Benjamin Lauth:In der Zukunft versunken

Der Stürmer sollte das Gesicht des jungen Hamburger SV sein - jetzt sitzt er auf der Tribüne und soll gar verkauft werden.

Jörg Marwedel

Wenn man sich mit Benjamin Lauth dieser Tage über seinen Arbeitgeber Hamburger SV unterhält, klingt da viel Anerkennung durch. Der HSV, erzählt der Stürmer dann, habe genau den Weg genommen, den er erwartet habe, als er im Sommer 2004 vom TSV 1860 München an die Elbe wechselte. Der Klub spiele jetzt in der Champions League, und das habe vor allem einen Grund: ,,Hier sind die richtigen Leute am Werk.''

Man könnte denken, da spricht jemand, der rundum zufrieden ist mit sich und dem Lauf der Dinge, doch dieser Eindruck trügt. Der 25-Jährige hat nämlich ein Problem: Er hat diese Entwicklung persönlich gar nicht mitgemacht. Im Gegenteil. Aus dem Mann, der einmal die Symbolfigur für das Projekt ,,neuer HSV'' sein sollte, ist Spöttern zufolge ein 4,3 Millionen Euro teures Abschreibungsobjekt geworden. Diese Summe hatten sich die Hanseaten den Bayern vor zwei Jahren kosten lassen, damit er ihnen ein frisches Gesicht verleihe und Hoffnung auf eine große Zukunft. Dass Lauth mit gebrochenem Bein anreiste und sie in den maladen Profi mehr investieren mussten als in den Abwehrriesen Daniel van Buyten, der bald zum Kapitän aufstieg, störte den HSV-Vorstand nicht.

Zu wenig Biss

Lauth, zu glücklichen Münchner Zeiten vom Boulevard liebevoll ,,Benny-Bomber'' getauft, galt ja als eines der größten deutschen Angriffstalente. Die HSV-Scouts priesen an ihm ,,Schnelligkeit, gute Ballführung, starkes Dribbling, Leichtfüßigkeit und Abgeklärtheit vor dem Tor''. Zudem war Lauth mit seinen blonden Locken ein ideales Werbemodell für die Kids der Nutella-Generation. Die Rockgruppe ,,Sportfreunde Stiller'' fand gar so viel Gefallen an dem stillen Jungstar, dass sie ihm einen eigenen Song widmete: ,,Lauth anhören''.

Am Samstag beim Nordderby gegen Werder Bremen aber wird der fünfmalige Nationalspieler wieder spüren, was ein Karriereknick ist. Er wird dann wohl zum dritten Mal hintereinander auf der Tribüne sitzen müssen, weil kein Platz für ihn ist im HSV-Kader, und es ist fraglich, ob das wirklich nur eine ,,Momentaufnahme'' ist, wie der Stürmer selbst und Sportchef Dietmar Beiersdorfer in scheinbarer Eintracht versichern. Benjamin Lauth ist in der aktuellen Stürmer-Hierarchie jetzt die Nummer fünf, noch hinter dem unbekannten Albaner Besart Berisha, 21. Und von den jüngsten Einkäufen der Angreifer Berisha, Paolo Guerrero, Boubacar Sanogo und Danijel Ljuboja muss ihm jeder wie ein Misstrauensvotum vorgekommen sein.

Wer nach den Gründen forscht für diesen atemberaubenden Abstieg, der stößt schnell auf den immer gleichen Punkt. Lauth, so erzählen sie fast überall im Umfeld des Klubs, fehle es an Temperament und Biss, um im härter gewordenen internen Konkurrenzkampf zu bestehen. Oft kann man das sogar sehen, wenn der Profi mit hochgezogenen Schultern vom Trainingsareal schlurft. Am brutalsten fällt deshalb das Urteil bei den Kiebitzen aus, die regelmäßig am Rande des Übungsplatzes stehen. Sie reden vom ,,Schwuchtel-Fußballer'' Lauth, von der ,,Schlaftablette'' oder, ganz nüchtern, vom ,,hoffnungslosen Fall''. Das wird nichts mehr, sagen sie und sind damit nicht weit entfernt von der Einschätzung einiger Aufsichtsratsmitglieder.

So würden das Sportchef Beiersdorfer und Trainer Thomas Doll natürlich nie öffentlich sagen. Doch auch Doll, der am liebsten nur ,,kernige Typen'' im Team versammelt hätte, ist längst verzweifelt an dem veranlagten, aber introvertierten Stürmer. Als Lauth nach der erstmaligen Verbannung auf die Tribüne klagte, dies sei eine zu harte Maßnahme gewesen, konterte der lange Zeit geduldige Coach kühl: ,,Dann soll er endlich eine Reaktion zeigen. Wenn ich in die Mannschaft will, muss ich kratzen und beißen.''

Verkauf trotz Vertrag bis 2008?

Vielleicht hat es nichts mit Lauth zu tun, dass sich der HSV kürzlich von dem Mentaltrainer Jürgen Lohr getrennt hat. Es heißt, die Spieler hätten kein Vertrauen mehr gehabt in den Psychologen. Vielleicht ist es aber auch so, dass der Sportchef Beiersdorfer sich etwas mehr von dem Seelenexperten erhofft hatte. Etwa, dass er dem manchmal verzagt wirkenden Lauth hilft, doch noch ein aggressiver Profi zu werden. Stattdessen kämpft Lauth weiter um mehr Verständnis: ,,Wenn einer keine Emotionsausbrüche zeigt, heißt das nicht, dass ihm das Spiel egal ist.'' Oder er beruhigt sich mit der Erinnerung an das Frühjahr, als er fast immer im Team stand und vier Tore erzielte. Auch sein körperlicher Zustand sei ,,deutlich besser'' als vor den Verletzungen, die ihn mindestens ein Jahr seiner Karriere kosteten.

Letzteres bestätigen auch die Fitnesswerte, aber was nützt das, wenn sie nicht auch den Kopf befreien? Inzwischen wird über den baldigen Verkauf des bis 2008 gebundenen Stürmers spekuliert, was Sportchef Beiersdorfer recht halbherzig dementiert. ,,Im Moment denken wir nicht an Transfers'', sagt er. Lauth selbst bekämpft die Zweifel mit dem Hinweis auf die jüngere Vergangenheit: ,,Wenn sie mich hier nicht mehr haben wollten, hätte ich bestimmt nicht die ganze Rückrunde gespielt.'' Er mag noch immer nicht glauben, dass ausgerechnet er, das Symbol des Neubeginns, am Ende als teures Missverständnis in die HSV-Historie eingehen könnte.

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