Berliner AK im DFB-Pokal:Pokalhelden für die ganze Hauptstadt

Der BAK 07, ein kleiner Viertligist aus dem Stadtteil Moabit, sieht sich im Pokal als Repräsentant für ganz Berlin. Nach dem 4:0 gegen Hoffenheim kam schnell der Alltag zurück - jetzt folgt der nächste Kracher gegen 1860 München. Und die Berliner sehen sich gar als leichter Favorit.

Boris Herrmann, Berlin

Berliner AK 07 - Metin Cakmak

Pokalheld mit Stirnband: der Berliner Metin Cakmak.

(Foto: dpa)

Der Viertligist Berliner AK hat jetzt auch eine Vereinshymne. Drei Rapper, die sich "Gier & P-Zak" nennen, haben sie aufgenommen. Ehrenamtlich, versteht sich, sie sind mit einem der Spieler befreundet. Das Lied geht so: "Run BAK, Run, Run BAK", und was soll man sagen? Es ist nicht annähernd so peinlich wie das größtenteils traurige Vereinshymnen-Gejodel aus der ersten und zweiten Bundesliga.

Das Video beginnt natürlich mit dem verzweifelten Gesicht von Markus Babbel, dem Trainer von 1899 Hoffenheim. Es handelt sich um Originalaufnahmen vom 18. August 2012. Babbel hat an diesem Tag etwa 90 Minuten lang verzweifelt dreingeschaut. In einem der ungeheuerlichsten Spiele der DFB-Pokalgeschichte besiegte der Berliner AK die Hoffenheimer damals 4:0.

Die Komposition "Run BAK" zeichnet sich ferner durch einen feinen, reimenden Seitenhieb auf Hertha BSC aus. Demnach stellt der BAK das "beste Team aus Westberlin". Das ist keck. Und doch ist es, was den DFB-Pokal betrifft, keine Falschaussage. Denn die große Hertha hat sich bereits aus dem Wettbewerb verabschiedet. Die Unioner aus Köpenick sind aber noch dabei, weshalb es nicht nur pathetisch, sondern auch sehr keck ist, wenn BAK-Präsident Mehmet Ali Han verkündet: "Wir vertreten am Dienstag ganz Berlin!" Am Dienstag (19 Uhr) trifft der Berliner AK in der zweiten Pokalrunde auf 1860 München.

Pokalhelden führen ein seltsames Leben. Es ist ein Leben in Wellenform, und manchmal, wie beim BAK, sind es absurd hohe Wellen. Bis zum 18. August dieses Jahres wussten nur die Feinschmecker der Berliner Fußballprovinz, dass es diesen BAK überhaupt gibt. Und wahrscheinlich mussten auch die gut bezahlten Profis aus Hoffenheim am Abend erst einmal googeln, gegen wen sie da gerade 0:4 verloren hatten.

Derweil ließ sich ein Doppeltorschütze und Turbanträger namens Metin Cakmak, 25, im "Aktuellen Sportstudio" feiern. Der Mann, der Hoffenheims Torwart Tim Wiese zur Weißglut brachte, war dann für ein paar Tage eine Berliner Berühmtheit. Auf der Straße wurde er angesprochen, an der Uni musste er Autogramme schreiben.

"51 zu 49 für uns"

Auch der Immobilien-Unternehmer und Vereinsboss Ali Han war plötzlich ein gefragter Mann. Er referierte gerne und geduldig über einen ehemaligen Migrantenklub, der zwischenzeitlich zum Farm-Team eines türkischen Erstligisten ausgebaut werden sollte und dessen Kürzel deshalb von 2006 bis 2011 für "Berlin Ankaraspor Kulübü" stand. Han legt allerdings Wert darauf, dass sich sein Verein mittlerweile in "Berliner Athletik Klub 07" umbenannt hat. Und unmittelbar nach dem Hoffenheim-Spiel schien sich die darin verborgene Vision einer gesamtstädtischen Bedeutung tatsächlich zu erfüllen.

Eine Woche später war dann aber wieder der graue Alltag eingekehrt bei den Pokalhelden aus Moabit. In der Regionalliga hängt das Team von Trainer Jens Härtel im Mittelfeld fest. "Und mehr Zuschauer konnten wir durch den Sieg gegen Hoffenheim leider auch nicht akquirieren", räumt Härtel ein. Etwa 400 kommen zu den Ligaspielen ins Poststadion am Hauptbahnhof - an guten Tagen. In der ersten Pokalrunde schauten knapp 1500 zu. Das war einerseits eine eher triste Kulisse für dieses Fußballfest, anderseits war es für den BAK ein Vereinsrekord.

Gegen 1860 soll eine neue Bestmarke her. Dafür muss der Klub, der in der Stadt kaum verwurzelt ist, hart kämpfen. Am Dienstag haben alle Berliner Schulkinder im Alter bis zu zwölf Jahren freien Eintritt. Das Spiel wurde vom verwilderten Poststadion ins etwas fortschrittlichere Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion im Prenzlauer Berg verlegt. Dort gibt es wenigstens Flutlicht. Zumal Ali Han neben dem gesamten Berliner Schulwesen auch den türkischen Ministerpräsidenten eingeladen hat. Ob Recep Tayyip Erdogan den BAK kennt, darf (auch nach dem 4:0 gegen Hoffenheim) bezweifelt werden. Han ist immerhin sicher: "Berlin wird uns nicht alleine lassen."

Ein bisschen hat sich Berlin auch schon seiner heimlichen dritten Kraft im Hauptstadtfußball angenommen. "Eine Firma gibt uns umsonst Kaffee, eine andere sponsert Bier für den Vip-Raum", berichtet der Präsident, "das war früher nie so." Überhaupt registrieren sie beim BAK mit einem gewissen Stolz, dass die Aufmerksamkeitswelle vor dem zweiten großen Pokaltag jetzt wieder deutlich nach oben schwappt. Während Babbel mit seinen Hoffenheimern im August wohl weitgehend unvorbereitet nach Moabit reiste, hat der TSV 1860 München das Team von Jens Härtel ganze vier Mal beobachtet. Manager Erdogan Dogan sagt: "Da sieht man mal, dass die uns ein bisschen ernster nehmen."

Der Respekt beruht auf Gegenseitigkeit. Dogan fällt zwar kein triftiger Grund ein, weshalb sein Team nach 1899 nicht auch 1860 in die Knie zwingen sollte, denn "die Zahl 18 liegt uns nun mal". Er warnt trotzdem davor, den Zweitligisten aus München zu unterschätzen. "Die Chancen", meint er, "stehen etwa 51 zu 49 für uns."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: