Betrugsbekämpfung:Freund und Helfer

Der langjährige Chef eines Lausanner Anti-Doping-Labors war als Berater auch für den Fußball-Weltverband sowie Russlands Sportministerium tätig.

Von Thomas Kistner

In Lausanne tagt der Weltsport, es geht um die Doppelvergabe der Sommerspiele 2024/28 an Paris und Los Angeles. Doch die selbsternannte Welthauptstadt des Sports beherbergt neben Sportweltverbänden auch das Flaggschiff unter den Dopinglaboren: Die Einrichtung in Lausanne gilt als Kernzelle der Betrugsbekämpfung, bei Olympia genommene Proben sind dort auf Jahre gelagert. Gern verweist auch der Fußballweltverband Fifa, berüchtigt für sein intransparentes Anti-Doping-System, auf die Zuständigkeit der Schweizer. Wie zuletzt, als aufflog, dass russische Funktionäre ihren gesamten WM-2014-Kader kurz vor der Abreise nach Brasilien selbst testeten. Was massiv nach Kollektiv-Absicherung roch - nur nicht für die Fifa. Es seien doch alle Spieler zuvor auch von Lausanne getestet worden, teilte sie mit. Alle negativ.

Aber nun steht der langjährige Lausanner Laborleiter selbst im Fokus: Martial Saugy. Der Cheffahnder des Weltsports war zugleich als Berater für zwei Institutionen tätig, die aus Sicht einer glaubwürdigen Fahndung auf der anderen Seite des Tisches sitzen: Russlands Sportministerium, das in die heimische Doping-Staatsaffäre verwickelt ist, und die Fifa. Letztere teilte am Montag auf SZ-Anfrage mit: Saugy sei "seit vielen Jahren als Berater der Fifa in medizinischen Dingen tätig".

Schon Saugys Rolle in der Russland-Affäre war dubios, das ging im Eklat um das Massendoping aber völlig unter. Der Lausanner Laborchef war auch Supervisor bei den dopingverseuchten Winterspielen in Sotschi 2014 - nicht als Vertreter der Welt- Anti-Doping-Agentur Wada, sondern als bezahlter Berater des Moskauer Ministeriums! Mitte 2016, der erste Report zum Russen-Doping war unterwegs und Saugy bereits im Bericht eines unabhängigen Prüfstabs des Leichtathletik-Weltverbands unter dem Kanadier Richard Pound scharf kritisiert worden, gab er die Laborleitung ab. Mit seiner luftigen Position zur Russland-Affäre hob sich Saugy aber weiter stark von der Anti-Doping-Community ab. Umso schwerer wiegt die Einschätzung der Pound-Kommission zu dem Vorgang, dass Saugys Labor 67 russische Proben "entgegen der spezifischen Anweisung" der Wada vernichtet hatte. Im Ermittlungsbericht heißt es: "Wir erhielten eine Erklärung des Lausanner Labors, aber wir haben sie nicht geglaubt." Saugy erklärte, alles sei korrekt abgelaufen und sein Labor erst um die Aufbewahrung der Russen-Proben gebeten worden, als die schon vernichtet waren.

Saugy wurde schon einmal als "Komplize" bei Dopinggemauschel kritisiert. 2011 gab er zu, dass er im Auftrag des Radsportverbands UCI Lance Armstrong die Feinheiten der Epo-Analytik erklärt hatte: Ein absurder Exklusiv-Service für einen Verdächtigen. Zuvor hatte Lausanne eine Positivprobe bei dem Amerikaner festgestellt. Sie wurde nach diversen Überweisungen Armstrongs an die UCI nicht weiterverfolgt.

Die enorme Bedeutung des Lausanner Labors für Topverbände wie Fifa und IOC erfordert eine Überprüfung der Rollen Saugys. Dick Pound, Gründungspräsident der Wada, fordert in der britischen Mail on Sunday eine Untersuchung. In das verfilzte Bild passt, dass die Fifa nicht darlegen will, welche Dienste Saugy erbringt - und wieviel sie ihm dafür bezahlt. Dem Mann, dessen Labor die WM-Turniere über viele Jahren für sauber befand.

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