Biathlon:Franziska Preuß ist endlich gesund

Lesezeit: 3 min

Immer wieder ein neues Ziel, immer wieder eine neue Krankheit - im Januar 2017 ging dann gar nichts mehr bei Franziska Preuß. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Biathletin Franziska Preuß startet am Wochenende in den Weltcup-Winter, Laura Dahlmeier muss wegen einer Erkältung passen.
  • In der vergangenen Saison erlebte Preuß einen schlimmen Winter mit vielen rätselhaften Erkrankungen.
  • Eine OP der Nebenhöhlen hat ihr geholfen - und viel Vernunft.

Von Volker Kreisl, München

Schwer, sich das alles zu merken. Was passierte wann? Magen-Darm im Dezember oder November. Keilbeinhöhle im Februar? Nein, wohl etwas früher. Schweres Fieber aber im Januar. Und Influenza A ? Und Mandeln und Kehlkopf? Egal, entscheidend ist die große Operation, die war Ende Februar.

Man konnte durcheinander kommen, aber das macht nichts, wichtig ist, dass die Biathletin Franziska Preuß aus Albaching, nördlich des Chiemgaus, jetzt gesund ist und sich auf den Weltcupstart am Wochenende freut. Außerdem hat sie ein recht offenes Herz und keine Probleme damit, von ihren Problemen zu erzählen. Deshalb schilderte sie nun ihre Misere vom letzten Winter noch einmal haargenau, jenem Rekord-Winter für ihr Team. Sieben Goldmedaillen und eine silberne gab es bei der Weltmeisterschaft, fast jeder hat was abgekriegt. Nur nicht Preuß, die lag im Bett.

Sportler, besonders Biathleten, haben häufig Blockaden im Kopf. Trifft einer die Scheiben nicht, dann heißt es, er sei "im Kopf nicht frei". Preuß hatte auch schon immer ein Kopfproblem, nur, das spielte sich weniger im Hirn ab, sondern in der unteren Hälfte, sozusagen Augen abwärts, und im Winter 2017 eskalierte es. Eine rein körperliche Blockade war das, mit nicht endender Schleimbildung, Verhärtung, Entzündung. Kurzum, es ist eben "ois dringhängt, in der Nosn", sagt Preuß.

Hinter Laura Dahlmeier klafft eine beachtliche Lücke

Das zeichnet sie, neben einer gewissen Nervenstärke, nämlich auch aus. Preuß zählt zu den Sportlern, die nicht nur erzählen, was sie so denken, sondern dies auch in ihrer Originalsprache. Sie spricht ein Ost-Oberbayerisch, das kein bisschen in Richtung Medienverständlichkeit zurechtgebogen ist, für das aber die Leute in Hamburg oder Berlin wohl einen Dolmetscher brauchen.

Am Anfang war tatsächlich Magen-Darm. Ging schon gut los, dachte Preuß, noch recht aufgeräumt, als sie im Bett lag nach dem ersten Weltcup in Östersund. Denn eine Krankheit pro Winter hat sie ja immer, sie folgerte: "Dann hab ich die früh hinter mir." Den nächsten Weltcup verfolgte sie vom Krankenbett, in Gedanken war sie schon beim übernächsten in Nove Mesto. Dort lief sie zweimal auf Platz sechs, ihre Saison konnte endlich beginnen. Aber dann spürte sie dieses Kratzen im Hals.

Es schien nur eine Erkältung zu sein, kleine Weihnachts-Grippe, typisches Biathleten-Syndrom. Tatsächlich begann eine Leidenszeit, aus heutiger Sicht vielleicht die wichtigste Phase ihrer Karriere. Den Wiedereinstieg in Oberhof hatte Preuß schnell zum Ziel, aber der Kopf blieb verstopft und verkatert. Dann eben Ruhpolding, der Weltcup danach. Und tatsächlich: Sie kam auf die Beine, feierte mit Platz 31 und 14 in Sprint und Verfolgung ein stilles Comeback und hoffte wieder auf die WM, die in Hochfilzen in Österreich stattfinden würde, mit vielen Zuschauern aus Ost-Oberbayern. Aber die nächste Steigerung von Erkältung heißt Influenza A.

Gliederschmerzen, hohes Fieber, und auch mit dem Herz, so spürte sie, "hat irgendwas nicht gestimmt". Es war ein Virus, zehn Tage strenge Ruhe waren angesagt, während denen sie natürlich an Hochfilzen dachte. Preuß verordnete sich das nächste Gesundungsziel, aber das Herz war wegen der Entzündungen geschwächt, und der Wiedereinstieg gelang einfach nicht. Und nun meldete sich der innere Anarchist. Die knapp 23-Jährige stellte ihr Sportlerleben in Frage, gehe das so weiter, dachte sie, "dann mach' ich lieber was, was mir weniger Spaß macht".

Für den deutschen Skiverband war das ein kritischer Moment. Dessen Biathletinnen glänzen zwar an der Weltspitze, aber genau betrachtet gehen die sechs Goldmedaillen von Hochfilzen hauptsächlich auf die derzeit weltbeste Läuferin Laura Dahlmeier. Dahinter warten einige schon länger auf den großen Durchbruch. Am nächsten dran war immer Franziska Preuß. Schon als 17-Jährige wurde sie Jugend-Olympiasiegerin. Aufmerksamkeit erregte sie auch, als sie bei Olympia 2014 als Staffelläuferin mit erstaunlicher Ruhe unter Hochdruck ihr Gewehr vom Schnee frei pustete. Sie war auf einer für ihr Alter viel zu steilen Strecke gestürzt, hatte den Auftritt aber mit Würde beendet. Später gewann Preuß WM-Staffelgold und 2015 in Finnland Silber im Massenstart. So jemanden darf der DSV nun eigentlich nicht verlieren - aber wie es aussieht, gewann Preuß nun ja auch gegen die Viren.

Dahlmeier verpasst den Auftakt

Nicht selten leitet der innere Anarchist die Wende ein. Er verlangt nach einer echten Lösung. Preuß sah ein, dass eine Operation unumgänglich war. Ein bisschen erscheinen die Nebenhöhlen wie die Nerven eines Schützen, der seine Selbstzweifel nicht abbauen kann. Bei Preuß hatten sich Flüssigkeit, Keime und Entzündungen in ohnehin engen Kanälen festgesetzt. Zudem hatte sich in der Keilbeinhöhle eine Zyste gebildet. In viereinhalb Stunden, sagt sie, wurde "ois ausgramt". Erstmals unterwarf sie ihre Gesundheit nicht dem Renn-Kalender, sondern umgekehrt.

Nach der Operation machte sie Urlaub, Meer und Sonne haben sie stabilisiert. Beim Weltcupstart in Östersund wird sie in der Mixed-Staffel antreten, diesmal muss Laura Dahlmeier erkältet pausieren. Medaillenziele für die neue Saison hat sie nun keine, sie will einfach nur "fit und gesund bleiben", gut über den Winter kommen, was so viel heißt wie: Natürlich will ich gewinnen, aber mein Körper ist wichtiger.

Ein Detail fehlt noch. Richtig - im März, zum Abschluss des Winters, hatte Franziska Preuß noch was, nur eine kleine Sache, eine Mandel- und Kehlkopfentzündung. Aber seitdem ist sie gesund.

© SZ vom 04.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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