Biathletin Tina Bachmann:Wenn der Ehrgeiz einen kaputtmacht

IBU Biathlon World Championships - Women's 15km Individual

Tina Bachmann, hier bei einem Rennen im März 2011 in Russland.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Tina Bachmann zurück im Biathlon-Weltcup. Noch vor neun Monaten ließ sie sich in einer Klinik behandeln, Diagnose: Burn-out.
  • Bachmann war zwei Mal Staffelweltmeisterin, im Einzel holte sie 2011 WM-Silber. Sie gehörte dazu, war angekommen in der Weltspitze. Dann ging es rapide bergab.
  • "Ich weiß, wie ich theoretisch mit dem Trubel umgehen kann. Wie es praktisch funktioniert, werde ich sehen."
  • Sollte der Sprint der Frauen am Freitag in Oberhof trotz Orkanwarnung starten, wird sie wieder auf Skiern stehen, inmitten der Weltelite.

Von Saskia Aleythe, Oberhof

Nur, wer sich selbst hinterfragt, kann zu Erkenntnissen gelangen. Tina Bachmann hat sich oft hinterfragt in den vergangenen Jahren, gefühlt jeden Tag. Nun hatte sie genug überlegt, sich gut präpariert für den Eisregen in Oberhof, auch äußerlich. Wollmütze und Fleece-Schal legte sie auch nicht mehr ab, als sie längst im Warmen saß und diesen Auftritt hatte, an den sie selbst in der Vergangenheit oft nicht mehr geglaubt hatte. "Aktuell geht es mir sehr gut", sagte Bachmann, es war tatsächlich real: Tina Bachmann zurück im Biathlon-Weltcup. Noch vor neun Monaten ließ sie sich in einer Klinik behandeln, Diagnose: Burn-out.

An die eigenen Grenzen gehen, sie sogar überwinden - Sportler benutzen diese Phrasen gerne, um zu beschreiben, was ihren Erfolg ausmacht. Sie gelten als Voraussetzung, auch als Ansporn. Gewisse Schmerzen muss man ertragen, Erschöpfung ausblenden. Doch auch Athletenkörper brauchen Ruhepausen. Bachmann hat das zu oft ignoriert. Und dann war da der Kampf mit den eigenen Ansprüchen.

Tina Bachmann ist 28 Jahre alt, war zwei Mal Staffelweltmeisterin, an der Seite von Magdalena Neuner, Miriam Gössner und Andrea Henkel, im Einzel holte sie 2011 WM-Silber. Sie gehörte dazu, war angekommen in der Weltspitze. Dann ging es rapide bergab.

Ihr ganzes Leben hat Bachmann mit Biathlon verbracht: Mit drei Jahren schon auf Skiern, mit zwölf Jahren ging sie aufs Sportinternat im sächsischen Altenberg, nur unweit vom heimatlichen Schmiedeberg entfernt. "Glückauf"-Gymnasium, eine Eliteschule des Sports. Die Erfolge in der Jugend kamen, zwischendurch stockte es ein bisschen, in ihrem dritten Weltcup-Rennen 2009 gelang ihr die große Überraschung: Sie gewann. Bachmann ganz oben.

Anfang 2013, kein Jahr nach dem letzten WM-Triumph, flog sie aus dem deutschen Kader: Die Leistungen stimmten nicht mehr, Bachmann erklärte sich das selbst mit einer zu harten Saison-Vorbereitung. Sie habe Erholungsphasen gebraucht, das aber erst zu spät realisiert. Es wurde eine Unterfunktion der Schilddrüse festgestellt. Um zu merken, dass sie auch psychisch belastet war, brauchte es wiederum fast ein ganzes Jahr: "Dann bin ich ins Krankenhaus gegangen und habe an mir gearbeitet", sagt sie. Als ob das einfach wäre.

Fluch und Segen zugleich sei der Sport für sie gewesen. "Das war immer meine Stütze, es war mein Ablassventil", erklärt Bachmann, "umgekehrt habe ich mich immer sehr oft an meinen Leistungen festgeklammert." Der Ehrgeiz habe sie zwar nach oben gebracht, aber sie habe ihm auch zu viel Raum gegeben: "Die Dosis macht das Gift."

Bundestrainer: "Wir sind froh, dass sie zurück ist"

Und das lässt sich nun einfach eindämmen? Sie habe gelernt, damit umzugehen, sagt Bachmann. "Wenn ich zu sehr über mich selber und meine Leistungen grüble, dann suche ich mir ganz bewusst andere Menschen, mit denen ich über ganz andere Dinge rede. Da merke ich: Das eine ist der Sport und dann gibt es noch den Menschen im Leben."

Bisher ist es ihr ganz gut gelungen, nicht gleich wieder zu viel zu wollen. Im unterklassigen IBU-Cup, in dem Miriam Gössner derzeit Wettkampfpraxis nach ihrer Rückenverletzung sammelt, feierte sie nach einem neunten Rang zum Saisonauftakt Mitte Dezember endlich wieder einen Sieg. Bundestrainer Gerald Hönig honorierte das mit der Nominierung für den Weltcup in Oberhof - es ist die Belohnung nach zwei harten Jahren. "Wir sind froh, dass sie zurück ist", sagt Hönig, "eine Prognose wage ich aber nicht, wie sie sich hier verkaufen wird und der Mannschaft helfen kann. Schön wäre es, wenn es ihr gelingt."

Es soll ein vorsichtiger Schritt zurück sein, denn wie das alles ausgehen wird, das weiß auch Bachmann nicht. Bedenken im Umfeld habe es gegeben, ob sie es mit dem Sport überhaupt wieder versuchen solle, und dann auch noch in Oberhof, wo die Aufmerksamkeit für die Deutschen besonders groß ist. "Irgendwas in mir hat mir gesagt: Das war noch nicht alles mit Tina Bachmann im Biathlon", sagt sie. "Ich weiß, wie ich theoretisch mit dem Trubel umgehen kann. Wie es praktisch funktioniert, werde ich sehen."

Aus dem deutschen Team kennt Bachmann nur noch Franziska Hildebrand, frische Talente sind längst an ihr vorbeigezogen. Franziska Preuß etwa ist acht Jahre jünger. "Zu sehen, dass andere momentan leistungsstärker sind als ich, war schwierig", gibt Bachmann zu. Die Gefahren gibt es noch und es wird sie im Leistungssport immer geben: Vergleiche mit den anderen. "Ich muss aufpassen, dass ich da nicht wieder zurückfalle in alte Muster und verkrampfe. Sondern mich an mir selber orientiere", sagt Bachmann.

Sollte der Sprint der Frauen am Freitag in Oberhof trotz Orkanwarnung starten, wird sie also wieder auf Skiern stehen, inmitten der Weltelite. Lockerheit und Leichtigkeit aus den letzten Monaten will sie mit in den Wettkampf nehmen, "wozu das reicht, werde ich im Ziel sehen". Neue Erkenntnisse werden garantiert dabei sein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: