Bernd Schuster:Sein Traum ist Real

Bernd Schuster hat das Trainingsziel erreicht - als neuer Coach des Madrider Traditionsvereins soll er die Galaktischen wieder glänzen lassen.

Eine Reportage von Javier Cáceres

Auch der große Alfredo Di Stéfano gab sich die Ehre, die besonderen Anlässe lässt er sich immer noch nicht entgehen, mag er auch schon 81 Jahre alt sein. Mühsam schritt er auf der Ehrentribüne des Estadio Santiago Bernabéu, der Heimstatt von Real Madrid, die Treppenstufen abwärts, bis er die improvisierte Bühne erreicht hatte, auf der Bernd Schuster als neuer Trainer vorgestellt werden sollte. Es blieben noch ein paar Minuten, ehe der blonde Deutsche dazustieß; und als der schließlich aus den Katakomben des Stadions emporstieg, hinter dem Vereinspräsidenten Ramón Calderón und mit einigen Funktionären im Schlepptau, hellte sich der Blick der greisen Legende auf.

Schuster Real Madrid

Große Aufgabe: Bernd Schuster ist neuer Trainer von Real Madrid.

(Foto: Foto: AP)

Alfredo Di Stéfano, das ist der Mann, der den Verein über andere erhob, der damals in den fünfziger und sechziger Jahren mit seiner Spielkunst dafür sorgte, dass Real Madrid seitdem stets mehr abverlangt wird als anderen Mannschaften. ,,Exzellenz im Spiel'', wie es Klubpräsident Ramón Calderón in einer kurzen Ansprache formulierte. Gerade drei Wochen ist es her, da wurde Real Madrid zum 30. Mal in der Vereinsgeschichte spanischer Meister, zum ersten Mal nach vier Jahren, und der Trainer, Fabio Capello, war vertraglich noch bis 2008 gebunden.

Dennoch wurde er mit mehr als fünf Millionen Euro abgefunden. Capellos Vergehen war ein Fußball, der den Souverän auf den Rängen langweilte. Mit Schuster soll das anders werden, mit ihm verbinden die Fans schließlich noch die Erinnerung an die wehende blonde Engelsmähne, an einen Artisten des langen Passes, an einen der letzten Vertreter aus dem Genre der Spielmacher mit dem Blick für jeden Quadratzentimeter auf dem grünen Rasen. Fußball voller Romantik.

Flucht aus Köln

Zuletzt war Schuster beim Erstligisten FC Getafe tätig, er führte ihn in das Pokalfinale und ließ ihn aufregend und mutig spielen. Deshalb darf er sich in den kommenden drei Jahren an Real Madrid versuchen. ,,Lieber Bernd, vielen Dank, dass du dich für Real Madrid entschieden hast'', sagte Calderón auf Deutsch, und Schuster scherzte charmant über die unfallfreie Aussprache seines neuen presidente: ,,Ist ja fast besser als meine.''

Das war charmant gelogen. Jedoch: Würde es verwundern, wenn der schwäbische Akzent bei Schuster längst verflogen wäre? Fast 27 Jahre ist her, dass er, damals noch keine 21, seiner deutschen Heimat den Rücken kehrte, sich mit seiner Frau Gaby und dem ersten seiner vier Kinder in einen Range Rover setzte und zwölf Stunden am Stück fuhr, um beim FC Barcelona anzuheuern.

Ein Trainer mit bürokratischer Seele namens Karl-Heinz Heddergott hatte den brillanten Strategen der deutschen Europameister-Mannschaft von 1980 beim 1. FC Köln zum Arbeiter degradieren wollen und Schuster so in die Flucht getrieben. Fast wäre er bei Cosmos New York gelandet, wo sein Förderer Hennes Weisweiler agierte. Dass sich die Dinge mit dem FC Barcelona dann doch fügten, rettete wohl eine schillernde Karriere. Sie führte Schuster nach acht Jahren beim FC Barcelona erst zu Real und dann zu Atlético Madrid.

Sein Traum ist Real

Spaniens Liga hat ja viele der besten und berühmtesten Fußballer aller Zeiten gesehen. Di Stéfano, Cruyff, Maradonna, Ronaldo... Aber nur Bernd Schuster hat es vermocht, mit drei untereinander heillos verfeindeten Klubs Titel zu erringen, drei Meisterschaften und sechs Pokalsiege insgesamt. Und wohl nur er konnte es schaffen, den Lärm auszuhalten, den jeder seiner Abgänge verursachte. Neben Anerkennung hat ihm dies vor allem einen riesigen Fundus an Erfahrung eingebracht. ,,Ich weiß, wo ich bin und worauf ich mich einlasse'', sagte er in seiner 45-minütigen Pressekonferenz im Bernabéu-Stadion.

