Biathlon:Ein bisschen Schneepflug

Biathlon: Der überragende Mann im Schneetreiben in Ruhpolding: Martin Fourcade aus Frankreich.

Der überragende Mann im Schneetreiben in Ruhpolding: Martin Fourcade aus Frankreich.

(Foto: Matthias Schrader/AP)

Beim Sieg des Franzosen Martin Fourcade verpassen die deutschen Männer im Einzel-Rennen in Ruhpolding klar die Podestplätze.

Von Volker Kreisl, Ruhpolding

Drei große Wettkämpfe werden in diesen Tagen in Ruhpolding ausgetragen. Nach dem Biathlon-Weltcup von Oberhof, der wegen Schneemangels importiert wurde, folgt nun der Original-Biathlon-Weltcup von Ruhpolding. Und nebenbei messen sich Ruhpoldings Strecken- bauer mit dem Himmel.

Seit Tagen hat dieser kübelweise Regen auf die Behelfsstrecke aus Kunstkristallen gekippt. Zum Dauerregen kam dann auch noch Dauerwind, und diese Kombination, sagt Arena-Chef Engelbert Schweiger, "unterstützt den Schmelzprozess massiv". Die Loipenstärke schwand von 50 auf 30 Zentimeter und drohte noch tiefer und anstrengender zu werden, als am Samstag. Da hatte Biathlet Arnd Peiffer erklärt: "Wenn wir wieder solche Verhältnisse haben, werde ich mir schon mal ein Sauerstoffzelt buchen." Aber dann kam der Mittwoch, und weder Peiffer noch die Konkurrenten landeten im Sauerstoffzelt, denn aus Wärme wurde über Nacht Frost. Und aus Tropfen wurden Kristalle, echte, weiße und lockere Naturschneeflocken.

Die Streckenbauer hatten ihren Wettkampf also klar gewonnen, anders als die deutschen Biathleten wenige Stunden später. Sie suchen weiter nach der Frühform, die sie zu Beginn dieser Saison ausgezeichnet hatte. Mit dem Kampf um das Podest im Einzelrennen vor eigener Kulisse hatten sie nichts zu tun. Der Gesamtweltcup-Führende Martin Fourcade gewann vor dem Österreicher Simon Eder und dem Russen Anton Schipulin aus Russland.

Das lange Einzelrennen ist wie ein penibler Lehrer. Die kleinste Unaufmerksamkeit wird saftig bestraft. Eine kleine Nachlässigkeit am Schießstand wirft den Biathleten gleich um eine Minute zurück, wie diesmal die Deutschen, die alle mindestens zweimal gepatzt hatten. Eine schlechte Wachswahl oder auch eine falsche Startnummernwahl wirkt sich drastisch aus wie am Mittwoch. Rund 20 Sekunden brauchte Peiffer länger, weil er als Sechster noch im Schneetreiben startete und später zusah wie die anderen auf freier, spiegelglatt gelaufener Strecke dahin sausten. "Ich habe mich verpokert", sagte er. Auch Teamkollege Andreas Birnbacher erklärte: "Ich habe ein bisschen Schneepflug gespielt, hinten raus wurde es schnell."

Für alle Beteiligten war diese Ruhpoldinger Langdistanz 2016 ja ohnehin eine spezielle Herausforderung. Denn Schweiger und seine Helfer hatten seit Weihnachten in den Alpen zwar so viel Kunstschnee wie möglich zusammengekratzt und auf die Strecke verteilt, aber für die große Schleife fehlte doch ein Stück. Deshalb rechneten die Organisatoren gut nach und schickten die Läufer statt auf eine Vier-mal-fünf-Kilometer-Runde auf eine Sechs-mal-3,38- Kilometer-Runde. Das sind zwar mehr als 20 Kilometer, aber da ist das Einzelrennen nicht so penibel, die Regeln lassen es zu.

Am weitesten vorne scheint intern Benedikt Doll zu sein, der Platz acht belegte

Weil bei sechs Runden trotzdem nur viermal geschossen werden darf, führte das zu der ungewohnten Situation, dass die Athleten nach der ersten Runde durchs Stadion kamen und - statt zu schießen - in vollem Tempo am Schießstand vorbeirasten. Die Deutschen wurden heftig angefeuert, was ihnen aber auch nicht half.

Sie alle sind auf dem Rückweg zu ihrer Bestform, doch dieser erweist sich als schwierig. Den größten Fortschritt hat am Mittwoch Benedikt Doll gemacht, der mit Rang acht das beste Ergebnis der Mannschaft von Trainer Mark Kirchner schaffte. Auch Birnbacher (15.) kann trotz seines Schneepflügens zufrieden sein, der 34-Jährige hatte sich ja im Sommer schon mit dem Karriere-Ende befasst und dann doch dazu überreden lassen, weiter zu machen.

Bitterer wurde es für Erik Lesser. Der aktuelle Verfolgungsweltmeister aus Oberhof kämpft seit Saisonbeginn darum, wieder eine solide Laufform mit seiner alten Treffsicherheit zu kombinieren. In Ruhpolding gelang ihm zwar ein schnelles Rennen, doch mit vier Schießfehlern verpasste er als 17. erneut die besten 15 - und den Rest der WM-Norm, über die Lesser zurzeit aber auch sagt: "Die interessiert mich überhaupt nicht."

Kleiner sind da die Schwierigkeiten von Peiffer und von Simon Schempp, sie waren zuletzt durch Erkältungen aus dem Tritt gekommen. Peiffer, der am Sonntag im Massenstart Fünfter wurde, hat für Platz 62 am Mittwoch mit seiner frühen Tour durch den Nassschnee eine plausible Erklärung. Schempp trat zur Sicherheit erst gar nicht an, er hat gelernt, auf seinen Körper zu hören und verlängerte die Ruhepause.

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