Bestechung im Tennis:7000 Dollar in der dunklen Limousine

2015 U.S. Open - Day 3

Manche Tennisprofis außerhalb der Top 100 sind empfänglich für dubiose Angebote der Wettmafia.

(Foto: AFP)
  • Ein früherer deutscher Tennisprofi hat in seiner Karriere selbst Bestechungsversuche erlebt.
  • Er berichtet von "kriminellen Kartellen".
  • Er sagt, viele würden das Geld nehmen, weil sie Angst vor den Folgen für sich und ihre Familien hätten.

Von Matthias Schmid

Der Mann beim Turnier in Rumänien sprach nur ein paar Brocken Englisch. Sie reichten aber aus, um zu sagen, was er wollte: Er bot Geld für eine Niederlage. "Wenn ich in der ersten Runde absichtlich gegen einen Wild-Card-Inhaber verloren hätte, hätte ich das Preisgeld des Turniersiegers bekommen können", erzählt ein ehemaliger deutscher Tennisprofi. Das wären fast 1500 US-Dollar gewesen. Viel Geld für einen jungen Spieler, der nicht nur um Weltranglistenpunkte spielt, sondern auch darum, "finanziell überleben zu können", wie Franz Weiß sagt.

Weiß lehnte ab. Er wollte unbedingt gewinnen. Damals träumte er noch den Traum vieler junger Spieler, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben. Er wollte selbstverständlich der beste Spieler der Welt werden, bei den großen Grand-Slam-Turnieren spielen, den großen Bühnen in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York.

"Es geht um kriminelle Kartelle"

Doch dafür muss jeder zunächst ganz unten beginnen, bei den sogenannten Future-Turnieren. Bei Wettbewerben wie dem in Rumänien, wo überhaupt nichts an die großen Tennisarenen erinnert, an Luxus und Ruhm. Die meisten können sich nicht einmal ein Hotelzimmer leisten. Sie schlafen im Auto vor der Anlage oder in Zelten. Sie können jeden Cent gut gebrauchen, sind empfänglich für kleinere und größere Summen.

Weiß will seinen richtigen Namen nicht im Zusammenhang mit Spielmanipulationen und Wettbetrug im Tennis lesen. Das Thema ist zu heikel. Es sei viel zu viel Geld im Umlauf, bekennt Weiß. "Es geht um kriminelle Kartelle und viele Profis haben Angst vor den Folgen." Etliche von ihnen nehmen die Offerten deshalb an. Sie wollen keine Schwierigkeiten für sich und ihre Familien bekommen, manche sollen sogar verbale Drohungen erhalten haben. "Ich halte es deshalb für sehr wahrscheinlich, dass auch Topspieler davon betroffen sind."

Ein offenes Geheimnis, dass es zu Bestechungen gekommen ist

16 Profis der besten 50 der Weltrangliste, darunter sogar ein Grand-Slam-Champion, sollen in den vergangenen zehn Jahren Match-Absprachen getroffen haben. Das berichteten vor Beginn der Australian Open BBC und Buzzfeed. Der Chef der Spielervereinigung ATP, Chris Kermode, will den Hinweisen nachgehen und sagt im SZ-Interview: "Dass keine Namen genannt wurden, zeigt doch das Problem. Es mangelt an Beweisen."

Weiß kennt weitere Fälle. Er hat während seiner Karriere, die ihn unter die Top 300 brachte, einen guten Einblick in die Tennisszene bekommen. Der heute 36-Jährige war zudem Hittingpartner einer früheren Weltranglistenersten im Frauentennis. "In den Kabinen ist darüber nie gesprochen worden", erzählt der langjährige Bundesligaspieler. Es war aber ein offenes Geheimnis, dass es immer wieder auch zu Bestechungen gekommen ist. "Auch haben Spieler auf eigene Spiele gewettet", versichert Weiß.

Ein Fremder ruft im Hotelzimmer an und bietet 7000 Dollar

Er erzählt eine Geschichte, die klingt wie aus einem Thriller. Freunde von ihm hätten in Russland ein Challenger gespielt, ein Turnier der zweiten Kategorie. Vor ihrem Erstrundenspiel im Doppel wurden sie von einem Anrufer vor ihr Hotel gerufen. Dort wartete eine Limousine mit abgedunkelten Scheiben. Nur widerwillig stiegen sie ein, sie hatten Angst. Im Auto bekamen sie ein Bündel Dollar mit der Aufforderung, die erste Runde zu verlieren. "Es waren fast 7000 Dollar", sagt Weiß. Eingeschüchtert hätten sie das Geld genommen.

Anti-Korruptions-Agentur soll verdächtige Profis aufspüren

Seit 2008, seit dem Vorfall beim Turnier in Sopot, als es zwischen dem Russen Nikolai Dawidenko und dem Argentinier Martin Vassallo Argüello eine Absprache gegeben haben soll, gibt es die Tennis Integrity Unit (TIU), eine Anti-Korruptions-Agentur. Sie soll Bestechungen und Manipulationen von Profis aufspüren. Franz Weiß glaubt nicht, dass die TIU Erfolg haben kann. "Wenn die Preisgelder der kleineren Weltranglistenturniere nicht deutlich angehoben werden, wird man die dubiosen Angebote und Wettbetrug nicht eindämmen können", sagt Weiß. Nur Spieler, die mehrere Jahre unter den besten 100 zu finden sind, können Geld für ihr Leben nach der Karriere zurücklegen. "Und auch nur dann, wenn sie bescheiden leben", sagt Franz Weiß.

Er hat es nie zu den Grand-Slam-Turnieren geschafft. Auf seine Karriere blickt er dennoch ohne Gram zurück. "Ich habe das gemacht, was ich immer wollte."

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