Schuster Madrid Gaby Bernd

Der junge Bernd Schuster und seine langjährige Ehefrau und Managerin Gaby.

(Foto: Foto: dpa)

Auch sein Wechsel als Trainer zu Real Madrid lief nicht geräuschlos ab: 480.000 Euro musste Schuster aus eigener Tasche bezahlen, um aus seinem Vertrag mit Getafe befreit zu werden. Eigentlich hatte Getafes Präsident ihn gratis ziehen lassen wollen, doch dann überwarf er sich mit Ramón Calderón von Real Madrid. Und es ist fast schon bezeichnend, dass Schuster an diesem Disput keinen Anteil hatte. Denn das alte Klischee vom unausstehlichen Querulanten hat er längst hinter sich gelassen. Bloß in Deutschland herrscht es noch vor, weil es sich verselbstständigt hat, seit er als in Barcelona anheuerte.

Damals stürzten innerhalb von Wochen Dinge auf ihn ein, die andere in einer ganzen Karriere nicht erleben. Neue Kameraden in einem neuen Land, die ihn mit verschränkten Armen empfingen; dazu der Wechsel von einer Trainerlegende, Ladislao Kubala, zur anderen, Helenio Herrera; und obendrein ein DFB-Präsident wie Hermann Neuberger, der ihm drohte, falls er nicht für die Nationalelf spielen sollte.

"Den alemán? Den hält doch keiner aus!"

In diese Zeit fiel noch der Abdruck von Bildern seiner Ehefrau und geschäftstüchtigen Managerin Gaby in erotischer Pose. Und er selbst kultivierte das Bild des Rebellen und legte sich mit jedem an, der ihm in die Quere kam. Als 1981 Enrique Castro entführt wurde, Barcelonas Stürmer mit dem Künstlernamen Quini, da kam im Prozess heraus, dass die Täter es eigentlich auf Schuster abgesehen und es sich dann anders überlegt hatten: ,,Den alemán? Den hält doch keiner aus!'', sagten sie.

Nun, als neuer Trainer von Real Madrid, sitzt derselbe Mann, um 27 Jahre gealtert, im Stadion und ist der dialogbereiteste Gesprächspartner, den dieser Presseraum seit langer Zeit gesehen hat. Er hat gelernt, flexibel zu sein, und dazu hat nicht zuletzt seine Trainerkarriere beigetragen, die vor zehn Jahren in der zweiten deutschen Liga begann, bei Fortuna Köln.

Er versuchte es ein Jahr lang auch beim 1. FC Köln, doch erst in Spanien, als er ebenfalls in der zweiten Liga arbeiten durfte, bei Xerez, kam bei ihm so etwas wie ein Glücksgefühl auf. ,,Es war stets mein Traum, in Spanien zu trainieren'', sagte er damals. Doch im Grunde hatte er wohl niemals etwas anderes im Sinn, als einmal hier zu sitzen, als verantwortlicher Trainer bei Real Madrid. ,,Weil ich glaube, dass ich imstande bin, diese Aufgabe zu bewältigen'', sagt er heute. Darauf hat er hingearbeitet bei seinen vorherigen Stationen, bei Levante und zuletzt bei Getafe.

Dass die Ansprüche an ihn nun gestiegen sind, macht ihm keine Angst. Ich habe mir immer das Höchste abverlangt'', sagte er, und das Höchste ist immer noch Real Madrid. ,,Triumphe soll er uns bringen, und ein schönes Spiel'', fordert Alfredo Di Stéfano, der große alte Mann von Real Madrid, als er das Stadion verlässt. ,,Dann werden wir alle hinter ihm stehen.''

Daran, dass Schuster den mutigen, offensiven Fußball spielen lassen will, den er selbst verkörpert hat, daran besteht kaum ein Zweifel. ,,Das Wichtige ist'', sagt Schuster, ,,dass die Menschen auf der Tribüne glücklich sind.'' Als Di Stéfano das Stadion verlässt, sieht es so aus, als lächle er.

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