Beckers Beijing (8):Foto-Marathon

Es gibt so viele Knips-Touristen, dass man zwangsläufig jemandem vor die Linse läuft. Dabei stellt sich ein gewisses Prominenten-Gefühl ein. "Beckers Beijing" (8).

Ich bin drauf. Ungefähr 170.000 Mal. Mindestens. Oft wahrscheinlich etwas verhuscht, geradezu beiläufig. Aber drauf. Auf ungefähr 170.000 Fotos. Bald werde ich in sehr vielen chinesischen Wohnzimmern hängen, eingerahmt, an einem Ehrenplatz, also wahrscheinlich über dem Fernseher, und die Gäste werden fragen: "Wer ist eigentlich der Große da hinten?"

Beckers Beijing (8): Nirgends in der Welt gibt es so viele Fotografen wie in Peking.

Nirgends in der Welt gibt es so viele Fotografen wie in Peking.

(Foto: Foto: ddp)

Ich war noch nicht so oft im National Stadium. Leider, denn Leichtathletik bei Olympia ist toll. Manchmal zwar ein wenig absurd, aber im Großen und Ganzen toll. Klasse Bilder, schöne Stimmung. Und das Vogelnest ist eine der wenigen Wettkampfstätten, zu denen man zu Fuß hingeht und nicht vom Shuttle-Bus bis unmittelbar vor den Sitzplatz gefahren wird. Vom Pressezentrum aus braucht man etwa eine Viertelstunde - wenn man schnell geht. Wenn man rücksichtslos geht. Würde man Rücksicht nehmen, wäre es ein Tagesmarsch. Rücksicht nehmen auf fotografierende Chinesen.

Auf diesen paar Hundert Metern zwischen Water Cube und Vogelnest sind in den vergangenen Tagen mehrere Millionen Fotos gemacht worden. Es sieht ja auch klasse aus, vor allem am Abend, wenn das Vogelnest rot leuchtet und der Water Cube ständig die Farbe wechselt. Prima Fotomotive, keine Frage. Und so stellen sich Kreti und Pleti in Position, und es wird fröhlich losgeknipst.

Und die lieben Kleinen sind auch noch da

Höflich wie ich nun mal bin versuche ich den Fotoweg nicht zu kreuzen. Laufe beim ersten Ausweichmanöver schon dem nächsten Foto-Paar in die Quere, ducke mich, um wenigstens nicht komplett die Sicht zu verstellen - und stehe beim Auftauchen schon wieder im Weg. Will sagen: Es geht nicht. Ich müsste auf Knien gehen, und selbst da würde ich noch die süßesten Aufnahmen stören: die von den lieben Kleinen.

Irgendwann, also nach ungefähr vier Minuten, gebe ich auf. Laufe durch diesen fotografierenden Ameisenhaufen, als würde gar niemand fotografieren. Und bin drauf. Ungefähr 170.000 Mal. Ich lächle mal nach hier, mal nach da - man will ja nicht so verbissen wirken, wenn man im Wohnzimmer hängt. Man könnte sagen: Ich habe mich so langsam an den Rummel um mich gewöhnt. Andere Stars werden schließlich auch jeden Tag zig Mal fotografiert.

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