Bayerns 1:1 gegen Frankfurt:Auf in die Europa League

So wird das nichts: Im Altherrentempo spielt der FC Bayern gegen Frankfurt knapp ein 1:1 heraus - behäbig und betulich, gerettet durch einen Fehler von Gekas. Geht das so weiter, droht wirklich Europa League statt Champions League.

Thomas Hummel, Frankfurt

Christoph Daum stand eine Stunde nach dem Schlusspfiff im Bauch des Frankfurter Stadions, eng umringt von einem Pulk Zuhörer. Zu Sebastian Rode solle er etwas sagen, dem 20-jährigen Aushilfs-Innenverteidiger, der famos gespielt sein erstes Bundesliga-Tor erzielt hatte. "Ich hab ihn vor dem Spiel gefragt: Na, wie viele Tore hast Du schon? Heute fängst du damit an", erzählte Daum.

Eintracht Frankfurt - Bayern München

Enttäuschte Bayern.

(Foto: dpa)

Aus den Augen der Zuhörer blitzte die Frage, wie viel Wahrheit und wie viel Daumsche Legendenbildung sich wohl hinter dieser Antwort verbarg.

Der Trainer von Eintracht Frankfurt veröffentlichte noch eine Prophezeiung, die ihn zu so etwas wie dem Nostradamus des deutschen Fußballs werden ließe, wäre sie wahr. Seinem Stürmer Theofanis Gekas habe er angekündigt: "Auch wenn mal einer nicht reingeht, du kommst dem Tor immer einen Schritt näher." Nun ist Nähe ein relativer Begriff; manch einer hat aus 51 Metern den Ball volley ins Tor gejagt. Doch wenn sich ein Stürmer einem Torerfolg räumlich nähern kann wie ein Segler dem Hafen, dann hatte Gekas am Samstag schon die Fangleine in der Hand, winkte den Mädchen an Land zu und freute sich auf einen lustigen Abend in der Hafenkneipe. Um sein Boot dann gegen den Steg zu steuern und damit unterzugehen. Theofanis Gekas schoss den Ball nach 82 Minuten aus zwei Metern Entfernung nicht ins leere Tor. Er trat neben den Ball und vergab das sichere 2:0 gegen den FC Bayern München.

Als Mario Gomez sieben Minuten später den Elfmeter zum 1:1 verwandelte, ging Gekas an der Mittellinie in die Knie, legte die Hände vors Gesicht und gab ein Bild des Jammers. Daum wechselte ihn umgehend aus, es gab keinen Handschlag zwischen Versager und Trainer, Gekas warf sich in einen dieser Sessel für die Ersatzspieler. Es wäre kaum verwunderlich, würde er da heute noch sitzen.

Daum umschrieb später seine "große Enttäuschung" etwas blumig: "Wir hatten heute Torsituationen, in denen nicht einmal mehr der Torwart eingreifen konnte." Um dann abzuwiegeln: "So etwas haben wir doch im Fußball schon häufiger gesehen. Nur wiegt das bei uns diesmal schwer." Zwei Punkte schwer wog der Lapsus des Griechen Gekas, denn die Bayern wären bei einem 0:2 kaum mehr zurückgekommen in diese Partie. Damit bleibt Eintracht Frankfurt bei 34 Punkten ein Kandidat für den Abstieg, das Restprogramm mit Mainz, Köln und Dortmund ist tückisch. Es könnte allerdings auch geschätzte zwei Kilogramm Weißwürste schwer wiegen, sollte der FC Bayern am Ende wegen dieses einen Punktes in die Champions League einziehen dürfen. Wenn es um Schützenhilfe geht, zeigt sich der Wurstfabrik-Besitzer Uli Hoeneß ja meist spendabel, und Gekas hätte in diesem Fall ein fettiges Abendessen mehr als verdient.

