Biathlon Frauen:Erstmal in die Berge

Biathlon Weltmeisterschaft Hochfilzen

Laura Dahlmeier zeigt ihre Medaillen bei der Biathlon-WM.

(Foto: dpa)
  • Nach ihren fünf WM-Titeln bei der Biathlon-WM in Hochfilzen gehen Laura Dahlmeier die Referenzgrößen ihrer Sportart aus.
  • Einige könnten den Erfolg als Bürde für die Olympischen Spiele sehen, aber Dahlmeier hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie damit umgehen kann.
  • Ihr Hobby, die Kletterei, hilft ihr beim Umgang mit dem Erfolg.

Von Joachim Mölter, Hochfilzen

Von Marie Dorin-Habert ist kaum noch gesprochen worden bei diesen Biathlon-Weltmeisterschaften von Hochfilzen, dabei war die Französin bei den Titelkämpfen in Oslo im vorigen Jahr noch die große Nummer gewesen: Medaillengewinnerin in allen sechs Rennen, zu denen sie angetreten war, drei goldene, zwei silberne, eine bronzene. Und in diesem Winter? Bloß einmal Bronze mit der Staffel, nicht mehr der Rede wert. So schnell vergeht die Zeit, so schnell verblasst der Ruhm.

Magdalena Neuner war häufiger im Gespräch, obwohl sie seit fünf Jahren überhaupt nicht mehr mitmacht und es sogar ein Jahrzehnt her ist, dass ihr Stern aufging, als dreifache Weltmeisterin von Antholz, mit gerade mal 20. Aber als Rekord-Weltmeisterin mit zwölf Titeln ist sie die letzte verbliebene Referenzgröße für Laura Dahlmeier, ihre ebenfalls in Garmisch-Partenkirchen geborene und im Werdenfelser Land aufgewachsene Nachfolgerin.

In diesem Winter ist Laura Dahlmeier das heißeste Geschöpf auf Skiern, die ganz, ganz große Nummer. Am Sonntagvormittag gewann die 23-Jährige dank eines tadellosen Schießens auch das Massenstart-Rennen bei der Hochfilzener WM und vollendete damit etwas, was noch kein Biathlet geschafft hat, weder weiblich, noch männlich: fünf Goldmedaillen bei einer WM zu gewinnen. Nur im Sprint kam sie als Zweite ins Ziel, vier Sekunden hinter der Tschechin Gabriela Koukalova. Saisonübergreifend hat Dahlmeier nun in elf WM-Rennen nacheinander eine Medaille gewonnen, auch das ist einzigartig. Kommenden Generationen von Biathleten bleibt da nicht mehr viel Spielraum für eine Steigerung. Ihr selbst aber auch nicht, sieht man davon ab, dass ihr noch fünf WM-Titel zu Neuner fehlen (je einen hatte sie 2015 und 2016 geholt).

"Biathlon ist ein komplizierter Sport", resümierte am Sonntag die große alte Finnin Kaisa Mäkäräinen, 34, die als Drittplatzierte im Massenstart ihre einzige WM-Medaille holte: "Da müssen so viele Kleinigkeiten zusammenpassen." Selbst Dahlmeier fand es beeindruckend, "dass man das so schaffen kann" - fünf Titel auf einmal, elf Medaillen in Serie. "Daran habe ich vorher nicht gedacht", versicherte sie.

Am wettkampffreien Tag geht sie Gleitschirmfliegen

Wenn man gerade auf der höchsten Stufe des Siegerpodestes steht, denkt man nicht an vorher oder nachher, da genießt man den Moment auf dem Gipfel des Erfolges und schaut entspannt auf das Geschehen herab. Laura Dahlmeier schaut sich ja auch die wirkliche Welt gern von oben an, das sogar noch viel lieber. An einem wettkampffreien Tag dieser WM war sie mit einer Freundin beim Gleitschirmfliegen in den Tiroler Bergen, beim Deutschen Skiverband (DSV) wissen sie, dass es keinen Sinn hätte, ihr solche Aktivitäten ausreden zu wollen. Ebenso wenig wie das Klettern und Bergsteigen im Sommer. "Sie wird da eine zweite Berufung finden nach dem Biathlon", glaubt Magdalena Neuner, die sich früher eher mit dem nicht ganz so gefährlichen Stricken die Zeit zwischen Wettkämpfen vertrieb. "Wenn du auf einem Gipfel stehst und runterschaust, ist das gewaltig", hat Dahlmeier selbst dieses Gefühl beschrieben, diesen Nervenkitzel: "Das kann dir kein Biathlonrennen geben."

Sie selbst hatte dem Publikum neben all den Medaillen auch eine Menge Nervenkitzel beschert, denn sie ging zwischendurch in die Knie nach zwei Schwächeanfällen. Der erste widerfuhr ihr nach dem Einzelrennen über 15 Kilometer, der längsten Strecke der Biathletinnen. Es war ungewöhnlich warm gewesen, mehr als zehn Grad, womöglich hatte sie auch zu wenig getrunken. Der zweite Kollaps erregte schon mehr Besorgnis, zwei Tage später nach dem Staffelrennen; der schwierigste Titelgewinn, wie sie am Sonntag zugab. Da fühlte sie sich als Schlussläuferin für das ganze Team verantwortlich. DSV-Arzt Klaus-Jürgen Marquardt beruhigte jedoch umgehend: "Es gibt keinen Anlass für eine gesundheitliche Gefährdung. Einem Hobbysportler würde ich Ruhe empfehlen, aber Spitzensportler erholen sich schnell."

Dahlmeier selbst hatte ausrichten lassen, "schon ihr Opa hat gesagt, O-Ton: Sie ist ein zähes Luder", wie Marquardt weitergab. Im O-Ton wird der Opa aber wohl eher "zaaches Luada" gesagt haben, was im bayerischen Sprachraum durchaus anerkennend gemeint ist. Laura Dahlmeier kokettiert ja gern mit ihrem Image als bayerisches Naturmädel, etwa wenn sie über eine "Goaßnmaß" referiert, einen "Ziegenliter", wie sie das übersetzt. Das ist ein beliebtes Mischgetränk der alpenländischen Jugend, bestehend aus Weißbier, Cola und Kirschlikör, und es ist anzunehmen, dass auch sie sich bei Gelegenheit eine solche Goaßnmaß einverleibt, spätestens wenn die Saison vorüber ist.

Laura Dahlmeier fährt jetzt erst einmal nach Hause, "ich hoffe, dass ich rauskomme in die Berge", hat sie zum Abschied aus Hochfilzen gesagt. Am kommenden Samstag fliegt sie dann nach Südkorea, zum Weltcup in Pyeongchang, dem Test-Wettkampf für die Olympischen Winterspiele im nächsten Jahr. Mit ihrem Triumphzug von Hochfilzen hat sich Laura Dahlmeier eine ganz schöne Bürde für Olympia aufgeladen. Das breite Publikum wird jeden zweiten Platz als Rückschritt empfinden. Aber die 23-Jährige kann sicher damit umgehen. Wenn sie bei ihrer Kletterei eins gelernt hat, dann das: So schön es auf dem Gipfel ist, man kann nur eine begrenzte Zeit da oben verweilen. Irgendwann muss man wieder runter. Marie Dorin-Habert kann das bezeugen.

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