Biathlon:Laura Dahlmeier spaziert zu WM-Gold

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Laura Dahlmeier: Nach Bronze nun auch Gold bei der WM in Oslo (Foto: dpa)

Sie hat so viel Vorsprung, dass sie auf den Schlussspurt verzichten kann: Laura Dahlmeier gewinnt überlegen die WM-Verfolgung. Dabei war ihr der eigene Körper lange ein Rätsel.

Von Volker Kreisl, Oslo

Bis zu dieser Weltmeisterschaft war es eine enttäuschende Saison. Laura Dahlmeier sprach schon vor Wochen von ständigen Hochs und Tiefs, vom Bergauf und Bergab, vom ewigen Hin und Her. Im Hoch stand sie auf dem Podest und peilte den Gesamtweltcupsieg an, im Tief lag sie krank im Bett und hakte den Gesamtweltcupsieg ab. Bergauf ging es dann in der vorletzten Februarwoche, als der dritte Winter-Infekt verflogen war und die WM-Vorbereitung beginnen konnte. Und bergab ging es wieder kurz vor der WM, als ihr vierter Winter-Infekt zuschlug. Aber Laura Dahlmeier aus Garmisch-Partenkirchen ist ehrgeizig.

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Infekt Nummer vier besiegte sie in Rekordzeit, für Oslo meldete sie sich fit, auch wenn sie sich nicht darüber im Klaren war, wie fit genau. Am Ende des ersten Wochenendes wusste sie es besser, denn sie ist jetzt Weltmeisterin. Gold holte Dahlmeier im Verfolgungsrennen am Sonntagnachmittag, es war ihre zweite Medaille nach Bronze im Sprint am Samstag. Dies und das gute Gesamtergebnis - Franziska Hildebrand wurde Vierte, Franziska Preuß Sechste - dürfte den deutschen Biathletinnen für die weiteren WM-Aufgaben Auftrieb geben. Vor allem der 22 Jahre alten Dahlmeier, die schon zuvor selbstbewusst aufgetreten war, im Sprint die beste Laufzeit hatte und in der Verfolgung 48,3 Sekunden Vorsprung auf die zweitplatzierte Dorothea Wierer aus Italien.

Womöglich hatte schon die Aussicht auf den Saisonhöhepunkt in Oslo heilsame Wirkung. "Hier bin ich bei meinem ersten Weltcuprennen gleich in die Top Ten gekommen", erinnerte sie. An der Loipe stünden faire norwegische Fans - und: "Mir liegt die Strecke." Besonders im Sprintrennen nutzte sie dies, nach furioser Schlussrunde gelangte sie noch auf das Podest, und danach sagte sie: "Das ist einer der besten Tage meines Lebens." Ein Erfolgserlebnis, das sie fast höher einschätzte als Verfolgungsgold tags darauf: "Der Sprint war schwer zu steigern, das war wirklich ein riesiger Fight. Der Verfolger ist mir eher vorgekommen wie im Training." Am Samstag hatte sie also die Grundlage für den Titel am Sonntag gelegt. Dabei begann der Sprint mit einer Enttäuschung, mit einem Fehlschuss bereits im zweiten Liegendversuch.

So etwas wirkt für eine Biathletin zunächst ähnlich entkräftend wie ein Fieberschub. "Das war's", war Dahlmeiers erster Gedanke. Sie war ja mit der späten Startnummer 48 unterwegs und wusste, dass die Qualität der zehnköpfigen Spitzengruppe im Frauen-Biathlon eigentlich zu hoch ist. Mit einem Schießfehler erreicht man keinen Podiumsplatz. Ihre stärksten und diesmal fehlerfreien Konkurrentinnen Tiril Eckhoff (Norwegen) und Marie Dorin Habert (Frankreich) setzten sich prompt unter großem Getöse auf den Gold- und den Silber-Platz, aber bei der mit 20 Sekunden abgeschlagenen Deutschen wich in der zweiten Runde die Verdrossenheit allmählich dem alten Ehrgeiz.

Dahlmeiers Willen und Dahlmeiers Körper waren sich wieder einig. Der Ski lief, sie wurde immer schneller, sie hörte irgendwann vom Streckenrand, dass sie wieder zurück war im Medaillenrennen, lief die schnellste letzte Runde, grätschte auf der Ziellinie auf Platz drei und nahm sofort die Medaillen in der Verfolgung ins Visier.

Das Rennen am Sonntag begann sie mit 20 Sekunden Rückstand auf die Spitze. Sie hielt zunächst noch Abstand, lief dann aber immer weiter auf Marie Dorin Habert auf. Als Einzige blieb sie bei allen vier Schießübungen fehlerfrei, sie ist bereits bekannt für ihre Steigerungsfähigkeit auf der Schlussrunde, aber eine weitere Steigerung war diesmal gar nicht mehr nötig. Mit 45 Sekunden Vorsprung beim Verlassen des Schießstandes war der Rest eine Spazierfahrt auf zwei Latten, ein Defilee: "Genial", sagte sie. Die Techniker und Trainer grüßten mit Handschlag, man reichte ihr die Fahne, und damit sprang sie über den Hügel vor dem Ziel. Nur die Beziehung zu ihrem labilen Körper ist noch nicht geklärt. Dahlmeier betet zwar alle Infekt-Abwehrmethoden herunter: gesunde Ernährung, Prävention, Vitamine, "auch was Homöopathisches, und die einfachen Sachen, nach dem Training schnell umziehen, Menschenmassen meiden". Aber im nächsten Winter braucht sie wohl eine noch weiter gehende Vorsorge. Jetzt hat sie zunächst die Aussicht auf eine ziemlich großartige WM, und in diesen Tagen dürfte das Adrenalin alle Keime zurückdrängen.

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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