Bayern spielen in Hamburg 1:1:Auf der Suche nach dem Plan

Der FC Bayern kann beim Hamburger SV erneut nicht überzeugen und muss die Tabellenführung an Dortmund abgeben. Die Spieler monieren, dass in der Offensive die Ideen fehlen - was nahelegt, Toni Kroos wieder mehr Raum für Kreativität zu geben. Trainer Heynckes hält von solchen Gedankenspielen jedoch wenig.

Carsten Eberts, Hamburg

Ivica Olic rannte als Letzter in den Bayern-Mannschaftsbus, sein Rollkoffer rumpelte mächtig hinter ihm her. Dem Flurfunk zufolge war der Kroate noch kurz in der HSV-Kabine gewesen, um den alten Kollegen "Hallo" zu sagen. Und vielleicht auch, um sich für das Gegentor zum 1:1 zu entschuldigen. Was für Bayern-Ohren bestimmt war, formulierte er so: "Ich bin froh, dass ich ein wenig helfen konnte." Dann hetzte er eilig davon.

Hamburger SV - Bayern München

Wieder kein überzeugender Fußball: die Bayern-Profis Schweinsteiger, Robben und Müller (von rechts).

(Foto: dpa)

Olic, der Einwechselstürmer, half den Bayern an diesem Abend wirklich. Sein Treffer in der 70. Spielminute rettete ihnen beim Hamburger SV zumindest einen Punkt, auch wenn dies den Bayern nicht genug sein konnte. "Das Unentschieden ärgert mich immens", schimpfte etwa Thomas Müller nach der Partie, "weil es ein Spiel war, wo viel mehr drin war." Die Tabellenführung sind die Bayern los - sie rangieren nun zwei Punkte hinter Borussia Dortmund auf Platz zwei.

Es war kein überzeugender Auftritt der Bayern - wieder einmal. Wie schon zum Rückrundenauftakt bei Borussia Mönchengladbach waren die Bayern in Rückstand geraten, diesmal in der 23. Minute durch HSV-Nachwuchsmannn Jacopo Sala, der eine Münchner Fehlerserie von Jérôme Boateng und Philipp Lahm ausnutzte. Anschließend spielten die Bayern gefällig nach vorne, taten sich jedoch enorm schwer, auch im vordersten Drittel des Platzes ein gefährliches Spiel aufzuziehen. "Wir haben bis zum Sechzehner sehr ordentlich gespielt, aber uns fehlt momentan der entscheidende Pass", konstatierte Lahm richtigerweise: "Immer, wenn wir in Rückstand geraten, wird es deshalb sehr schwer."

Sein Trainer Jupp Heynckes wollte den mäßigen Auftritt nicht überbewerten. "Vorwürfe will ich der Truppe nicht machen", sagte Heynckes, "ich glaube, dass die Mannschaft einen Schritt weiter gekommen ist." Ärgerlich war vor allem, dass Schiedsrichter Knut Kircher in der ersten Halbzeit ein Kopfball-Eigentor von HSV-Abwehrspieler Heiko Westermann nicht anerkannte, weil Mario Gomez angeblich gestoßen hatte. Heynckes erklärte, auch in der Hinrunde sei der Bayern-Start holprig verlaufen, "und dann sind wir durchgestartet".

Also kein Grund zur Sorge? Anderen Protagonisten verursacht die aktuelle Situation deutlich mehr Kopfzerbrechen. Zuvorderst Sportdirektor Christian Nerlinger: "Das war kein optimaler Start in die Rückrunde. Wir haben zwei Punkte Rückstand und sind unter Druck. Das sagt alles." Für Nerlinger war es ein außergewöhnlich kurzes Statement, dann rauschte er von dannen.

Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge sagte indes überhaupt nichts, ging wortlos davon. Nicht auszudenken, was passieren würde, sollten die Bayern am Mittwochabend im DFB-Pokal gegen den VfB Stuttgart verlieren. War dies der Rekordmeister, der nach der so trefflich verlaufenen Wintervorbereitung Angriff auf das Titel-Triple nehmen wollte?

"Ich denke nicht, dass es daran liegt"

Was den Bayern derzeit fehlt, wird beim bloßen Hinsehen deutlich: Erwischen die Außenspieler Franck Ribéry und Arjen Robben keinen guten Tag (so wie am Samstag beim HSV), haben die Bayern keinen Spieler, der den finalen Pass in die Spitze spielen kann. Thomas Müller, der erneut auf der Zehnerposition agierte, ist dafür nicht der ideale Spielertyp; er wühlt mehr, als dass er dem Spiel Struktur verleiht. Und Toni Kroos wird in Heynckes' Mannschaft derzeit auf der Doppelsechs neben Bastian Schweinsteiger gebraucht, auch wenn ihn dies seiner formidablen offensiven Möglichkeiten beraubt.

Trainer Heynckes wollte die Personalie Kroos nicht als Grund für das durchschaubare Offensivspiel anführen. "Toni ist ein Spieler, der das Spiel in vorderster Position maßgeblich beeinflussen kann", gab Heynckes zwar zu, erklärte jedoch: "Ich denke nicht, dass es daran liegt."

Deutlicher formulierte es Arjen Robben. Die Bayern müssten ein "Programm entwickeln", mit dem sie wieder gewinnen könnten, sagte der Niederländer. Wer wollte, konnte in diesem Satz die nächste Kritik eines ranghohen Bayern-Profis an der aktuellen Taktik heraushören. Die Bayern brauchen offensive Ideen - auch wenn dies bedeutet, dass Müller, Ribéry oder gar Robben selbst aus der Startelf befördert würden. Sollte Kroos tatsächlich in seine offensivere Rolle rücken.

Beim Hamburger SV konnten sie ihr Glück über den Punktgewinn indes kaum fassen. Nach der 1:5-Heimklatsche gegen Borussia Dortmund waren große Selbstzweifel aufgekommen, ob unter dem neuen Coach Torsten Fink doch noch nicht alles besser geworden ist. Diesmal konnte Fink zufrieden feststellen: "Wir haben das getan, was wir wollten: Defensiv gut gestanden und nach vorne Akzente gesetzt. Was mir sehr gefallen hat, war, dass die Mannschaft nach dem 1:1 weiter nach vorne gespielt hat." Auch sein Kollege Heynckes lobte die Hamburger: "Es war schwierig gegen eine Mannschaft, die sehr kompakt gestanden und intelligent verteidigt hat."

Von den Spielern nahm sich Dennis Aogo am ausführlichsten Zeit, seine Gefühlslage zu beschreiben. "Für uns war wichtig zu erkennen, dass wir gegen solche Mannschaften mithalten können", jubilierte der Abwehrspieler, "nach dem 1:1 haben wir weiter sehr gut dagegengehalten und uns den Punkt verdient."

Und sagte anschließend zwei Sätze, die den Bayern zu denken geben müssen: "Wenn du in der 70. Minute gegen Bayern München das 1:1 bekommst, musst du normalerweise 20 Minuten vom Feinsten zittern." Er schloss mit den Worten: "Das mussten wir heute nicht."

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