Biathlon:Das Gewehr als einzige Last

Beim Weltcup von Ruhpolding zeigt sich ein erstarktes deutsches Biathlon-Team: Magdalena Neuner gewinnt, Michael Rösch wird Sechster bei den Herren.

Volker Kreisl

Zum Abschluss ist Magdalena Neuner die gewünschte Demonstration doch gelungen. Viel war zuletzt spekuliert worden, wie schnell die Biathletin nun wirklich ist und ob sie das Tempo des vergangenen Jahres rechtzeitig zur WM Mitte Februar wieder aufnehmen könnte. Aber dann waren die letzten Schüsse dieses Verfolgungsrennens abgefeuert worden, und für Neuner hatte sich vor der letzten Schleife eine perfekte Ausgangslage ergeben. 15 Sekunden Rückstand auf die Führende hatte sie nach vier Strafrunden, 15 Sekunden, das ist eigentlich zu viel auf eine wie Ekaterina Iouriewa, die Zweite des Gesamtweltcups.

Magdalena Neuner

Magdalena Neuner am Schießstand.

(Foto: Foto: dpa)

Der Abstand wirkte respektabel und ergab doch eine Gelegenheit für Neuner, sich in Szene zu setzen. Kein echtes Duell war das, ein Duell ist wegen gleicher Mittel meistens fair. Schon zur Hälfte der letzten Runde überholte Neuner die Russin in einer Art, wie eine Radfahrerin eine Spaziergängerin passiert, die hinter einer Biegung auftaucht: höflich, mit gebotenem Abstand, ohne Blick zur Seite. Später sagte sie: "Plötzlich war die Ekaterina schon vor mir."

Neuner ist also wieder in der Verfassung, die ihr erlaubt, einen Fehler mehr als die anderen zu schießen. Beide Einzelrennen gewann sie in Ruhpolding, zudem war sie am Mittwochabend Schlussläuferin beim Staffelsieg. Zur Dominanz der deutschen Biathletinnen trug auch ein zweiter und dritter Platz von Kati Wilhelm bei. Von Tag zu Tag schwollen die Zuschauermassen in Ruhpolding an, bis am Sonntag mehr als 24.000 Gäste kamen und teils etwas unruhig versuchten, einen vernünftigen Stehplatz zu bekommen.

Deren Erwartungen haben Neuner und Wilhelm am Ende alleine bedient, was ein Glück war für den anderen Teil der DSV-Mannschaft. In ihrem Windschatten konnten Andrea Henkel, Martina Beck, Simone Hauswald und Kathrin Hitzer an ihrer Form arbeiten. Vor allem aber ermöglichte der Erfolg den Biathleten von Männertrainer Frank Ullrich entspannte Tage mit konzentrierter Arbeit, obwohl ihnen nach Staffelplatz zwei am Mittwoch kein weiterer Platz auf dem Treppchen gelang.

Ullrichs Gruppe ist seit zwei Wochen nicht wiederzuerkennen. In den Tagen von Oberhof und Ruhpolding ist aus einer Mannschaft mit einem Kapitän (Michael Greis) und vier eher unsicheren Kollegen ein starkes Ensemble entstanden, das aus drei Untergruppen besteht. Die erfahrenen Olympiasieger Michael Rösch und Greis dürften für die WM-Staffel gesetzt sein.

Ähnlich lange sind die beiden aus Gruppe zwei (Alexander Wolf und Andreas Birnbacher) dabei, weil sie aber im entscheidenden Moment der Karriere bislang nicht zur Stelle waren, müssen sie sich nun mit der dritten Gruppe auseinandersetzen: Christoph Stephan, 22, Arnd Peiffer, 21, und Toni Lang, 26. Wegen der Krankheiten der Läufer aus Untergruppe zwei hatten das junge Trio zuletzt plötzliche Bewährungsproben im Weltcup zu bestehen. Es waren jeweils entscheidende Momente, und alle drei waren zur Stelle.

Im Staffelrennen hatten sie alle Arten von Störfaktoren überstanden, die ihr Sport so bereithält: Lampenfieber, großer Lärm, die Versuchung, sich zu früh zu übernehmen. Der Eindruck, dass es irgendwo in Deutschland eine Art Produktionsstätte junger Biathleten gibt, die erst jetzt entdeckt wurde, täuscht aber. Trotz der Ähnlichkeit im Auftreten gingen die drei bislang unterschiedliche Wege. Christoph Stephan ist noch eines der herkömmlicheren Biathlontalente, auch wenn er aus Rudolstadt stammt, einer Thüringer Kleinstadt, die Stephan als "im Prinzip wintersportlos" bezeichnet.

Toni Langs Elternhaus steht in Hauzenberg im bayerischen Wald, der bislang auch nicht bekannt war für seine Biathlonhochburgen. Als solider Langläufer kam Lang nach Ruhpolding, bis er 2006 die dortigen Skijäger bat: "Jetzt lasst's mich auch mal schießen." Seitdem ist er Biathlet. Arnd Peiffer schließlich kommt ursprünglich aus Clausthal-Zellerfeld, einer Stadt im Oberharz, die durchaus von Sportlern geschätzt wird, allerdings mehr wegen des heilsamen Klimas, als wegen der Biathlontradition. Peiffer schaffte es trotzdem irgendwie, ein guter Biathlet zu werden, irgendwann verließ er Clausthal-Zellerfeld ("Die Trainingsgruppe dort bestand aus mir") und schloss sich den großen Biathleten in Oberhof an. Jetzt zählt er zu dem Kreis, der um die WM-Teilnahme kämpft.

Vielleicht sind die drei gerade deshalb so unbeschwert, weil sie aus der Provinz kommen, und über ihr Talent in höheren Zirkeln nie sonderlich oft geraunt wurde. Peiffer, Stephan und Lang laufen drauflos, und die einzige Last, die sie tragen, ist das Gewehr. Die Umstände ihres Auftauchens waren zudem etwas glücklich. Die drei empfahlen sich in einem Moment, als die Zeit der festgezurrten deutschen Männermannschaften gerade vorbei war. Ullrich, der stets in großer Treue zu schwächelnden früheren Titelträgern hielt, hatte plötzlich nur noch Greis und Rösch als WM-Kandidaten, die Tür zum Team stand also offen.

Die Mitglieder aus Untergruppe drei haben unterschiedliche Stärken, aber dass einer wie Stephan nach dem Rennen lange erschöpft im Schnee liegt, gefällt Ullrich besonders: "Der hat ein Kämpferherz." Der Weg aus Rudolstadt, Hauzenberg und Clausthal-Zellerfeld nach Olympia ist noch ziemlich weit, aber er dürfte schon wegen der Unbekümmertheit der drei weniger steinig werden, als bei manch anderer Generation. Und den ersten Schritt haben sie ja bereits geschafft.

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