Biathlon in Oberhof:"Da muss man erst mal heil runterkommen"

Biathlon in Oberhof: Die Anstiege und Abfahrten in Oberhof sind für die Athleten schwierig.

Die Anstiege und Abfahrten in Oberhof sind für die Athleten schwierig.

(Foto: AFP)

Rasante Abfahrt vor dem Ziel: Mit einem neuen Streckenabschnitt soll der Biathlon-Weltcup in Oberhof spannender werden - das sorgt für Kritik. Wie viel Risiko ist vertretbar?

Von Saskia Aleythe, Oberhof

Natürlich ging es früher auch anders, aber nun, wo das neue Haus an der Ski-Arena in Oberhof steht, macht das Sportlerleben schon mehr Spaß. Multifunktionszentrum ist der sperrige Name, für die Athleten ist es vor allem eines: Endlich ein ordentlicher Ort zum Umziehen. Bisher mussten sie das in Containern tun.

Drei Stockwerke, rot hervorgehobene Fenster, in den Toiletten riecht es noch nach neuer Einrichtung. Duschen, ein Raum für Dopingkontrollen, großzügige Presseräume. Der Weltcup in Oberhof ist ein bisschen hübscher geworden, der Weltverband IBU hatte die Veränderungen von den Veranstaltern eingefordert, professioneller sollte es werden in Thüringen. Und doch gibt es Unbehagen im Athletenlager, allerdings wegen der Strecke: Beim Staffelrennen der Männer am Donnerstag feiert der neue Abschnitt kurz vorm Zieleinlauf Premiere. Er ist ebenfalls eine Idee der IBU - und sorgt für Diskussionen.

Daniel Böhm wird am Donnerstag nicht umhinkommen, den neuen Hügel zu befahren, schließlich will er beim Heimweltcup eine gute Leistung präsentieren. Lust auf ihn hat er allerdings wenig. "Mir gefällt das überhaupt nicht", sagte er, "kurz vor Ende muss man nicht noch solche Stellen bauen."

Wo früher eine Gerade als Zieleinfahrt diente, ist nun ein neuer Anstieg, 100 Meter lang, oben angekommen wartet eine für Böen anfällige Freifläche, ebenfalls 100 Meter lang, doch der Knackpunkt ist die Abfahrt - in einer engen S-Kurve geht es hinab, so eng wie nirgends sonst auf der Strecke. "Da muss man erst mal heil runterkommen", sagt Böhm.

Es ist eine deutliche Kritik am Weltverband und seinen Vorstellungen davon, wie Biathlon noch besser präsentiert werden kann. Eine Einzelmeinung? "Die Athleten sind unglücklich", sagt der Deutsche. So offensiv wie er hat die neue Schikane bisher niemand angesprochen.

Der Weltverband provoziert Stürze

Das Interesse des Verbandes ist offensichtlich: Die Wettbewerbe sollen spannender werden, schuld daran sind die Athleten indirekt selber. Seit Jahren stehen immer wieder dieselben Sportler auf dem Treppchen. Drei Mal hintereinander gewann der Franzose Martin Fourcade nun schon den Gesamtweltcup. Bei den Frauen dominieren seit zwei Jahren Darja Domratschewa aus Weißrussland und die Finnin Kaisa Mäkäräinen.

Was tun also, wenn das Spektakel fehlt? Die Verhältnisse in Oberhof sind seit Jahren schwierig. Nebel, zu wenig Schnee, Tauwetter und eine vereiste Strecke machen den Athleten regelmäßig zu schaffen - mit dem neuen Streckenabschnitt verlangt die IBU den Sportlern noch mehr ab. Das ist die freundliche Formulierung. Eine offensivere wäre: Sie provoziert Stürze, um ihren Sport wieder interessanter zu machen.

Wie viel müssen Spitzensportler leisten können, wie viel Risiko ist vertretbar? Bundestrainer Mark Kirchner nahm die Kritik von Böhm nicht auf. "Ob man davon begeistert ist oder nicht, ist egal", sagte er, "man muss damit klarkommen." Nach einem Lob für die Änderung klang das allerdings auch nicht.

Die Athleten werden nicht angehört

Was Böhm auch wurmt, ist die Tatsache, dass der Verband seine Ideen stets umsetzen lässt ohne die Athleten zu involvieren. "Vielleicht hätte man die Sportler ein bisschen in die Planung mit einbeziehen können", sagte er schon zaghafter. Darauf stieg dann auch Kirchner ein. Ob die Trainer in solche Entscheidungen mit einbezogen würden? "Uns fragt nie einer", antwortete er. "Wir müssen dann immer damit klarkommen, beziehungsweise unsere Athleten."

Wie gefährlich der Abschnitt tatsächlich ist, wird sich ab Donnerstag zeigen: In allen noch geplanten Rennen ist der Hügel im Streckenplan vorgesehen. Am Wochenende sollen kräftige Böen aufziehen. Immerhin beim Umziehen werden die Athleten davon nun nichts mehr mitbekommen.

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