FC Bayern:Thomas Müller grüßt die Ketzer

FC Schalke 04 v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Thomas Müller (li.) und Mats Hummels: Gut drauf gegen Schalke

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • "Ich denke, es haben einige von uns ein gutes Spiel gemacht heute", sagt Thomas Müller nach dem 3:0 gegen den FC Schalke und meint damit auch sich selber.
  • Viele Experten glaubten, dass die Verpflichtung des von Real Madrid gemieteten Kolumbianers James Rodríguez zulasten von Müller gehen würde, doch seit Dienstagabend weiß man es besser.
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Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Wieder hatte Thomas Müller kein Tor geschossen, auch die Vorlagen zu den Treffern beim 3:0-Sieg des FC Bayern München auf Schalke hatten andere besorgt, und es gab ein paar Momente während der 90 Minuten in Gelsenkirchen, in denen sich beim Betrachter die ketzerische Frage meldete, ob Thomas Müller überhaupt noch wichtig ist beim FC Bayern. Wie eh und je lief er zwar im Zickzack in die freien Räume, er wechselte die Positionen und die Flügel, bot sich fleißig hier und dort an, doch der zündende Nutzen schien aus all dem Aufwand nicht hervorzugehen.

Dennoch war es alles andere als ein bemühtes Lächeln, das Müller spazieren führte, als er später die Partie kommentierte. Einerseits war Müller aufrichtig erfreut über einen Sieg, der Stil hatte und künstlerischen Glanz ausstrahlte, andererseits war er offenbar ziemlich überzeugt davon, dass er an diesem Abend seine Wichtigkeit für die Mannschaft bewiesen hatte - selbst wenn jetzt alle bloß über seinen Nebenmann sprachen, nachdem dieser unter anderem ein Tor geschossen und die beiden anderen eingeleitet hatte.

Erinnerung an den Confed Cup

James Rodríguez, die kolumbianische Leihgabe von Real Madrid, war bei seinem ersten vollen Einsatz die Attraktion des Abends und der Mann im Mittelpunkt, aber Müller hob nicht ohne höhere Absicht Folgendes hervor: "Ich denke, es haben einige von uns ein gutes Spiel gemacht heute." Dies war eine Botschaft an die Ketzer und Zweifler, und außerdem war es die Wahrheit.

Als auf dem Weg ins Stadion im Autoradio die Eilmeldung verbreitet wurde, dass auf der Ersatzbank der Bayern Mats Hummels, Arturo Vidal, Thiago und Franck Ribéry sitzen würden, während Arjen Robben daheim eine Grippe und David Alaba eine Verletzung kurieren und der Torwart Manuel Neuer im Krankenhaus liegt, da mögen viele Schalker gedacht haben, dass dieser Abend ein schöner Abend werden könnte. Tatsächlich spielte Schalke mit Mut und mit beachtlichem Angriffsgeist. Aber die vermeintlich zweitbesetzte Münchner Rotationself mit den Neulingen Niklas Süle, Sebastian Rudy, Corentin Tolisso und James spielte von Anfang an besser, und auf der Gegenseite wird sich womöglich mancher das Bayern-Traditionsteam mit Robben und Ribéry auf den Platz gewünscht haben.

Statt der gewohnheitsmäßigen und schematischen Elemente, die den Bayern-Fußball zuletzt in bedenklicher Häufigkeit langweilig, fantasielos und widerlegbar erscheinen ließen, herrschten am Dienstagabend Spielfreude und Inspiration. Die stellvertretenden Münchner erinnerten dabei - auf höherem spielerischem Niveau - an die stellvertretende Nationalelf, die im Sommer den Confed Cup gewann: Sie verkörperten Gemeinsamkeit und Geschlossenheit.

Heimlicher Bruder von Toni Kroos?

Und wie im Sommer beim DFB steuerte am Dienstag in Gelsenkirchen Sebastian Rudy das Geschehen aus der Mitte. Ob er ein heimlicher Bruder von Toni Kroos ist? Eine Artverwandtschaft scheint definitiv zu bestehen. Schalkes Sportchef Christian Heidel und manch anderer Manager der Liga sollten es mit Gewissensbissen gesehen haben: Dieser Sebastian Rudy ist im Sommer ablösefrei zu den Bayern gewechselt, ihn hätten vor einem Jahr auch andere Vereine ansprechen können (was aber nicht geschehen ist). Auf Schalke wurde Rudy nun gefragt, wie es ihm Carlo Ancelotti erkläre, wenn er ihn auf die Ersatzbank setzt. "Wir haben sehr viele gute Spieler", stellte Rudy zutreffend fest.

Auch James Rodríguez ist, wenn die jüngsten Eindrücke nicht dramatisch täuschen, kein schlechter Fußballer. Was nicht nur beim Tor zum 2:0 deutlich wurde, bei dem er Torwart Fährmann gekonnt austrickste. "Er hat sehr gut mit dem Team und sehr gut für das Team gespielte", sagte Carlo Ancelotti, was sich zunächst mal nach einem beliebigen Kompliment anhört, in Wahrheit aber die Geschichte des Abends weise zusammenfasst. Viele Experten glaubten, dass die Verpflichtung des von Real Madrid gemieteten Kolumbianers zulasten von Müller gehen würde, doch seit Dienstagabend weiß man es besser. So beweglich, wie die beiden zwischen den (wenngleich diesmal ziemlich instabilen) gegnerischen Defensivposten umher schwärmten, bildeten sie ein produktives Duett.

"James ist auch kein klassischer Flügelspieler und spielt gern im Halbraum rechts. Er hat ein gutes Auge, kann die Seite verlagern oder gute Flanken bringen. Wir haben da gut harmoniert", lobte Müller sich und den neuen Kompagnon: "Es hat immer mit Abstimmung zu tun, heute haben die Abläufe gestimmt." Die auffallend häufigen Abspielfehler, die Schalke im Defensivverbund machte, hatten auch mit dem organisierten Druck zu tun, der aus dem dezidierten Münchner Offensivfußball hervorging.

Die Hoffnungen im Fußball-Land, dass die Bayern während eines angekündigten Umbruchjahrs ein wenig Spannung an der Tabellenspitze zulassen könnten, sind seit Dienstagabend wieder ein gewaltiges Stück kleiner geworden.

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