Beachsoccer-WM in Rio:Die Fußballartisten von der Copacabana

Bei der Beachsoccer-WM in Rio de Janeiro sind die Brasilianer hoher Favorit. Normalerweise lassen sie hier die Bleichgesichter gar nicht mitspielen.

Thomas Hummel

Wer so aussieht wie Dimitri Schischin, der darf an der Copacabana eigentlich nicht Fußball spielen. Dimitri Schischin ziert eine rötliche Haut, im Gesicht wuchert ein flaumiger Sechs-Tage-Bart. Wäre Dimitri Schischin als Tourist in Rio de Janeiro und würde die Einheimischen, die dort barfuß im Sand kicken, um Aufnahme in eines ihrer Teams bitten, er würde nur mitleidige Blicke ernten. Bleichgesichter haben dort einen schlechten Ruf, denn wer braucht schon stocksteife Nordlichter in einer Mannschaft voll geschmeidiger Ballartisten.

Doch Dimitri Schischin wäre es fast geglückt, die brasilianische Beachsoccer-Welt zu verstören. Im Vorrundenspiel der derzeit laufenden Weltmeisterschaft an der Copacabana standen die Russen denkbar knapp davor, den Gastgebern zum ersten Mal seit 55 Länderspielen eine Niederlage beizubringen. Schischin traf in der regulären Spielzeit einmal per Freistoß und einmal per Fallrückzieher, das Spiel endete 2:2. Im Elfmeterschießen versagten den Russen allerdings die Nerven, Brasilien gewann doch noch - und Russland schied aus.

"Die Brasilianer sind wieder der große Favorit", sagt Eddie Löwen, Trainer der deutschen Beachsoccer-Nationalmannschaft. Die Brasilianer könnten auf ihren Stränden das ganze Jahr trainieren, seine deutsche Mannschaft etwa kommt dagegen nur in den Sommermonaten in den Sand.

Die energische Gegenwehr der Russen dürfte das Selbstbewusstsein der Brasilianer jedenfalls kaum erschüttert haben. Die Südamerikaner und vor allem die Cariocas, die Bewohner von Rio de Janeiro, sind felsenfest davon überzeugt, dass sie die besten Strandfußballer der Welt sind. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, schließlich liegt die Wiege dieser Sportart so definitiv an ihren Stränden wie der Ursprung des Alphornblasens in den Schweizer Bergen. Und die Mannschaft war schon vor der Partie gegen Russland für das Viertelfinale qualifiziert.

Alles andere wäre auch einer Sensation gleichgekommen. Brasilien hat neun der bisher elf Weltmeisterschaften gewonnen (alle fanden in Brasilien statt), von 295 Länderspielen nur elf verloren. In dem südamerikanischen Land gibt es seit Jahren eine professionelle Beachsoccer-Liga, für die WM wurde an der Copacabana eigens eine 10.000 Zuschauer fassende Arena hingestellt. Und während früher noch prominente Rasenprofis in der Mannschaft standen, spielen heute nur noch Strandspezialisten. Zuletzt hatte sich bei der WM 2005 Romario in der Sand-Seleção versucht, doch bald jammerte er über die körperlichen Strapazen.

Zwar dauert eine Partie nur dreimal zwölf Minuten und die Spieler können fliegend wechseln. "Dennoch hat man das Gefühl, drei oder vier Stunden zu spielen, der Sand macht sehr müde", sagte Romario. Mit ihm erlitt Brasilien eine traumatische Niederlage im Halbfinale gegen Portugal. Es war die bislang letzte der Brasilianer.

"Es hat sich generell gelegt, dass Ex-Profis in den Sand wechseln", sagt Nationaltrainer Löwen. Vor einigen Jahren standen für Deutschland noch Maurizio Gaudino, Uwe Bein oder Michael Rummenigge im Sand. "Die meisten heutigen Sandspieler haben auf dem Rasen den Durchbruch nicht ganz geschafft und sind dann gewechselt", sagt Löwen. Auch in Rio findet sich nur ein bekanntes Gesicht: Trainer der Franzosen ist Eric Cantona, früherer Weltklassespieler bei Manchester United.

Durch das neue Spezialistentum hat sich das internationale Niveau in den vergangenen Jahren erheblich gesteigert. Auch in Italien wurde kürzlich eine Profi-Liga gegründet, bei der WM überraschen gerade die afrikanischen Teams aus Nigeria und dem Senegal. Und so glauben viele, dass nicht nur die Russen den Brasilianern harte Gegenwehr leisten werden.

Deutscher Verband wächst

Auch der Deutsche Beach Soccer Verband meldet ein stetiges Wachstum der aktiven Mitglieder (derzeit etwa 7000), "und wir sind noch lange nicht am Zenit", sagt der Vorsitzende Rene Marquis. In der WM-Qualifikation scheiterte die Nationalmannschaft nur knapp an Italien, und so rechnet Marquis damit, dass sich in naher Zukunft auch der DFB, der das Spiel bislang eher ignoriert, für den Strandfußball interessiert.

Der Reiz des Beachsoccer liege vor allem darin, findet Marquis, dass "der Sand zu spektakulären Aktionen verleite". Die Regeln erlauben sogar ausdrücklich den Fallrückzieher am Mann, bei dem der Durchführende besonders zu schützen ist. In jeder Partie sehen die Zuschauer Seitfallzieher und Flugkopfbälle, zudem ist das Spiel vier gegen vier auf kleinem Feld sehr kurzweilig mit Chancen mitunter im Sekundentakt. "Auch das Flair von Urlaub, Bar und Players-Partys. Das ist schon was Besonderes", sagt Marquis. Und vielleicht dürfen Bleichgesichter wie Dimitri Schischin auch an der Copacabana bald öfter mitspielen.

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