Biathlon:Biathlon in Ruhpolding: Wer soll das alles gucken?

Biathlon - Ruhpolding Massenstart Herren

Hauptsache, der Kunstschnee reicht: Deutsche Ausrichter hadern mit dem milden Klima

(Foto: Matthias Schrader/dpa)

Weil in Oberhof der Schnee fehlt, trägt Ruhpolding gleich zwei Biathlon-Weltcups aus. Das ist ein Risiko.

Von Saskia Aleythe

Und dann kam tatsächlich der Schnee in Oberhof. Fast ein wenig hämisch rieselte er in den ersten Januartagen auf den Thüringer Wald. Bis zu 15 Zentimeter hoch, aber immer noch viel zu wenig für eine ordentliche Biathlon-Strecke, weshalb es in den kommenden Tagen anders sein wird als in den Vorjahren in Oberhof. Stiller.

Den Biathlon-Weltcup, der in den ersten Januartagen stets in Thüringen Station machte, wird es diesmal nicht geben, jedenfalls nicht im schneearmen Oberhof, dafür im kunstschneereichen Ruhpolding. Der Ort in den Chiemgauer Alpen trägt von Freitag an die Oberhofer Wettbewerbe aus, vom kommenden Mittwoch an dann die eigenen. Zwölf Rennen an acht Wettkampftagen, Sprints, Verfolgungen, Einzel, Massenstarts, Staffelrennen - verbunden mit der Frage: Wer guckt sich das alles an?

Ausgebucht sind die Hotels und Ferienwohnungen nicht, auch Tickets sind noch zu haben

Mehr als 50 000 Tickets waren bereits für die Oberhofer Wettbewerbe verkauft worden, sie gelten nun für die Chiemgau- Arena - doch der Ortswechsel könnte für viele Anhänger zu kurzfristig gekommen sein. "Wir sind alle sehr angespannt", sagt Ruhpoldings Bürgermeister und Organisationschef Claus Pichler, "wir können überhaupt nicht abschätzen, wie viele Fans kommen." Ausgebucht sind die Hotels und Ferienwohnungen in Ruhpolding nicht, für Thüringer Fans bedeutet die Verlegung wohl auch eine finanzielle Herausforderung. Tickets sind noch zu haben, über einen Onlineverkauf wurden bisher aber kaum 5000 zusätzliche Karten verkauft. "Wir hoffen einfach, dass viele noch spontan dazukommen", sagt Pichler. Der Doppelweltcup könnte auch zum Verlustgeschäft werden - warum tut sich Ruhpolding das an? "Das ganze Leben ist ein Risiko", sagt Pichler. Und hofft auf das Beste.

469 Kilometer trennen die Arena im mit-teldeutschen Oberhof von jener im südlichen Ruhpolding. Das ist zwar nur ein Bruchteil der Stecke, die Ole Einar Björndalen in seinem Biathlonleben absolviert hat, aber immer noch ein ganz schönes Stück. Jahrelang schon kämpft Oberhof mit der Herausforderung, Wintersport bieten zu wollen in einer Region, in der zu dieser Zeit oft kein richtiger Winter ist. Dieses Mal mussten die Thüringer kurz vor Weihnachten kapitulieren, die Prognosen für Schnee und Kälte waren zu schlecht. Als "Stich ins Herz" hatte Organisationschef Christopher Gellert die Absage bezeichnet, die gesamte Region muss einen hohen finanziellen Verlust verkraften; für sie ist dieser Weltcup der größte Tourismusfaktor im Jahr. 20 Millionen Euro Umsatz bringt der Weltcup ein, Ticketverkäufe und Fernsehgelder noch gar nicht eingerechnet.

Auch Ruhpolding ist von Winter weit entfernt

Kaum war die Absage ausgesprochen, lud der Deutsche Skiverband (DSV) die Veranstalter aus Ruhpolding zum Gespräch ein, er wollte die Wettbewerbe unbedingt in Deutschland halten. Noch am gleichen Abend stimmte der Gemeinderat der Austragung zu. "Bei allen Beteiligten war eine große Begeisterung zu spüren", sagt Pichler, "Feiertage hatten wir jetzt keine". Zwar ist auch Ruhpolding vom Winter weit entfernt, ein großes Plus ist aber das Schneedepot, in dem noch 15 000 Kubikmeter Schnee aus dem vergangenen Sommer lagerten. Eine solche Halle wurde in Oberhof erst im November fertiggestellt. Aus Reit im Winkl und Hochfilzen brachten LKWs weitere Ladungen Kunstschnee nach Ruhpolding, zudem produzieren zwei Schneekanonen des DSV selbst bei Temperaturen bis zu sieben Grad plus täglich 100 Kubikmeter. Die Strecke ist präpariert, "die Bedingungen sind absolut gut", bestätigt Pichler.

Der beste Anreiz, schon in der ersten Woche nach Ruhpolding zu kommen, sind die deutschen Ergebnisse, das Team ist so gut in die Saison gestartet wie selten zuvor. Sechs Siege und 19 Podestplätze haben sich die deutschen Athleten in diesem Winter schon gesichert, zehn Sportler haben die WM-Norm bereits geknackt. In Simon Schempp und Franziska Hildebrand stehen gleich zwei Deutsche in der Gesamtwertung auf Rang drei. Schempp glaubt mittlerweile selbst an die Möglichkeit eines Gesamtsieges, müsste dafür mit der Zeit aber den Führenden Martin Fourcade aus Frankreich und den Norweger Björndalen überholen. Bei den Frauen ist das Gesamtfeld ausgeglichener, Hildebrand hat vor allem Laura Dahlmeier im Nacken.

"Ein Selbstläufer wird das nicht, denn der Fokus und Druck liegen auf uns", warnt allerdings Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig. Zwölf Deutsche wird es in Ruhpolding zu sehen geben. Luise Kummer soll im Sprint am Freitag ihr erstes Rennen in dieser Saison bestreiten, Franziska Preuß muss einen Haarriss auskurieren. Und dann ist da noch Erik Lesser, der als gebürtiger Thüringer vielleicht noch ein paar Fans nach Ruhpolding locken könnte: Dem Verfolgungsweltmeister von Kontiolahti fehlt nämlich noch die WM-Norm. Die Organisatoren um Claus Pichler würden sich über die zusätzlichen Thüringer freuen: "Wir hoffen auf die Genugtuung, dass es für etwas gut war, diesen Weltcup übernommen zu haben."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: