Berliner 0:0 gegen den BVB:Mou & das "genießbare Nullnull"

Lesezeit: 3 min

Tribünengast José Mourinho sieht ein Remis für Spezialisten. Im ausverkauften Olympiastadion neutralisieren sich Hertha und Dortmund chancenarm auf gutem Niveau.

Von Javier Cáceres, Berlin

Zum ersten Heimspiel nach dem einjährigen Amtsjubiläum von Pal Dardai als Trainer des Berliner Bundesligisten Hertha BSC gab es im Olympiastadion zwar keine Blumen. Wohl aber, erstmals seit jenem 5. Februar 2015, als der Ungar die damals triste Alte Dame übernahm, ein ausverkauftes Haus. 74.244 Zuschauer fanden sich im Berliner Westend ein, und was sie sahen, ist für die Berliner Überraschungsmannschaft gleichbedeutend mit positiven Perspektiven: Nach einem 0:0, das Dortmunds Innenverteidiger Mats Hummels zurecht mit dem ebenso unvermeidlichen wie treffenden Adjektiv "leistungsgerecht" versah, sind die Träume von Reisen durch Europa weiterhin intakt. Der Abstiegskandidat der vergangenen Saison steht nach 20 Spieltagen auf Tabellenplatz drei, zehn Punkte hinter dem soliden Tabellenzweiten Dortmund. "Es war ein genießbares Nullnull", sagte Dardai.

"Wenn er (Mourinho) mich nächste Woche ablöst, war das nicht okay"

Ob sich die Hertha tatsächlich so weit oben, und das heißt: auf einem Champions-League-Platz, wird halten können? "Wir sind keine Spitzenmannschaft", hatte Dardai noch vor der Partie gesagt. Andererseits: Hertha war die erste Mannschaft, die in der laufenden Saison den Kasten gegen die Dortmunder sauber hielt. Zeuge dessen war der derzeit beschäftigungslose portugiesische Star-Trainer José Mourinho (ehedem Porto, Chelsea, Inter Mailand, Real Madrid), der auf Einladung von BVB-Chef Joachim Watzke auf der Ehrentribüne Platz nahm. Er sei eingeweiht gewesen und habe auch sein Plazet gegeben, sagte Dortmunds Trainer Thomas Tuchel, der sich sicher im Sattel wähnen darf. Einen Scherz wollte sich Tuchel dennoch nicht verkneifen: "Wenn er (Mourinho) mich nächste Woche ablöst, war das nicht okay", sagte er nach einer Partie, in der der geballte Charme der neuen Hertha zu begutachten war.

Tribünengast: Der ehemalige Chelsea-Trainer Jose Mourinho (l.) war einer Einladung von Dortmunds Präsident Hans-Joachim Watzke gefolgt. (Foto: Michael Sohn/AP)

Dieser Charme besteht ja vor allem darin, dass man der Hertha immer den Schweiß ansieht, der all ihre Versuche parfümiert, vernünftig Fußball zu spielen. Hertha war wie den Dortmundern der Wille anzumerken, das Spiel zu gewinnen, die Berliner agierten freilich einen Tick vorsichtiger als der Tabellenzweite aus dem Pott. Das äußerte sich einerseits darin, dass das Team weniger Spieler in die Angriffsbemühungen einschaltete als der Gegner, wenn er im Ballbesitz war. Andererseits vermochten es die Berliner, mit emsiger und mannorientierter Deckungsarbeit die Ballzirkulation der Dortmunder zu unterbinden. Ob Julian Weigl, Ilkay Gündogan oder Henrikh Mkhitaryan - die kreativen Dortmunder Köpfe fanden kaum je Anspielstationen; Trainer Tuchel plädierte allerdings später auf mildernde Umstände. Der Rasen des Olympiastadions sei in bescheidenem Zustand gewesen, ein Hindernis für schnelles Passspiel und rasche Drehungen, die das Spiel seiner Borussia sonst prägen.

Aubameyang gelingt kein einziger Torschuss

Das Resultat: Pierre-Emerick Aubameyang wurde trotz seiner nun schon 20 Saisontore nach 72 Minuten ausgewechselt, nachdem er nicht einen Ball aufs gegnerische Tor gebracht hatte. Gleiches galt für den wieder genesenen Marco Reus, der nach 81 Minuten in die Kabine gehen durfte. Allerdings waren gute Torgelegenheiten in beiden Halbzeiten stark rationiert. Die größten Chancen ergaben sich in der ersten Halbzeit im Anschluss an Eckbälle. Zunächst verfehlte Herthas Innenverteidiger John Anthony Brooks das Gehäuse per Kopfball knapp (20.); nach einer halben Stunde zwang Innenverteidiger Hummels den Hertha-Torwart Rune Jarstein zu einer Parade.

Nach der Pause änderte sich die Gesamtkomposition der Aufführung kaum. Den Dortmundern war zwar das Bemühen anzumerken, dem eigenen Spiel mehr Drive zu geben. Doch nach einem Fernschuss von Mkhitaryan (49.), der knapp am Tor vorbeistrich, verfiel die Partie bei höherem Ballbesitz der Dortmunder wieder in das Muster der ersten 45 Minuten. Hertha wiederum orientierte sich nach hinten und hoffte auf Konter. Nach 70 Minuten kam der erste; Vedad Ibisevic wurde beim Schussversuch nach Pass von Mittelfeldspieler Vladimir Darida aber aus dem Tritt gebracht. Eine ähnliche Szene ergab sich nach 78 Minuten. Doch Salomon Kalou, nach der Auswechslung von Ibisevic alleiniger Stürmer, setzte einen Schuss aus 18 Metern knapp neben das Tor.

Für beide Mannschaften geht es nun kommende Woche im DFB-Pokal weiter. Die Berliner reisen zu Zweitligist Heidenheim; Dortmund trifft auf den VfB Stuttgart, wo nunmehr der Ur-Borusse Kevin Großkreutz spielt, der ehemalige Südtribünen-Fan trifft erstmals auf den Verein seines Herzens. Eine Belastung wollen die Dortmunder Profis da nicht erkennen: "Das ist ein besonderes Spiel", sagte Mittelfeldspieler Lukasz Piszczek: "Für ihn."

© SZ vom 07.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: