BBL-Pokal:Ulm zerstört Bayerns Titel-Hoffnungen

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Malcolm Delaney (li.) konnte die Bayern-Niederlage nicht verhindern. (Foto: Daniel Kopatsch/Getty Images)

Wieder nichts mit dem ersten großen Erfolg des Münchner Basketball-Projekts seit 1968: Der FC Bayern unterliegt im Pokal-Halbfinale Ratiopharm Ulm mit 72:90 und muss erkennen, dass die vielen Spiele an den Kräften zehren. Im zweiten Semifinale lässt Alba Berlin Bamberg keine Chance.

Von Ralf Tögel, Neu-Ulm

Es ist Realität geworden, das Ulmer Basketball-Märchen. Der vermeintlich aussichtslose Underdog, der sich als Gastgeber für das Top-Four-Turnier um den deutschen Basketball-Pokal qualifiziert hatte, hat den turmhohen Favoriten Bayern München im zweiten Halbfinale in der Ulmer Arena nach einer mitreißenden Leistung mit 90:72 Punkten aus dem Wettbewerb gekegelt.

Die Münchner haben nicht ansatzweise an die zuletzt starke Leistung beim Euroleague-Spiel bei ZSKA Moskau anknüpfen können und ganz offenbar ein weiteres Mal unter den Belastungen aus drei Wettbewerben gelitten. Das immerhin hat sich erledigt, die Bayern können sich fortan auf Meisterschaft und Euroleague konzentrieren, freilich ist das Viertelfinale in der kontinentalen Königsklasse ungleich schwerer zu erreichen als das Endspiel im Pokal.

Doch auch das hat die Mannschaft des FC Bayern nicht verdient, wie Trainer Svetislav Pesic eingestand: "Ulm hat exzellent gespielt, sie waren einfach immer einen Schritt schneller." Dem stimmte Ulms Coach Thorsten Leibenath zu: "Das war unser bisher bestes Spiel in dieser Saison." Das Finale nun tragen Gastgeber Ulm und Titelverteidiger Berlin aus, wobei die große Frage sein wird, wie sich der enorme Kraftaufwand im Spiel gegen die Bayern am Sonntag auswirken wird.

Dass es um viel ging, war sofort zu spüren. Zum einen am infernalischen Lärm, den die 6000 vorwiegend in Ulmer Orange gewandeten Zuschauer in der natürlich ausverkauften Ulmer Arena entfachten, zum anderen daran, dass fast zwei Minuten lang kein Ball durch die Reuse fiel. Bei Spitzenmannschaften wie dem FC Bayern München und Ratiopharm Ulm ein deutliches Indiz für Nervosität. Dann allerdings nahm die Partie schnell Fahrt auf. Bis zum 6:6 blieb das Spiel ausgeglichen, dann übernahmen die entfesselt aufspielenden Ulmer das Kommando.

Aus einer aggressiven Defense, die den hochgelobten Euroleague-erprobten Spielern des FC Bayern München kaum Luft zum Atmen ließ, wurde der Ball schnell nach vorne getragen und mit einer exzellenten Wurfquote vollendet. Schon nach knapp vier Minuten stand Bayerns Coach Svetislav Pesic wild fuchtelnd auf dem Spielfeld, das Zeichen an die seinen, mit dem der alte Trainerfuchs gerne sein Personal aufzuwecken pflegt, blieb aber ohne Wirkung.

Lediglich John Bryant, der bekanntlich aus Ulm nach München gewechselt ist und dem die heimischen Fans einen freundlichen Empfang bereiteten, und Deon Thompson, also zwei der großen Münchner Spieler, wussten zu überzeugen. Dagegen blieben die zuletzt so starken Nihad Djedovic, Bryce Taylor oder Malcolm Delaney, der dem Vernehmen nach von mehreren europäischen Spitzenvereinen interessiert beobachtet wird, in den ersten zehn Minuten alles schuldig und erzielten trotz genügend Möglichkeiten keinen einzigen Punkt.

Schon nach acht Minuten hatte die Ulmer Führung den zweistelligen Bereich erreicht, mit 14:22 Punkten lagen die Bayern nach dem ersten Viertel zurück und der Vorsprung wuchs rasant weiter. Cameron Long, mit 19 Punkten Ulms Topscorer, Daniel Theis (13) und Will Clyburn (18) punkteten zuverlässig und hielten den Vorsprung zweistellig. Begünstigt allerdings auch dadurch, dass auf Münchner Seite kein einziger Akteur an seine Normalform herankam, geschweige denn eine Leistung zeigte, die die Kollegen hätte mitreißen können.

Wie paralysiert standen die Münchner in den letzten Minuten der ersten Halbzeit phasenweise unter dem Korb und ließen die entfesselt aufspielenden Ulmer gewähren. Die Zahlen zur Pause waren aus Münchner Sicht verstörend: null von zehn versuchten Dreiern im Ziel, 29 Prozent Quote aus der Nahdistanz, ein 24:39-Rückstand. Die Schwaben spielten in allen Kategorien deutlich effektiver, vor allem die fünf versenkten Dreier (bei zwölf Versuchen) wirkten auf das Münchner Ensemble wie Nackenschläge. Nicht auf den Coach, der sein Personal in der Pause vorerst aufzuwecken wusste.

Die Gäste erhöhten vor allem in der Defense deutlich die Intensität und holten sich so Sicherheit für ihr Offensivspiel. Die Bayern steigerten sich im dritten Viertel deutlich, zumal auch Heiko Schaffartzik (5) und Taylor (7) ihre bis dahin schwachen Quoten etwas zu schönen wussten. Nach einem Dreier von Taylor (49:55, 29. Minute) waren die Münchner plötzlich wieder auf sechs Punkte dran. Doch Ulm hatte stets eine Antwort, die kurz nach Beginn des letzten Viertels durch zwei traumhafte Dreier von Clyburn zum 66:53 (31.) besonders deutlich ausfiel.

Mangelnden Kampfgeist konnte man den bayerischen Favoriten freilich nicht vorwerfen, Delaneys (7) Freiwürfe brachten sein Team nochmals heran (59:66), aber die Ulmer waren an diesem Abend schlichtweg das bessere Team. Drei Minuten waren noch zu spielen, da schwenkten die verbliebenen Berliner und Bamberger Fans endgültig ins Ulmer Lager um und stimmten den ehrabschneidenden Lederhosen-Lied an.

Die Münchner, in deren Reihen nur Deon Thompson (14) und der tapfer kämpfende John Bryant (17) zweistellig zu punkten wussten, standen nach der Niederlage tatsächlich recht entblößt in der Ulmer Arena, der erste mögliche Titel der bislang eigentlich so erfreulichen Saison ist jedenfalls futsch. Die Belastungen der Woche waren nicht zu kompensieren, das wusste auch Ulms Nationalspieler und Spielgestalter Per Günther, der in der besseren Physis seines Teams den entscheidenden Faktor ausmachte. Der Rest war ein Freundentaumel in orange.

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