simon Schempp waren auch sie respektabel in den Weltcup gestartet. Ohne Simon Schempp, der die Rennen in Ruhpolding wegen einer verschleppten Erkältung ausließ, fehlte ihnen bei der ersten Station im neuen Jahr aber eindeutig ein Athlet für die Plätze auf dem Podium.

Arnd Peiffer schaffte einen fünften Rang im Massenstart und Andreas Birnbacher Platz neun im Sprint, dahinter breitete sich im deutschen Team allerdings nicht gerade Hochstimmung aus. Vor allem nicht bei Erik Lesser: Der Verfolgungsweltmeister von Kontiolahti kam nicht mal in die Top 30 in Ruhpolding, nach den Rennen verschwand er wortlos im Wald.

Bisher hat Lesser nur die halbe WM-Norm erfüllt, ihm fehlt noch ein weiterer Rang unter den Top 15. Und Schempp kostete seine Pause ziemlich viele Punkte im Gesamtweltcup: Von Rang drei ist er nun schon auf den sechsten Platz abgerutscht. Den Rückstand wieder aufzuholen, werde "verdammt schwierig" für Schempp, meint frech Martin Fourcade - der Franzose hat ja allein vor dem zweitplatzierten Norweger Emil Hegle Svendsen schon 79 Punkte Vorsprung.

Am Mittwoch geht es weiter in Ruhpolding, "da hoffen wir mal, dass die Männer auch wieder aufs Stockerl laufen", sagte Dahlmeier uneigennützig. Beim Einzel am Donnerstag steht sie ohnehin wieder im Mittelpunkt. Das Klettern muss erst einmal warten.

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