Der FC Bayern ist wieder auf den vierten Platz zurückgefallen, einen Punkt hinter die zähen Hannoveraner. So wie sich die Münchner zuletzt äußerten, sind Platz vier und die damit einhergehende Teilnahme an der Europa League für sie schlimmer als eine kollektive Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. Was insofern überraschend ist, weil die Münchner in Frankfurt über weite Strecken der Partie wenig bis nichts gegen die drohenden Schmerzen unternahmen.

In der Anfangsphase wirkten sie noch beschwingt vom 5:1 gegen Leverkusen und dem Trainerwechsel von Louis van Gaal auf Andries Jonker. Frank Ribéry, Gomez und Miroslav Klose hatten zwischen der fünften und siebten Minute drei glasklare Möglichkeiten, doch dazwischen springende Frankfurter Feldspieler oder Torwart Ralf Fährmann verhinderten das 0:1. Nach einer Viertelstunde allerdings beendeten die Gäste ihr Offensivspektakel und pausierten damit bis zur 70. Minute. Die Bayern liefen behäbig über den Rasen, passten sich im Alt-Herren-Tempo die Bälle zu. Sie übten keinen Druck aus, wenn die Frankfurter den Ball hatten und machten überhaupt den Eindruck, als hätte der Verein einen Wandertag in den Taunus ausgerufen.

"Hacke, Spitze, Eins-zwei-drei"

Andries Jonker, der so schmächtige und freundlich wirkende Interimstrainer, wählte nach der Partie überraschend wuchtige und unfreundliche Worte. "Wir sind enttäuscht, in dieser Situation müssen wir gewinnen", erklärte er, "aber dazu muss man das Spiel 90 Minuten lang kontrollieren, und das haben wir nicht gemacht." Nach den ersten guten Aktionen der Eintracht hätten sich in der Mannschaft offenbar Zweifel und Unsicherheit eingenistet. Gomez analysierte schärfer: Nach dem Sieg gegen Leverkusen und den guten ersten 20 Minuten wollten einige Mitspieler offenbar "Hacke, Spitze, Eins-zwei-drei spielen", er sah "eine gewisse Überheblichkeit".

Das würde erklären, warum Ribéry sich der Abwehrarbeit komplett verweigerte, Bastian Schweinsteiger unproduktive Kreisel im Mittelfeld drehte und warum der hoch dekorierte FC Bayern gegen einen limitierten Gegner fast folgerichtig einen Rückstand kassierte. Nach einem Freistoß prallte der Ball vor die Füße von Rode, der aus zwölf Metern einschoss (54.).

Erst in der Schlussphase bauten die Münchner Druck auf, drängten gegen körperlich stark abbauende Frankfurter auf ein Tor, hätten zweimal Elfmeter bekommen können (Foul an Müller, Handspiel Ricardo Clark), vergaben Chancen durch Müller, Ribéry und Gomez. Van Buyten bekleidete seine Lieblingsrolle als bester Rammbock der Liga und gewann jeden Kopfball im gegnerischen Strafraum. Als Martin Fenin dann mit Luiz Gustavo zusammenknallte, gab Schiedsrichter Jochen Drews doch Elfmeter. Damit haben die Bayern dem Gegner noch einen Punkt "abgezwungen", wie Jonker die Tradition der Wortschöpfungen seines Vorgängers souverän fortführte.

Die Frankfurter beschwerten sich zwar bitterlich über diesen Pfiff, Fenin klagte gar, er sei es doch gewesen, der gefoult worden sei. Doch ganz so falsch lag Schiedsrichter Drews nicht, wie das die Gastgeber gerne gesehen hätten.

Drews schickte dann Christoph Daum in der etwas hektischen Schlussphase noch auf die Tribüne. Doch weder dort noch später in den Katakomben kam es zur Begegnung mit dessen Lieblingsfeind Uli Hoeneß. "Ich hab keinen vom Bayern-Vorstand gesehen. Hat sie jemand gesehen?", fragte Daum in die Runde und grinste ein wenig. Woraufhin ein Frankfurter Zuhörer berichtete, dass sich Hoeneß und Kollegen verlaufen hätten und auch ganz schön verschwitzt gewesen wären.

Da war sie wieder: die neue Frankfurter Legendenbildung.

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