Biathlon:Futter für die Zukunft

Miriam Gössner

Wieder fit: Miriam Gössner lief in Schweden einmal die drittschnellste Zeit.

(Foto: Igor Kupljenik/dpa)

Die deutschen Frauen verblüffen ihre Trainer - sie laufen zum Saisonstart beim Verfolgungsrennen in Östersund schneller als geplant.

Von Volker Kreisl

Das Bild auf den letzten Metern erinnerte wieder an die alten Zeiten. Zu sehen war Franziska Hildebrand, die als Führende immer langsamer zu werden schien, die sich dann erst von Kaisa Mäkäräinen und vor dem Ziel noch von Dorothea Wierer überholen ließ und dabei so chancenlos langsam aussah wie vor vier Jahren, als sie im Weltcup-Team erschienen war. Aber es war nur ein Bild. Und im Biathlon sind Bilder den Trainern weniger wichtig, es geht um objektive Fakten, um Treffer und um Zeiten.

Die Trainer schauen durch Ferngläser und auf Bildschirme, sie studieren Schussbilder und Rennanalysen, und dabei kam unter anderem heraus, dass die langsame Hildebrand beim Verfolgungsrennen in Östersund vergleichsweise pfeilschnell war. Die Finnin Mäkäräinen und die Italienerin Wierer sind schon immer läuferisch höherklassig, doch Hildebrand, die Dritte wurde in diesem Rennen, war für ihre Verhältnisse geflogen. Die Computer-Analyse ergab abzüglich der Phasen am Schießstand die achtbeste Laufzeit von 60 Teilnehmerinnen - und eine markante Steigerung in der gesamten Woche. Dabei, sagt Gerald Hönig, der Bundestrainer, "war unsere Vorbereitung gar nicht auf die Rennen in Östersund ausgelegt". Nicht nur Hildebrand war verblüffend schnell, auch Miriam Gössner und Vanessa Hinz waren es. Sie liefen im Vergleich zum vergangenen Saisonstart zwei- bis dreimal so flott. Die Frühform betraf das gesamte Team, und es stellt sich die Frage, ob Hönigs Biathletinnen ein Problem bekommen könnten.

Laura Dahlmeier ist gesund. In Hochfilzen tritt sie wieder an

Denn die Planung für die Saison ist ausgeklügelt. Seit die WM im März stattfindet, diesmal vom 3. bis 13. März in Oslo, trainieren die Deutschen anders. Die erste Phase, also das Ausdauertraining mit langen Belastungen auf Rollerski und Fahrrädern, wird in den Herbst hinein länger ausgedehnt. Wie die Eichhörnchen sammeln auch Skisportler für den Winter "Körner", nur verbuddeln sie diese nicht im Boden, sondern in den Muskeln. Die zweite Phase, schnelle Sprints und erste Trainingsrennen, die den Körper für den Wettkampf stärken sollen, reicht nun bis über den Saisonstart hinaus. Die ersten Rennen in Östersund zählten also zum verzögerten Trainingsplan der Deutschen - und dennoch schafften diese dort Rekordzeiten.

Ab Freitag beginnt in Hochfilzen/Österreich der zweite Weltcup, dass jedoch im Dezember schon zu viel Nahrung für den Winter ausgebuddelt wird, glaubt Hönig nicht. "Ich bin mit dem Einstieg sehr zufrieden", sagt er, "es gibt keinen Grund, jetzt am weiteren Training etwas zu justieren." Die lange Aufbauarbeit bleibe ja als Grundlage bestehen, womöglich war die Konkurrenz noch außer Form, vielleicht hatte man auch die besseren Ski oder die bessere Motivation auf der Strecke, weil ja auch das Schießen vorzüglich gelang. In jedem Fall gehe es weiterhin darum, niemanden zu überfordern, notfalls werde bis März auch mal eine Pause verordnet. Hönig sagt: "Wir werden weiter sensibel herangehen und schauen, wie die Mädels durchkommen." So wie bei Laura Dahlmeier. Die WM-Zweite in der Verfolgung lief im vergangenen Winter die besten Rundenzeiten im deutschen Team, aber nun war sie nach einigen Infekten im Herbst zurückgefallen und verzichtete auf Östersund. Ab Freitag ist sie in Hochfilzen wieder dabei, während Arnd Peiffer am Wochenende erkältet pausiert.

Dahlmeier, Hildebrand, Franziska Preuß, Vanessa Hinz und die anderen haben aber nicht nur Kilometer um Kilometer heruntergespult, um Kondition anzulegen. Ein anderer Schwerpunkt in diesem Jahr war die Verbesserung der Lauftechnik, bei der sich ja fast jeder Nachwuchs-Sportler auf seine Weise etwas Falsches angewöhnt. Manche stampfen und wühlen sich durch den Schnee, manche sind zu steif in der Hüfte, andere haben zu viel Vorlage. Theoretisch ist noch Zeit, um die Fehler zu korrigieren, "die sind alle noch recht jung", sagt Hönig. Die Arbeit war intensiv, wurde wissenschaftlich begleitet und hat einige Zeit in Anspruch genommen.

Womöglich hat das wundersame deutsche Tempo von Östersund also nicht nur mit gutem Wachs oder schlechten Gegnern zu tun. Vielleicht steckt dahinter ein eigener Fortschritt, der bleibt. Ein effektiverer Laufstil wäre Futter, das länger hält als einen Winter.

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