Biathlon-Hoffnung Miriam Gössner:Neuners Prophezeiung

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Dritter Saisonsieg in Ruhpolding: Miriam Gössner. (Foto: dpa)

Vor knapp einem Jahr erklärte Magdalena Neuner ihre Freundin Miriam Gössner zu ihrer Nachfolgerin im deutschen Biathlon-Team. Kaum einer glaubte damals an Gössners schnellen Aufstieg zur Siegläuferin - doch Neuner behielt Recht. Gössner siegt und siegt.

Von Carsten Eberts

"Ich setz' ja brutal auf die Miri": Der Satz von Magdalena Neuner klingt noch immer im Ohr. Gesprochen hatte Neuner ihre Worte bei der Biathlon-WM 2012 in Ruhpolding, als sie zum x-ten Mal ihren Abschied vom Profisport erklären musste. Dem deutschen Frauen-Biathlon wurde damals eine schwere Zeit prophezeit, weil niemand in Sicht war, der die große Lücke von Neuner ansatzlos würde schließen können.

Dachten die meisten Experten, bis auf Neuner. Die setzte auf ihre damalige Zimmerkollegin, die Miri. Manch einer befürchtete, Neuner würde ihre Freundin womöglich unter Druck setzen. Weil Miriam Gössner, damals gerade 21 Jahre alt, vermutlich noch zwei Jahre brauchen würde, um Weltklasseniveau zu erreichen.

Elf Monate später ist Magdalena Neuner Privatfrau. Sie ist zur Ruhe gekommen, hat ihr Abschiedsrennen auf Schalke absolviert, spielt im Fernsehen ab und an die Expertin, dreht ein paar Werbespots. Doch ihre Prophezeiung ist wahr geworden: In den meisten Rennen läuft Miriam Gössner in der Post-Neuner-Weltcupsaison tatsächlich vorne mit. Schießt sie gut, gewinnt sie sogar.

Am Freitagabend im Sprint von Ruhpolding holte Gössner bereits ihren dritten Saisonsieg. Ausgerechnet in Ruhpolding, wo Neuner elf Monate zuvor per Dekret ihre Nachfolge geregelt hatte. Mit ihrem kraftvollen, dennoch lockerleicht wirkenden Laufstil hetzte Gössner die Piste entlang. Sie kann schlichtweg eine höhere Frequenz laufen als die meisten Konkurrentinnen - kaum eine kommt da hinterher. "Von mir aus darf es gerne so weitergehen, es macht gerade alles super viel Spaß", sagt Gössner und lacht. Klappt das Schießen, ist sie derzeit tatsächlich kaum zu bezwingen.

Das Schießen ist weiterhin die große Unbekannte bei Gössner. So war es früher auch bei Magdalena Neuner, auch sie ballerte manchmal hemmungslos daneben. Bei Gössner ist es bisweilen noch schlimmer. Vor wenigen Tagen in Oberhof schaffte sie das Kunststück und verfehlte bei ersten Liegendanschlag im Verfolgungsrennen alle fünf Scheiben. "Ich habe schon bewiesen, dass ich schießen kann", sagte Gössner trocken. Passiert eben.

In Ruhpolding verpasste sie nur im Stehendschießen eine Scheibe, und weil auch ihre großen Konkurrentinnen Darja Domratschewa und Tora Berger fehlerhaft schossen, reichte es locker für ihren dritten Saisonsieg innerhalb von vier Wochen. "Ich habe nach meinem Fehler nicht erwartet, dass ich das Rennen noch gewinne", sagte sie. Doch Gössner hätte ihren Fehlschuss - wenn nötig - wohl auch in der Loipe wieder wettgemacht.

Letztes Rennen von Magdalena Neuner
:Zum Abschied noch ein Liedchen

Sie kann sogar noch schießen - und wie: Bei ihrem Abschiedsrennen in der Schalker Fußballarena präsentiert sich Magdalena Neuner gelöst, singt ein Lied und beendet ihre Karriere mit Platz zwei. Auch Michael Greis verabschiedet sich vom Profisport.

Der Abschied in Bildern

Gössner ist augenscheinlich gereift. Im Jahr 2012 hat sie viel über sich und ihren Sport gelernt. Sie hat zehn Kilo abgenommen, nachdem sie in der Vorsaison "ein paar Kilo zu viel" hatte, wie Gössner selbst sagt. Nun fühlt sie sich fit. Gössner ist zudem gelassener geworden, hat den Druck, der nach Neuners Rücktritt auf ihr lastete, kaum an sich rangelassen. Auf der Anreise zum Weltcup nach Pokljuka im Dezember übernachtete sie kurzerhand eine Nacht im Auto, als sich der Weg nach Slowenien länger als erwartet hinzog. Trotzdem holte Gössner wenige Tage später in der Verfolgung ihren ersten Saisonsieg.

Gössners Laufleistungen sind gar so gut, dass offen über eine Rückkehr zum Langlauf spekuliert wird. Gössner half schon zweimal aus, bei der WM 2009 und bei den Olympischen Spielen in Vancouver 2010 holte sie mit der Staffel jeweils Silber. Nun ist ein erneuter Start Ende Februar bei der Nordischen Ski-WM in Val di Fiemme im Gespräch. Gössners Laufqualitäten würden der Frauen-Staffel guttun.

Erst einmal steht jedoch Anfang Februar die Biathlon-WM in Nove Mesto auf dem Programm - dort wird Gössner im Sprint und der Verfolgung zu den Favoritinnen gehören. Machen die Beine danach noch mit, will sie auch bei den Langläuferinnen an den Start gehen. Man wolle die 22-Jährige nicht verheizen, sagt Bundestrainer Uwe Müßiggang zwar. Aktuell ist es jedoch schwer vorstellbar, dass Gössner von ihren Beinen im Stich gelassen wird.

Mit Material des sid.

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