Becker bei den Australian Open:Fast wie ein neuer Spieler

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Benjamin Becker: Erst schwach, dann gelöst (Foto: Getty Images)

Er muss sich erst eine Pause nehmen und gegen eine Tür treten - dann kämpft sich Benjamin Becker in die dritte Runde der Australien Open. Auch die nächste Aufgabe wird knifflig.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Benjamin Becker hat wieder eine schöne Geschichte geschrieben, er kennt sich ja darin aus, und deshalb hat er die zwingend notwendigen Fragen mit der zwingend notwendigen Gelassenheit über sich ergehen lassen. 2006, auf dem Center-Court der US Open, verabschiedete der deutsche Tennisprofi keinen Geringeren als Andre Agassi in die Rente, der Amerikaner hatte zuvor angekündigt, dass jenes Grand-Slam-Turnier sein letztes nach 20 Jahren als Profi sein würde.

Der 22. Januar 2015 in Melbourne könnte sich eines Tages auch als historischer erweisen, dann nämlich, wenn Lleyton Hewitt nach den nun 19 Teilnahmen nicht mehr wiederkehren wird. Dann wäre Beckers Match Hewitts letztes bei den Australian Open gewesen. "20 ist doch eine schöne Zahl", sprach Becker indes. Er möchte, dass Hewitt 2016 in Melbourne spielt. Er will nicht der mit dem Ruf sein, andere in Rente zu schicken.

Becker, der nichts mit dem bekanntesten Becker der Republik zu tun hat außer die Initialen und den Nachnamen, spielte nicht das Match seines Lebens, dafür hätte es eines formstärkeren Gegners bedurft. Der 2:6, 1:6, 6:3, 6:4, 6:2-Erfolg symbolisiert aber, dass es eine erstaunliche Partie war, von der er seinen zwei Sprösslingen, mit denen er samt amerikanerischer Gattin in Dallas lebt, später mal erzählen kann. Sechsmal in seiner Karriere hatte Becker bisher ein Spiel über fünf Sätze bestreiten müssen, sechsmal hatte er verloren. "Einmal wollte ich wenigstens über die volle Distanz als Sieger hervorgehen, um das später meinen Kindern zu erzählen", gestand er. Wenn die Kinder dann also die Kamellen vom Papa anhören müssen, werden sie staunen, was da alles los war.

Nächste Partie ein Ratespiel

Dieses Match ähnelte im großen Ganzen betrachtet sehr der Karriere des 33-Jährigen aus Merzig im Saarland. Erst war er weg, dann kam er zurück, und weiter geht's. Wer sich in den Sportteilen der Zeitungen für die Zahlen interessiert, mag sich wundern, seit wie vielen Jahren dieser Becker dort auftaucht. Seine Laufbahn startete er 2004 als amerikanischer Collegemeister, Profi wurde er 2005, und seitdem pendelte er in der Weltrangliste hin und her. Er stürzte nie ab, die Top 20 knackte er auch nicht. 41. ist er gerade und nur sechs Ränge von seiner besten Platzierung entfernt, das alles ist absolut vorzeigbar.

Im kleinen Ganzen betrachtet beeindruckte Becker mit einer gekonnten Erste-Hilfe-Aktion. Nach den verlorenen Sätzen gönnte er sich eine Toilettenpause, schrie dabei die Wut heraus, trat gegen eine Tür, wechselte den Schläger und, ja, auf einmal fühlte er sich "fast wie ein neuer Spieler", was Hewitt erstaunt registrieren musste. Becker war dominanter, der Australier fing zu hadern an, und das Schicksal nahm seinen Lauf. Nach 3:02 Stunden verwandelte Becker, der stets mit umgedrehter Kappe spielt, seinen zweiten Matchball.

"Ich hoffe, dass ich noch länger im Turnier bleibe", sprach er. Das könnte schwer werden. Der nächste Gegner ist wieder ein besonderer, mit einer ganz anderen Note nur als Hewitt. Der Kanadier Milos Raonic ist 24 und will noch lange spielen, mit seinem krachenden Aufschlag verdirbt er den anderen meist die Lust. "Das wird ein kleines Ratespiel", kündigte Becker an, der als einziger Deutscher im Turnier verblieb. Matthias Bachinger, 27, aus München verlor gegen den finnischen Linkshänder Jarkko Nieminen 6:7 (4), 5:7, 5:7.

© SZ vom 23.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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