Beachvolleyball-WM:Wie sich die Quotenqueens zurückbeißen

Kira Walkenhorst, Laura Ludwig Beachvolleyball Olympia

Höhepunkt des Duos Ludwig/Walkenhorst: Olympiagold in Rio 2016.

(Foto: David Goldman/AP)
  • Erst Olympiagold, dann verletzt: Geplagt treten Laura Ludwig und Kira Walkenhorst bei der Beachvolleyball-WM an.
  • Die ersten zwei Partien gewinnen sie. Eine locker, eine mit Mühe. Nun steht am Montag ein brisantes Duell an.

Von Sebastian Winter

Beachvolleyball-Aufschläge von unten machen für gewöhnlich Schüler im Sportunterricht. Oder die E-Jugend beim, sagen wir, USC Münster. Von da ist der Weg zum Olympiasieg noch sehr, sehr weit. Insofern ist Laura Ludwig in Münster auch ein wenig zu ihren Anfängen zurückgekehrt am ersten Mai-Wochenende. Zum Auftakt der deutschen Beachvolleyball-Serie schob die 31-Jährige im Frauenfinale alle Aufschläge von unten über das Netz. Ludwig vermied außerdem jeden harten Angriff. So etwas sieht man normalerweise nie auf diesem Niveau. Aber was war zuletzt schon normal im Leben der Olympiasiegerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst?

Gegnerinnen nun besonders motiviert

260 Tage nach ihrem Triumph von Rio spielten die beiden erstmals wieder zusammen. Oder besser: kämpften sich durch. Ludwig hatte sich im Dezember in der Berliner Charité an der rechten Schulter operieren lassen müssen, die Supraspinatussehne war massiv lädiert - eine kleine Katastrophe. Es war die erste üble Verletzung in Ludwigs langer Karriere, sieht man einmal von jenem mysteriösen leichten Schlaganfall ab, den sie mit 18 beim Training erlitt - und der sie veranlasste, noch mehr auf ihren Körper zu achten.

Fünf Monate nach der OP sah sie sich den derzeitigen Weltranglisten-Zweiten Chantal Laboureur und Julia Sude gegenüber, die in der Form ihres Lebens sind. Ludwig, die schmale, kecke, quirlige Abwehrspielerin, und Walkenhorst, die wuchtigere, ruhigere Blockerin, gewannen unendlich knapp, 27:29, 21:19, 25:23.

Ludwig und Walkenhorst im Finale von Münster, das ist vielleicht das beste Bild, um den Status quo der damals so dominanten Goldfrauen zu zeichnen: angreifbar, keineswegs in Topform. Aber so willensstark, dass sie selbst mit Kinderaufschlägen gegen die Weltelite gewinnen.

Bei der Weltmeisterschaft im beachvolleyball-verrückten Österreich, mit Center Court für 10 000 Zuschauer mitten auf der Wiener Donauinsel, sind sie klarer Außenseiter. "Wir hatten dieses Jahr kein einziges Turnier, wo beide zugleich gesund waren", sagt ihr Trainer Jürgen Wagner. Mittlerweile sind sie auf Weltranglisten-Platz 21 abgerutscht und nur noch drittbestes deutsches Team. Wien bereitet nun die Bühne für ihr Comeback - es ist der einzige große Titel, der ihnen noch fehlt.

Loyalität, Erfolgshunger und extremer Ehrgeiz

Aber in dieser Kategorie denkt das Duo gerade nicht. Immerhin haben sie das erste Gruppenspiel am Freitag gegen Mahassine Siad und Imane Zeroual aus Marokko locker 2:0 (21:10, 21:12) gewonnen. Am Samstag folgte ein mühevolles 2:1 (17:21, 21:15, 15:12) gegen das Berliner Team Nadine Glenzke und Julia Großner. Am Montag wartet ein weiteres deutsches Top-Duo auf sie. Das ist auch deshalb pikant, weil noch im Frühjahr ein heftiger Streit entbrannt ist. Der DVV wollte alle Spitzenteams in Hamburg zentralisieren, Cheftrainer dort ist ironischerweise Ludwigs Lebensgefährte Imornefe Bowes. Ludwig und Walkenhorst, ohnehin in Hamburg ansässig, wehrten sich, sie dürfen weiterhin als Ich-AG mit dem eigenen, so erfolgreichen Funktionsteam und eigener Vermarktung durch die Welt reisen.

Gegen Karla Borger, Olympia-Neunte, und ihre neue Partnerin Margareta Kozuch, die frühere Hallen-Nationalteam-Kapitänin, könnte es am Montag eng werden. Zumal sich auch Walkenhorst, zuvor stark wie nie, im Juni verletzte, eine Schulterentzündung. Vor zwei Jahren hatte sie Pfeiffersches Drüsenfieber, das Knie ist so lädiert, dass sie sich vor den Spielen von Rio den Meniskus entfernen ließ. Erst dieser Eingriff ermöglichte ihr die Turnierteilnahme. "Ein Knie fürs Alter oder ein Knie für Olympia", sagte Walkenhorst in der Klinik, unter Tränen.

Bis zu 8,52 Millionen Zuschauer sahen zu

Vor einem knappen Jahr strahlten sie dann, die olympischen Quotenqueens der ARD. Bis zu 8,52 Millionen Zuschauer sahen sich ihre Spiele an - die deutschen Fußballer lagen mit ihrem verlorenen Endspiel gegen Brasilien nur auf Platz zwei. Mit viel Charme tingelten sie danach durch Talkshows, gewannen den Bambi, wurden Sport-Mannschaft des Jahres. Ein Dokumentarfilm kam gar in die Kinos, Walkenhorst berichtete offen über ihre Liebesbeziehung zu einer Beachvolleyball-Trainerin. Mittlerweile vermarkten sie ihren eigenen Ball, ein eigenes Müsli und die eigene Kleiderkollektion, samt Babylätzchen. Nach der WM präsentiert sie ein Sportschuh-Riese als neue Werbefiguren. Ihr Umsatz ist nun größer als jener von Julius Brink und Jonas Reckermann nach deren Olympiasieg 2012 in London. Zugleich sagen selbst Freunde, dass der Ruhm sie nicht hat abheben lassen.

Ihr Trainer Wagner, eine Koryphäe seines Fachs, der schon Brink und Reckermann zu Olympiagold in London geführt hatte, betont aber: "Nach so einem Zyklus, wo man an Grenzen gegangen ist, muss man sich auch als Team neu finden."

Es geht nun um Tokio 2020 - und um Nuancen, Konstanz, Stabilität, vor allem in Angriff und Aufschlag. Zu 90 Prozent seien die Fähigkeiten des Duos ausgereizt, sagt Wagner. Beste Freundinnen waren sie nie, auf Reisen mieten sie getrennte Apartments, sie trainieren oft individuell. Diese Freiheiten sind wichtig, wenn man die Hälfte seines Lebens zusammen auf 128 Quadratmetern Sand verbringt. Interessant ist, dass die anfangs etwas verhuschte Walkenhorst nun auf Augenhöhe mit Ludwig, die in der Szene Legendenstatus hat, spielt und spricht. Zugleich verbindet sie ihre vollkommene Loyalität, ihr Erfolgshunger und extremer Ehrgeiz, auch in Wien. "Viele haben uns wahrscheinlich nicht mehr so auf dem Zettel", sagte Ludwig vor der WM. Sie mag das.

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