Belgien-Sieg gegen USA:Späte Treffer an der Jahrmarktbude

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15 Paraden - zwei zu wenig: Tim Howard und die USA scheiterten trotz großer Gegenwehr an Belgien. (Foto: AP)

Der Trend geht zur wilden Verlängerung: Erst spät gelingt es Belgien beim 2:1-Achtelfinalsieg gegen die USA, Amerikas herausragenden Torhüter Tim Howard zu überwinden. Die erstaunlich zahme Mannschaft von Jürgen Klinsmann wacht erstaunlich spät auf.

Von Boris Hermann, Salvador

Der Trend geht zur Verlängerung. Die Belgier gelten als Trendsetter (im Fußball), die US-Amerikaner auch (eher bei der Popkultur). Man musste sich also auf eine lange Nacht einstellen im Achtelfinale von Salvador. Der Trend geht allerdings auch dazu, dass es in diesen Verlängerungen dann recht wild zugeht.

Und es wurde lange. Und es wurde wild. 92 reguläre Minuten, drei Verlängerungsminuten, 30 belgische Torschüsse und ein paar amerikanische Versuche hatte die Zuschauer in der Arena Fonte Nova bereits hinter sich, als Wolfsburgs Kevin De Bruyne und Evertons Romelu Lukaku aus dem spannenden Trendspiel doch noch einen zählbaren Sieg für Belgien machten. Erstes Tor: Vorlage Lukaku, Abschluss De Bruyne (93.). Zweites Tor: Vorlage De Bruyne, Abschluss Lukaku (105.). Na bitte, geht doch!

Das nächste große Ding aus Belgien: Divock Origi, 19

Der Trend geht aber auch dazu, dass nichts entschieden ist, wenn alles entschieden zu sein scheint. Denn jetzt wurden auch die erstaunlich zahmen Amerikaner höchst gefährlich. Dem eingewechselten Deutsch-Amerikaner Julian Green, 19, vom FC Bayern gelang mit einem grandiosen Volleyschuss umgehend der Anschlusstreffer. Sekunden später klärten mehrere belgische Beine und Torwarthände mit letzter Kraft gegen Clint Dempsey. Wieder einmal entschieden bei dieser WM Zentimeter und Millisekunden. Ende stand es 2:1, Belgien trifft im Viertelfinale auf Argentinien.

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Belgien gegen die USA - das war zunächst einmal auch ein alter WM-Klassiker. Schon bei der Premiere 1930 in Uruguay trafen diese beiden Mannschaften aufeinander, die Amerikaner gewannen damals 3:0. Danach begegneten sie sich aber 84 Jahren lang bei keinem weiteren Turnier, worunter der Klassikerstatus ein wenig gelitten hat. Das wurde allerdings wieder dadurch aufgehoben, dass sie im Jahre 2014 beide als sogenannte Geheimfavoriten in ihr Achtelfinale gingen. Wobei die Belgier vom Rest der Welt dazu ernannt wurden, während sich die Amerikaner selbst dazu ernennen mussten.

Was Belgien für viele Beobachter so geheim und so favoritig machte, sind Leute wie Divock Origi. Der 19-jährige Angreifer vom OSC Lille war erst im letzten Moment in den Kader gerutscht. Inzwischen gilt Origi als das nächste große Ding am belgischen Fußballhimmel. In der minimalistischen belgischen Gruppenphase war er dreimal eingewechselt worden und überzeugte, unter anderem mit dem Siegtreffer gegen Russland.

Im ersten K.-o.-Spiel begann er nun als einzige Sturmspitze. Der Premier-League erfahrene Romelu Lukaku, 21, musste dagegen bis zur Verlängerung auf seinen Einsatz warten - und die belgischen Fans auf seine Heldentaten. Der junge Origi war trotzdem seine Einsatzzeit wert. Nach handgestoppten 27 Sekunden umkurvte er Matt Besler, scheiterte aber an US-Keeper Tim Howard.

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Kevin De Bruyne, der letzte größere Ding aus Belgiens güldenen Nachwuchsschmieden, vergab Mitte der ersten Halbzeit die nächste Großchance. Obwohl sich die Amerikaner weit zurückzogen, fanden die Belgier immer wieder kleinere Lücken. Bloß das Tor fanden sie partout nicht. Linksverteidiger Jan Vertonghen vergab die nächsten beiden Großchancen. Dann war wieder Origi dran. Erst semmelte er über den Ball, dann köpfelte er gegen die Latte, dann scheiterte er mehrfach am glänzenden US-Keeper. Jahrmarktbuden-Schießen mit Howard, so sah dieses muntere Spielchen über weite Strecken aus.

Nichts gegen Divock Origi, der durchaus mit sehenswerten Sprints und malerischen Steilpässen auf sich aufmerksam machte - aber die beiden ehemaligen Bundesligastürmer Marc Wilmots und Jürgen Klinsmann hätten diese Partie vielleicht ein bisschen früher entschieden. Die beiden konnten aber nicht in den Strafräumen helfen, weil sie in je einer Coaching-Zone gebraucht wurden.

US-Trainer Klinsmann hatte dort mehr Arbeit als sein belgischer Kollege. Klinsmann musste schon ab der 29. Sekunde aufmunternd klatschen und außerdem nach einer halben Stunde den verletzten Rechtsverteidiger Fabian Johnson auswechseln. Der Hoffenheimer hatte seine Sache aber ordentlich gemacht. Für ihn kam DeAndre Yedlin, der in Seattle spielt. Er machte es im Gegensatz zu zahlreichen Kollegen auch ordentlich. Insgesamt gaben diese US-Boys aber bis zur 105. Minute nicht das Bild eines aufstrebenden Teams ab, das unbedingt ins Viertelfinale wollte. Und daran, nicht an den Zentimetern und Millisekunden, sind sie am Ende wohl auch gescheitert.

© SZ vom 02.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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