Bayern-Unentschieden bei Bayer:Wer nicht gewinnt, darf nicht verlieren

In Leverkusen findet Stürmer Lewandowski die Formel für die Gegenwart des FC Bayern: Da viel von Missstimmungen die Rede ist, ist so ein 0:0 auch mal sehr wichtig.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Schon vor dem Anpfiff hatten Roger Schmidt und Pep Guardiola ihre spezielle Verbundenheit angezeigt, indem sie Arm in Arm dem Rasen entgegengingen, und auch nach dem Abpfiff verloren die beiden Trainer keine Zeit, um sich durch eine herzliche Umarmung ihrer Wertschätzung zu versichern. Der begeisterten Miene von Roger Schmidt war zu entnehmen, dass er das beim Stand von 0:0 beendete Spiel als Bereicherung betrachtete, was aber vorwiegend seiner sehr persönlichen Meinung entsprach. Der Rest der Weltbevölkerung, die an dieser Begegnung teilhatte, fühlte sich vermutlich nicht ganz so prima unterhalten.

Der Andrang der internationalen Medien war so groß, dass deutsche Sportfernsehschaffende draußen bleiben mussten. Amerikaner, Mexikaner, Araber, Chinesen besetzten erwartungsvoll die Ränge und erlebten dann prompt einen Rekord - jedoch einen, der nicht geeignet ist, das Exportgeschäft der Bundesliga anzukurbeln: In keinem Punktspiel dieser Saison hatte es so wenige Torschüsse gegeben wie in der ersten Hälfte des Spitzentreffens zwischen Bayer und Bayern. Einen Torschuss notierten die statistischen Dienste, und der verdiente wegen Geringfügigkeit keine Erwähnung. Stattdessen erinnerte man sich an den alten Spruch von Franz Beckenbauer: "Ich weiß nicht, was es ist. Aber Fußball ist es nicht." Häufig fiel später unter den Beteiligten der Begriff Intensität. Und tatsächlich: Die Intensität war so groß, dass lange Zeit kein Spiel aufkommen mochte.

Leverkusen Philipp Lahm 21 FC Bayern Muenchen Manuel Neuer 1 Torwart FC Bayern Muenchen un

Gesprächsbedarf beim FC Bayern nach dem Abpfiff: Philipp Lahm, Manuel Neuer und Thomas Müller (von links).

(Foto: Eibner/imago)

Gegen die Penetranz, mit der die permanent in Schwärmen attackierenden Leverkusener ihren Spielaufbau störten, fanden die Münchner keine kreativen Gegenmittel. "Der Pass auf den freien Mann hat gefehlt", sagte Philipp Lahm. Robben und Costa gerieten an den Rand, der rasend schnelle Coman rannte sich meistens fest.

Pep Guardiola hatte eine eher kampfbetonte Formation gewählt, mit unguten Folgen. Vidal fiel im Zentrum allenfalls durch gewöhnlichen robusten Einsatz, nicht jedoch durch produktives Passspiel auf. Wenig trug auch die Abwehrreihe mit Badstuber, Kimmich und Alaba zur Entstehung von Angriffen bei, weil sie sich der ständigen Störmanöver der Leverkusener Bellarabi, Chicharito und Kießling erwehren musste. Der junge Kimmich, vom Mittelfeldspieler zum Verteidiger umfunktioniert, wirkte ziemlich eingeschüchtert. Sein Mentor Guardiola lobte ihn zwar gewohnt überschwänglich ("überragend"), doch das war wohlwollende Übertreibung. Die Abwehr habe eben Behelfscharakter, räumte Badstuber ein: "Einige fehlen, die dort hingehören." Nach all den langwierigen Verletzungen muss er selbst noch als Behelfslösung gelten. NoterwerbungSerdar Tasci führte sich standesgemäß durch Abwesenheit ein - Folge einer Gehirnerschütterung.

In der zweiten Hälfte passierte, was zu erwarten war und was, wie Lahm erklärte, in Guardiolas Plan vorkam: Bei den Leverkusenern ließen die Kräfte nach. Der Trainer unterstützte die Entwicklung zur Wende, indem er Thiago und Müller einwechselte. Letzterer war selbst verblüfft, dass er zunächst hatte zuschauen müssen, entschied jedoch, es gelassen zu sehen: "Bei unserem Kader ist es nichts Neues, dass auch mal Spieler draußen sind, die sich in der ersten Elf sehen." Stück für Stück kamen die Bayern dem 1:0 näher, bis sie zehn Minuten vor Schluss von zwei Männern gestoppt wurden, die nicht das Leverkusener Trikot trugen. Der eine war Schiedsrichter Knut Kircher, der andere Xabi Alonso.

DFB-Pokal, Viertelfinale

Di., 19.00 Uhr Leverkusen - Bremen

Di., 20:30 Uhr Stuttgart - Dortmund / ARD

Mi., 19.00 Uhr Heidenheim - Hertha BSC

Mi., 20.30 Uhr VfL Bochum - FC Bayern /ARD

Halbfinale: 19./20. April; Finale: 21. Mai in Berlin.

Auch Alonso ist in der gegenwärtig nicht ausbalancierten Bayern-Elf eine ambivalente Erscheinung. Oft agiert er mit der Souveränität des Großmeisters. Häufiger aber verschleppt er mit seiner Routine das Spiel. In Leverkusen hatte er zudem das Pech, auf einen Schiedsrichter zu treffen, der lange die vielen rauen Kampfhandlungen toleriert hatte (Kießling!), auf einmal aber seine Verwarnungskarte wiederfand. Alonso bekam die erste und die letzte gelbe Karte des Spiels, die erste mit Recht, die zweite hätte sich Kircher aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sparen dürfen.

In Unterzahl ließ der Sturmdrang der Bayern nach. "So vermessen dürfen wir auch nicht sein, dass wir die Situation vergessen, in der wir nach dem Platzverweis waren", sagte Müller. Eine Ansicht, die Robert Lewandowski teilte: "Wenn du nicht gewinnen kannst, dann darfst du nicht verlieren." Null zu null - ein Kompromiss, der die Leverkusener einigermaßen beglückt und die Bayern nicht bedrückt. Eine Niederlage hätte das Gerede von der Unruhe angetrieben, Müller hat registriert, dass darauf das ganze Land wartet. Die Berichte über Münchner Missstimmungen, "die sind für uns ganz amüsant", höhnte er: "Da wird versucht, den FC Bayern vielleicht doch noch ein bisschen zu ärgern." Immerhin nimmt er das seinen Landsleuten nicht übel, er habe "Verständnis für Rest-Deutschland". Und er gesteht: "Natürlich gibt's bei uns ein paar Themen." Den Umgang mit der Trainerfrage, mit Guardiolas angekündigtem Abschied zählt er dazu.

Das Stadion in Leverkusen verließen die Münchner in gedämpft guter Laune. Und im Bewusstsein, eine Episode auf dem Weg zum nächsten Titel erlebt zu haben.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: