Bayern-Sieg in Leverkusen:Gefährlicher Tritt

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Üble Kung-Fu-Einlage: Thiagos Tritt gegen Stefan Kießling in der Nachspielzeit

(Foto: imago/siwe)
  • Der FC Bayern gewinnt im Elfmeterschießen gegen Leverkusen und macht spielerische Mängel mit Leidenschaft wett.
  • Der brutale Tritt von Thiago hinterlässt die Frage, wie lange die Münchner mit den vielen Absenzen noch umgehen können.
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Von Maik Rosner, Leverkusen

Am Ende blieb ein Bild von Thiago Alcântara, das so gar nicht zu seinem wilden Tritt gegen Stefan Kießling passen wollte. Allein und als einer der letzten Münchner Spieler kam er aus der Kabine getrottet, bat um Verständnis, dass er diesmal nicht sagen würde, und zog weiter Richtung Mannschaftsbus, ausgerüstet mit seinem Rucksack. Thiago sah nicht aus wie jemand, der anderen etwas zu Leide tun möchte. Eher wie ein argloser Schüler auf dem Heimweg.

Sein Abend war es gewesen am Mittwoch in Leverkusen, in jeglicher Hinsicht. Eingewechselt worden war Thiago im Verlauf der zweiten Hälfte, wie schon vier Tage zuvor bei seinem Comeback in Dortmund samt der Tränen nach 371 Tagen Zwangspause. Durchhalten musste der 23-Jährige nun wesentlich länger, da das sehr intensive Spiel ohne Tor blieb und eine Verlängerung nach sich zog. Thiago hat während seines schon recht ausgedehnten Auftritts einige Streicheleinheiten für den Ball präsentiert und ebenso anspruchsvolle Pässe aus dem Fußgelenk. Vor allem aber war ihm jener Tritt unterlaufen, der auch einen Platzverweis hätte zur Folge haben können - manche fanden: müssen.

Wie ein Kampfsportler war der Mittelfeldgenius auf Kießling zugesprungen, sein rechter Fuß bewegte sich auf Höhe des Halses und traf den Leverkusener Angreifer mit der Stollensohle kurz darunter. Was für Leverkusens Sportchef Rudi Völler nur einen Schluss zuließ: "Es war natürlich eine klare Rote Karte, da braucht man nicht diskutieren. Das war ein Foul, das hat auf dem Fußballplatz nichts zu suchen." Weil Schiedsrichter Felix Zwayer aber auf den Platzverweis verzichtete und stattdessen die Gelbe Karte wählte, durfte Thiago auch beim Elfmeterschießen eine wichtige Rolle einnehmen. Den entscheidenden und letzten Versuch der Münchner verwandelte er, nachdem Manuel Neuer den ersten Elfmeter von Josip Drmic pariert hatte. Danach fielen sich zuerst die beiden Hauptdarsteller dieses Abends freudig in die Arme.

Neuer war es auch, der Thiago in Schutz nahm für jenen übermotivierten und gefährlichen Tritt, der bei einer anderen Bewertung des Schiedsrichters auch zu einem anderen Endresultat hätte führen können. "Für mich ist Thiago einer der fairsten Spieler, die wir haben", sagte Neuer grundsätzlich. Absicht sei ihm nicht zu unterstellen. "Er schaut auf den Ball, und dann passiert diese unglückliche Situation", befand der Torwart. Das sah Matthias Sammer ähnlich. "Wenn so etwas Vorsatz ist, dann bin ich bei Ihnen", sagte der Münchner Sportvorstand zum möglichen Platzverweis, "aber er hat ihn einfach nicht gesehen. Egal, wie das aussah: Thiago ist nicht der Spieler, der solche Dinge absichtlich macht."

Sogar manch ein Leverkusener äußerte Nachsicht. "Sein Bein war schon sehr hoch. Das sah schon sehr gefährlich aus", erkannte Torwart Bernd Leno zwar. Aber auch er hielt es nicht unbedingt für einen mutwilligen Tritt. "Ich weiß nicht, ob er 'Kieß' gesehen hat", sagte Leno. Überhaupt sei dieser Streitfall kein Grund, um "rumzujammern, wir hätten wegen dieser Szene verloren".

FC Bayern fürchtet weitere Ausfälle

Thiago hatte sein Bedauern bereits kurz nach dem Schlusspfiff vorgetragen, ehe er noch einmal in die Kabine der Leverkusener ging. "Es war eine unglückliche Situation, ich habe ihn nicht gesehen und mich tausend Mal bei ihm entschuldigt", sagte der Spanier, "ich habe mit ihm gesprochen, als er am Boden lag, im Elfmeterschießen und in der Kabine."

Es war auch eine Szene, die viel von jenem unbedingten Willen veranschaulicht, mit dem die Münchner insgesamt aufgetretensind. Neben Arjen Robben, Franck Ribéry und David Alaba war für dieses Spiel ja auch noch Bastian Schweinsteiger ausgefallen. Die Bereitschaft der Mannschaft, die Hoffnung auf das Triple am Leben zu halten, schien das noch zu steigern. "Dass es fußballerisch nicht so überragend aussieht, hat seine Gründe. Aber im Kopf haben wir kein Problem. Jeder will arbeiten", stellte Kapitän Philipp Lahm fest. Es stehe aber außer Frage, "dass wir besser Fußball spielen wollen", vor allem besser als am Wochenende in Dortmund und möglichst nicht erst im Halbfinale gegen den BVB Ende April.

Für Sammer ist dieses Spiel noch weit weg, zunächst einmal geht es nach dem Ligaspiel gegen Eintracht Frankfurt am kommenden Mittwoch zum Viertelfinal-Hinspiel der Champions League nach Porto. Nicht nur der Sportvorstand hofft, dass nun nicht auch noch der angeschlagen ausgewechselte Medhi Benatia ausfällt. Wie viele Absenzen der FC Bayern trotz seines herausragenden Kaders noch kompensieren könne, wurde Sammer gefragt. "Gar keine", antwortete er prompt, "normalerweise ist das nicht mehr kompensierbar". Umso mehr müsse man sich "verneigen vor der Mannschaft" und Abstriche im spielerischen Bereich hinnehmen. Sammer sagte: "Wir sind nicht immer für die Optik zuständig."

Was allerdings auch blieb von diesem Schlachtengemälde samt Thiagos Tritt als dramatischem Höhepunkt, war jene Frage, die Lahm noch stellte, als es um die vielen Ausfälle ging. Sie lautete: "Wie lange geht sowas gut?" Eine Antwort hat der Kapitän darauf nicht gegeben. Vernehmbar war, dass er sich durchaus sorgt, ob allein der Zusammenhalt und die Leidenschaft die Münchner zu den erhofften drei Titeln tragen kann. Sie bewegen sich gerade im absoluten Grenzbereich. Bei Thiago ging es darüber hinaus.

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