Berti Vogts in Aserbaidschan:Viel Renommee, wenig Erfolg

Aserbaidschans Nationaltrainer Berti Vogts hat bislang die Erwartungen enttäuscht - einen Sieg im WM-Qualifikationsspiel gegen Deutschland fordert niemand.

Johannes Aumüller

Dieser Tage war schön zu beobachten, mit welch unterschiedlichen Vorgaben der Trainer eines sogenannten Kleinen in ein Duell mit einem sogenannten Großen gehen kann. Da war einerseits der Trainer eines in der WM-Qualifikation noch tor- und entsprechend sieglosen Teams, der vor dem Spiel gegen den Tabellenführer devot erklärte: "Unser Gegner ist in meinen Augen einer der großen Anwärter auf den WM-Titel. Wenn wir zu Hause knapp und beim Rückspiel nicht zu hoch verlieren, sind wir sehr zufrieden."

Berti Vogts in Aserbaidschan: Aserbaidschans Nationaltrainer Berti Vogts gibt sich bescheiden vor dem Duell gegen die deutsche Elf, die er als Mitfavorit auf den WM-Titel sieht.

Aserbaidschans Nationaltrainer Berti Vogts gibt sich bescheiden vor dem Duell gegen die deutsche Elf, die er als Mitfavorit auf den WM-Titel sieht.

(Foto: Foto: dpa)

Und da war andererseits der Trainer des 137. der Fifa-Weltrangliste, der vor der Partie gegen den aktuell Vierten der Fifa-Weltrangliste ganz forsch erklärte: "Wir spielen zu Hause und fürchten uns vor keinem Gegner. Ich habe ein Interview des gegnerischen Trainers gesehen, in dem er sagte, er wolle bei der Aufstellung keine Experimente eingehen. Wenn der Trainer eines so starken Teams das sagt, heißt das, wir haben eine gute Mannschaft."

Riesenschritt unter Vogts

Zwar gab Verbandspräsident Rownag Abdullajew im deutschen Fernsehen pflichtschuldig zu Protokoll, die Nationalelf habe unter Vogts einen Riesenschritt nach vorne gemacht, in Aserbaidschan hingegen vernehmen die Fußballfans solche klaren Bekenntnisse zu Vogts nicht. Und zudem mehren sich in den Medien und in der Öffentlichkeit die kritischen Stimmen. Während des 0:6 gegen Spanien forderten die Zuschauer Vogts' Rauswurf. Die aserbaidschanischen Medien gingen ebenfalls auf Konfrontationskurs, eine Zeitung publizierte die Rücktrittsforderung sogar auf Deutsch - mit dem ironischen Hinweis, dass Vogts nun nicht mehr sagen könne, er würde die Anliegen der Beobachter nicht verstehen. Dass unter Vogts die Abwehr insgesamt stabiler geworden ist, beruhigt sie nicht. "Das letzte Mal hat uns die Nationalelf vor zweieinhalb Jahren Freude gemacht", schrieb Azerisport-Chefredakteur Bugar Sejnalow - und meinte das Spiel, als man unter Trainer Schahin Dinijew 1:0 gegen Finnland gewann.

Das Problem von Vogts ist aber, dass die aserbaidschanischen Fußballfans zwischenzeitlich durchaus Grund zur Freude hatten, wobei im Fußball Gründe zur Freude ja so unterschiedlich sein können wie Vogts' Äußerungen vor dem Länderspiel. Jedenfalls haben es in dem FK Baku und dem FK Karabach gleich zwei aserbaidschanische Klubs in die letzte Qualifikationsrunde für die Europa League geschafft, und bevor der Spott über diese Tatsache zu groß wird, sei noch schnell erwähnt, dass sich Karabach auf dem Weg dorthin immerhin gegen Rosenborg Trondheim durchsetzte. Nun entbrennt in Aserbaidschan die Diskussion, warum nicht Vogts mit seinen Assistenten Uli Stein und Olaf Janßen vergleichbar Tolles vollbringen kann.

Zitat eins war auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu lesen und stammt von jenem Mann, den sie einst Bundes-Berti nannten; Zitat zwei verbreitete das aserbaidschanische Medium Azerisport, es stammt auch von dem Mann, den sie einst Bundes-Berti nannten. Natürlich ist angesichts des Leistungsgefälles zwischen der deutschen und der aserbaidschanischen Nationalelf der devote Ansatz der angemessenere; zugleich tut Berti Vogts, 62, und seit Frühjahr 2008 Nationaltrainer der ölreichen Kaukasus-Republik, in diesen Tagen gut daran, ein bisschen Zuversicht zu verbreiten.

Nur ein Punkt aus fünf Spielen

Seine bisherige Amtszeit in Aserbaidschan verlief nämlich nur mäßig erfolgreich. Erst ein Punkt aus den bisherigen fünf Qualifikationsspielen, nicht mal ein Sieg gegen Liechtenstein, dazu eine 0:6-Pleite im Freundschaftskick gegen Spanien - das ist weit entfernt von dem, was das an finanziellen Ressourcen nicht gerade arme Land von einem ausländischen Trainer mit viel Renommee erwartet. Wobei Vogts wie so viele andere Verantwortliche in Fußball-Entwicklungsländern das Problem hat, dass die Erwartungen an den ausländischen Trainer mit dem vielen Renommee natürlich viel zu groß sind.

Berti Vogts betont zwar immer, eine junge Mannschaft aufbauen zu wollen, die "in vier bis fünf Jahren im europäischen Fußball mithalten" könne. Deshalb versammelt er den Kader auch einmal pro Monat zu einem mehrtägigen Trainingslager oder fordert, die Zahl der Ausländer in den Vereinsmannschaften zu limitieren. Doch im Widerspruch zu diesem Plan steht die Nominierung manches älteren und umstrittenen Spielers. Zum Beispiel die von Abwehrspieler Ernani Pereira, einem von zwei eingebürgerten Brasilianern und derzeit ohne Verein. Oder die von Seijnal Sejnalow, der nebenbei auch noch Mitglied der aserbaidschanischen Nationalmannschaft im Beachsoccer ist.

Einen Sieg gegen Deutschland - so gnädig ist die Fußball-Öffentlichkeit dann doch - erwartet niemand. Doch in den Spielen gegen Finnland und in Liechtenstein entscheidet sich wohl, ob der Ende 2009 auslaufende Vertrag mit Vogts verlängert wird. Vogts selbst sagt: "Vorstellen kann ich mir alles. Aber sicherlich muss man dann frühzeitig abklären, inwieweit der Verband in der Lage ist, meinen Vorstellungen zu folgen." In Aserbaidschan ist eher die Rede davon, inwieweit Vogts den Vorstellungen des Verbandes folgen kann.

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