Bayers neue Trainer:Schlaflose Nächte in Leverkusen

Nach seiner eiligen Berufung ist Leverkusens neues Trainergespann Sami Hyypiä und Sascha Lewandowski um Orientierung bemüht - dabei gibt es wichtige Fragen: Wie geht man auf die Spieler ein? Wie verbessert man in einem erfolglosen Team die Stimmung? Und vor allem: Wer hat das letzte Wort?

Ulrich Hartmann

Sami Hyypiä sagt, er habe nicht gut geschlafen in den vergangenen drei Nächten. Seit Samstag, seit Bayer Leverkusens 0:2-Niederlage gegen Freiburg im letzten Spiel unter dem Trainer Robin Dutt, weiß der Finne Hyypiä um seine neue Verantwortung für die Bayer-Fußballer.

Bayer-Training mit Hyypiä

Teamchef Sami Hyypiä beim ersten Training mit Bayer Leverkusen.

(Foto: dpa)

Seither quälen ihn all jene Fragen, mit denen ihn am Dienstag nach dem ersten Training auch die Berichterstatter konfrontiert haben: Wie geht man auf die Spieler ein? Wie verbessert man in einem erfolglosen Team die Stimmung? Welche Rolle erhält der wiedergenesene Michael Ballack? Wer steht nächsten Sonntag in der Startelf?

Und überhaupt: Wer hat das letzte Wort jetzt, da Hyypiä als Teamchef und der vormalige A-Jugend-Trainer Sascha Lewandowski als Fußballlehrer ein Trainerduo bilden? Hyypiä seufzt. "Wenn wir uns nicht einigen können, dann muss eben Rudi Völler entscheiden", sagt er und schaut schnell ganz ernst, um allen klar zu machen: Das war ein Witz.

Vielleicht wird Hyypiä noch bis zum Wochenende nicht besonders gut schlafen, bis zur Partie beim Hamburger SV am Sonntag. Zwei Jahre war er Spieler für Leverkusen, bis zum Sommer 2011. Dann beendete er seine aktive Karriere und ging heim nach Finnland, um dort seinen Trainerschein zu machen.

Noch bevor er das zu Ende bringen konnte, erreichte ihn ein Anruf aus Leverkusen: Er solle zurückkommen und jene Mannschaft übernehmen, die der Trainer Dutt nicht erfolgreich genug anleiten konnte und die Hyypiä noch gut kennt aus seinen zwei Jahren als Spieler. Der 38-Jährige sagte zu. "Seitdem", gesteht er, "bin ich ein bisschen nervös.

Am Dienstagmorgen um 10.40 Uhr betritt die Leverkusener Mannschaft den Trainingsplatz. Hyypiä sagt zu den Zaungästen freundlich "Guten Morgen!", Ballack kurz hinter ihm ebenfalls. Die anderen Spieler schauen ziemlich gleichgültig. Niemand darf glauben, nach der Trennung von einem Übungsleiter herrsche beim Training plötzlich eine Stimmung wie beim Kindergeburtstag. Fußballprofis verrichten ihre täglichen Übungen in etwa mit der Euphorie eines Lohnbuchhalters am Schreibtisch. Auch am Dienstag unter der Anleitung Hyypiäs traben die Leverkusener meist mit mauen Mienen über den Platz.

Unruhe beim Training

Beim Leverkusener Training herrscht immer eine gewisse Unruhe, weil etwa 200 Meter entfernt eine Autobahnbrücke steht, auf der nach links und nach rechts die Autos und LKW vorbeirasen. Mit den Trainern bei Bayer ist es ähnlich: Sie kommen und gehen, sie rasen vorbei. Das erste Training eines neuen Trainers mag bei Werder Bremen eine seltene und aufregende Angelegenheit sein, in Leverkusen gibt es das fast jedes Jahr.

2000 Berti Vogts, 2001 Klaus Toppmöller, 2003 Klaus Augenthaler, 2005 Michael Skibbe, 2008 Bruno Labbadia, 2009 Jupp Heynckes, 2011 Dutt, am Dienstag Hyypiä und im kommenden Juli vielleicht schon Ralf Rangnick. Als Hyypiä gerade zehn Minuten das Training leitet, bricht der graue Himmel auf und die Sonne kommt heraus. Ein Zeichen?

Beifall hat es am Dienstag nur für zwei Männer gegeben, weil Ballack (in Reha) und Hyypiä (in Finnland) in den jüngsten Wochen nicht dabei waren, als Leverkusens Fußballer sich einem nicht zu erwartenden sportlichen Tiefpunkt genähert hatten. Fünf Niederlagen hintereinander bedeuteten das Ende für den Trainer Dutt. Es tue ihm weh, den Trainer freistellen zu müssen, hat Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser am Sonntag gesagt, aber die Ergebnisse hätten keine andere Wahl gelassen. Dabei hatten sie mit Dutt eine langfristige Lösung angestrebt.

Als gäbe es irgendwo auf dieser Welt eine langfristige Trainerlösung, die nicht auch erfolglose Zeiten aushalten müsste. Aber im Aushalten waren sie in Leverkusen noch nie besonders gut. Oder im Aussuchen. Mit jedem Trainerwechsel verlieren Holzhäuser und der Sportdirektor Völler etwas Autorität. Vielleicht hat Völler deshalb bei Hyypiäs Vorstellung - eigentlich unnötigerweise - betont, Hyypiä und Lewandowski genössen uneingeschränktes Vertrauen.

Völler sprach am Dienstag vor dem Training zur Mannschaft. Man kann sich denken, was er sagte: zusammenreißen, als Team agieren, Europa League sichern, solche Sachen. Hyypiä und Lewandowski müssen die hohen sportlichen und moralischen Vorstellungen der Klubführung jetzt in die Tat umsetzen. Am Sonntag und am Montag haben die beiden den ganzen Tag erst einmal eine Bestandsanalyse gemacht und sich über ihre Vorstellungen ausgetauscht.

Hyypiä und Lewandowski kennen sich nicht gut. Der finnische Spieler und der A-Jugend-Trainer hatten von 2009 bis 2011 nicht viel miteinander zu tun. Jetzt umso mehr. "Wir machen alles gemeinsam", sagt Hyypiä, aber auf Detailfragen gibt er kaum Antworten, weil er sie selbst noch nicht kennt. Bis die Fußballer am Sonntag gefordert sind, sind Hyypiä und Lewandowski gefordert. Klingt nach schlaflosen Nächten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: