Bayerns Boateng gegen Dortmund:Pässe aus dem Fußballmuseum

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Jérôme Boateng - Spielgestalter aus der Abwehr heraus (Foto: imago/Jan Huebner)
  • Jérôme Boateng kommt gegen Borussia Dortmund auf 94 Ballkontakte.
  • Es ist ein ungewöhnlicher Wert für einen Abwehrspieler.
  • Mit seinen Bällen leitet er wichtige Tore ein.
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Von Jonas Beckenkamp

Zur Rundumversorgung in der Münchner Fußballarena zählt auch, dass fleißige Helfer nach Spielen Statistik-Papiere verteilen. Auf diesen Zeitdokumenten lassen sich manchmal auf einen Blick Besonderheiten finden, die sonst im großen Trubel untergehen. Sollte der FC Bayern zum Beispiel eines nicht ganz so fernen Tages wirklich in einer Partie auf 100 Prozent Ballbesitz kommen, wäre das solchen Zetteln umgehend zu entnehmen.

Nach dem 5:1 gegen Dortmund (Ballbesitz der Münchner: 58 Prozent) stach aber ein anderer Wert hervor: 94 "Aktionen am Ball", also Ballkontakte, und drei Torschussvorlagen standen dort. Bei Jérôme Boateng.

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Dass ein Abwehrspieler ausgerechnet in diesen Kategorien vorne liegt, kommt selten vor - zumal unter Pep Guardiola beim FC Bayern ja eigentlich das Mittelfeld die Ballmagnetzone sein soll. Aber in dieser Begegnung lief vieles anders. An diesem Abend fungierte Boateng als Verteilstation für die entscheidenden Dinge auf dem Feld.

Einfach aus dem Fußgelenk

Der Weltmeister verfügt über zahlreiche Fähigkeiten, die ein moderner Defensivspieler mitbringen sollte: Er ist einer der Schnellsten in seinem Team, er kann wunderbar grätschen (siehe WM-Finale in Rio!) und er ist robust wie ein Rugby-Recke. Und was manchmal beinahe vergessen wird: Er beherrscht wie kaum ein Zweiter auch die Passvariante "hoch und weit".

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Zwei Mal übertölpelte Boateng die Dortmunder mit Präzisionszuspielen über fast 80 Meter, zwei Mal entstanden daraus Tore der Stürmer Thomas Müller und Robert Lewandowski. Es waren Kunstwerke aus dem britischen Fußball-Museum, die der 27-Jährige da lässig aus dem Fußgelenk schüttelte - eines mit rechts, eines mit links. Kein Wunder also, dass Boateng hinterher einem faszinierten Reporter von der Insel auf Englisch antworten musste. "Ich habe gesehen, dass diese Pässe diesmal gehen", erklärte er fast akzentfrei, was ein indirekter Hinweis auf das fehlende Pressing der Borussia war.

Weil die BVB-Offensive um Gonzalo Castro, Shinji Kagawa und Pierre-Emerick Aubameyang zwar hoch stand, ihn aber nicht bedrängte, habe er "es halt einfach probiert und es hat super funktioniert." Natürlich trainiere er diese Pässe, teilte Boateng noch mit - genauso übrigens, wie kurze Zuspiele.

Thomas Müller, der Profiteur beim 1:0, beschrieb seinen Boateng-Moment so: "Für uns war es zu Beginn schwer, in die Zwischenräume zu stoßen. Aber es gab Raum in der Tiefe, den habe ich gesehen und bin losgelaufen. Jérôme hat hergeschaut und dann kam der Pass gut." Ein Erzeugnis perfekten Timings also und keineswegs eine Verlegenheitsaktion. Müller verriet auch, welchen Spitznamen er seinem Teamkollegen verpasst hat: Er nennt ihn "den Kaiser", wie Franz Beckenbauer, der diese Pässe früher auch drauf hatte.

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Auch Lewandowski dankt Boateng

Ähnlich lief es auch beim 3:1, das handgestoppte 23 Sekunden nach Wiederanpfiff zustande kam. Diesmal sprintete Lewandowski los und hetzte Boatengs Weltpass hinterher. Der Pole schlich sich zwischen zwei Dortmunder Abwehrspielern hindurch und überwand den herausgestürmten Torwart Roman Bürki. Sein Dank gebührte dem Passgeber. "Jérôme ist ein guter Spieler und ein guter Typ. Er mag solche Pässe, das weiß ich. Das war überragend."

Es passte also vieles zusammen. Hier der Fußball-Quarterback Boateng, der die Notwendigkeit langer Bälle erkannt hatte, da die Wide Receiver Müller und Lewandowski, die seine Geschosse gierig aus der Luft pflückten.

Schon verblüffend, was für Geschichten sich hinter ein paar banalen Zahlen auf einem Zettel verstecken können.

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