Bayern-Sieg in Berlin:Formbestie Vidal schlägt zu

Von Martin Anetzberger

Es war wenig charmant, was Marcel Reif vor dem Spiel bei Hertha BSC über die Rotation beim FC Bayern zu sagen hatte: "Da kommen ein paar Blinde rein", sagte der Sky-Kommentator im Sportfernsehen. Gemeint waren Serdar Tasci, Medhi Benatia, Thiago, Rafinha und Joshua Kimmich, die zuletzt im Pokal nicht in der Startelf der Münchner gestanden hatten. Für sie blieben Franck Ribéry, Javi Martínez, Xabi Alonso, David Alaba, Kingsley Coman auf der Bank - Juan Bernat und Philipp Lahm berief Pep Guardiola gar nicht erst in den Kader.

Natürlich war das eine humoristische Bemerkung von Reif, doch diese bayerische B-Mannschaft ließ irgendwie doch vermuten, dass Trainer Pep Guardiola die Meisterschaft schon als erledigt sieht. Am Mittwoch steht für die Bayern außerdem das Halbfinal-Hinspiel in der Champions League bei Atlético Madrid an. Warum sich also unnötig verausgaben?

Nunja, es gab ja noch ein Spiel in Berlin zu gewinnen - und das erledigte der Meister trotz einer mäßigen Vorstellung an diesem sonnigen Nachmittag in der Hauptstadt. Durch Tore von Arturo Vidal (48. Minute) und Douglas Costa (79.) gewannen die Bayern vor 76 233 Zuschauern 2:0 bei Hertha BSC. Die "Blinden" und ihre nicht ganz so blinden Kollegen hatten ihr Tagwerk also ordentlich vollbracht.

Nicht blind, aber doch sehr in ihrem Sehvermögen eingeschränkt, waren beim Anpfiff zunächst alle Besucher im Stadion, weil die Bayernfans dermaßen heftig gezündelt hatten, dass der Rauch über das Spielfeld bis hinüber in die Ostkurve der Hertha-Anhänger zog. So fiel den Spielern schon vor Anpfiff das Atmen schwer und Schiedsrichter Marco Fritz musste warten, bis sich die Sicht besserte.

Zunächst passierte wenig. Die Hertha spielte in den ersten Minuten stärker, mehr als ein geblockter Schuss von Tolga Cigerci kam dabei aber nicht heraus. Für die Bayern schoss Douglas Costa in der achten Minute erstmals aufs Hertha-Tor, doch Keeper Thomas Kraft werte den Ball mit den Fäusten ab.

Um 15.52 Uhr deutete sich an, dass die Bayern heute auch bei einem Sieg noch nicht die Meisterschaft feiern konnten. Dafür hätte Dortmund in Stuttgart verlieren müssen, schoss aber eben in jener Minute das 1:0. Es folgte ein leicht entsetzter Aufschrei der Roten auf der Tribüne.

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Mehr Spaß machte es ohnehin, den Hertha-Spielern zuzuschauen, die nach dem Ausscheiden aus dem DFB-Pokal fast ein wenig befreit wirkten und von ihrem Publikum ausdauernd angefeuert wurden. Nach einem starken Rückpass im Strafraum zog Mitchell Weiser sofort ab und traf aus kurzer Entfernung Tasci am Ellenbogen. Schiedsrichter Fritz ließ zu recht weiterspielen. Zwei Minuten später parierte Kraft auf der Gegenseite, nachdem Costa Thiago per Steilpass freigespielt hatte. Dieser Abschluss blieb die gefährlichste Aktion der Bayern in der ersten Halbzeit.

Nach gut einer halben Stunde schnürten die Berliner die Bayern in der eigenen Hälfte fast ein. Doch gefährliche Chancen ergaben sich daraus nicht, weil das Team von Pal Dardai zu ungestüm spielte und zu ungenau passte, gleichzeitig aber die Münchner weitgehend vom eigenen Tor fernhielt. Die wirkten zunehmend genervt. Rafinha holte sich eine gelbe Karte ab, weil er Weiser mit einer Scheren-Grätsche auf den Rasen beförderte. Wenig später sah auch Thomas Müller wegen eines taktischen Fouls Gelb. Um 16.16 Uhr schoss der BVB das 2:0 in Stuttgart - dann war Pause.

Costas sehenswerter Treffer

Ziemlich genau 17 Minuten später stand es 1:0 für Bayern. Mario Götze durfte am Strafraum entlang quer mit dem Ball am Fuß laufen, spielte auf den freistehenden Vidal. Der zog ab und traf das Knie von Herthas Niklas Stark. Dann schlug der Ball unhaltbar neben Kraft im Berliner Tor ein. Vidal, die Formbestie hatte wieder zugeschlagen.

Die Hertha wirkte danach etwas geknickt, die Bayern agierten jetzt wesentlich sicherer, ohne sich weitere Großchancen herauszuspielen. In der 57. Minute durften Müller und Rafinha vom Feld, Alaba und Ribéry kamen. Nächster Aufreger war ein Ausflug von Hertha-Keeper Kraft (71. Minute), der den Ball außerhalb des Strafraums mit dem Kopf klärte, ihn dann zwei Mal auf der eigenen Brust auftropfen ließ und die Situation nur mit Mühe klärte.

In der 79. Minute brachte dann Costa die Zuschauer zum Staunen. Er lief von rechts quer in Richtung Strafraum und schoss aus gut zwanzig Metern mit Vollspann ins linke Kreuzeck. Er traf den Ball so perfekt, dass er während des gesamten Fluges weniger als einmal um die eigene Achse rotierte. Kraft war ohne Chance, das Spiel entschieden. Lewandowski durfte auch noch früher aufhören, für ihn kam Javi Martínez.

Den Berlinern blieb am Ende nur der Trost, dass die Bayern sich nicht wie 2014 und 2015 jeweils im Olympiastadion die entscheidenden Punkte für die Meisterfeier geholt hatten. "Ich habe da keine Lust mehr drauf", hatte Sportdirektor Michal Preetz vor dem Spiel gesagt. Bedanken durfte er sich bei den Dortmundern, die ihrerseits gegen Stuttgart übrigens bereits in der 56. Minute für den 3:0-Endstand gesorgt hatten.

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