Bayern-Sieg gegen Dortmund:Abend der langen Scherenbeine

Borussia Dortmund v FC Bayern Muenchen - Bundesliga

Viel zu tun: Boateng (links) in Dortmund

(Foto: Matthias Hangst/Bongarts/Getty Images)
  • Bayern-Trainer Pep Guardiola schickt gegen Dortmund eine Mannschaft auf den Platz, die so defensiv ausgerichtet ist wie nie zuvor in seiner Zeit in München.
  • Der Sieg ist nicht Lewandowski zu verdanken - sondern Dante, Boateng und Benatia.
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Von Benedikt Warmbrunn, Dortmund

Thiago Alcántara erzählte gerade, dass der Fußball das Leben sei, er war jetzt der Mann, der im Mittelpunkt stand. Hinter ihm schlich Medhi Benatia vorbei, seine Schultern hingen, niemand wollte etwas von ihm wissen. Dabei war es doch der Marokkaner gewesen, der diesen Abend geprägt hatte. Mit seinen langen Scherenbeinen. Mit seinem eisernen Kopf. Mit Schultern, die 90 Minuten lang breit genug waren, um keinen Gegner vorbei zu lassen.

1:0 (1:0) hatte der FC Bayern München am Samstagabend bei Borussia Dortmund gewonnen. Es war das Spiel, in dem Thiago nach 371 Tagen Verletzungspause seine Rückkehr feierte. Es war das Spiel, in dem Robert Lewandowski bei seinem alten Verein traf. Vor allem aber war es ein Spiel, in dem Trainer Pep Guardiola eine ganz neue Taktik wählte. Und Benatia war der Spieler, an dem das am besten zu erkennen war.

Guardiola fehlten die Spieler für den Besitzfußball

Franck Ribéry: angeschlagen. Arjen Robben: mehrwöchige Verletzungspause. Und dann riss sich noch David Alaba Mitte der vergangenen Woche das Innenband - Trainer Guardiola fehlten also alle Spieler, die seinen Ballbesitzfußball mit dynamischen, unvorhersehbaren Aktionen veredeln. Guardiola wählte daher gegen Dortmund eine Taktik, die mehr war als nur eine Formation von elf Spielern. Es war eine Kapitulation vor den Umständen.

Guardiola fehlten die Spieler, um seinen Ballbesitzfußball durchzusetzen; vor der Partie in Dortmund hatte er, der dem Pathos niemals abgeneigt ist, noch gesagt, dass dies seine schwerste Phase als Trainer des FC Bayern sei. Also reagierte er. Indem er sich vom Ballbesitzfußball abwendete. "Ich würde gerne anders spielen, als wir heute gespielt haben", sagte Guardiola später, "aber ich muss natürlich so spielen, wie sich die Mannschaft aufstellt."

Die Mannschaft stellte sich so auf, dass der Trainer eine Art von 3-2-3-2-System wählte, doch diese Zahlen sagten wenig aus. Guardiola stellte in erster Linie eine Mannschaft auf, die so defensiv ausgerichtet war wie nie zuvor in seiner Zeit in München. In der ersten Halbzeit, sagte Torschütze Lewandowski später, "hatten wir offiziell zwei offensive Spieler": ihn, Lewandowski, dazu Thomas Müller, die beiden bildeten einen Zwei-Mann-Sturm, der viele weite Wege ging. Und der für das Tor des Abends sorgte: Lewandowski nahm an der Mittellinie den Ball an, schirmte ihn ab, passte zu Müller. Dessen Schuss parierte BVB-Torwart Weidenfeller zunächst. Dann staubte Lewandowski mit dem Kopf ab (33.).

Hinter den beiden standen acht Feldspieler, die sich am eigenen Strafraum postierten. Sie bauten das Spiel fast von der eigenen Torauslinie auf, mindestens eine halbe Spielfeldhälfte weiter hinten als üblich. Selbst bei eigenen Abschlägen standen bis zu fünf Spieler am eigenen Sechzehner. Tief in der eigenen Hälfte also lauerten sie. Mit einer Geduld, wie sie die Mannschaft sonst bei den eigenen Passfolgen zeigt. Eine Taktik, geschuldet den Löchern im Kader, sagte Sportvorstand Matthias Sammer. Er betonte aber auch: "So extrem war es nicht geplant."

Wunsch nach 1000 Dantes

Der Wunsch nach 1000 Dantes

Durch diese Spielausrichtung war das Team mehr als sonst in der Defensivarbeit gefordert. Es war daher einer der wenigen Abende, an denen sich die Verteidiger in ihrer eigentlichen Aufgabe auszeichnen konnten: im Verteidigen. Jérôme Boateng, der Chef der Dreierkette, wuchtete seinen Körper in jeden Zweikampf. Dante stellte immer wieder geschickt seinen Fuß in den Weg, manchmal sogar ein ganzes Bein. Der Brasilianer, der sich zuletzt nicht sehr geschätzt gefühlt hatte, profitierte ganz besonders davon, dass er hinter sich nicht so viel Raum verteidigen musste; später sagte der niemals dem Pathos abgeneigte Guardiola, er hätte gerne "1000 Dantes" in seiner Elf.

Oder 1000 Benatias.

Der Marokkaner hatte bisher ein schweres Jahr, lange quälten ihn komplizierte Rückenprobleme, dann war er gelbgesperrt. Gegen Dortmund konnte er jedoch andeuten, warum er noch wertvoll werden könnte. Als stärkster Münchner Zweikämpfer. Als Mann mit einem verblüffenden Timing; immer wieder stand er genau dort, wo gerade die größte Gefahr zu entstehen drohte. Als einer, der nicht ein einziges Mal die Übersicht verlor. Als ein Spieler also, der all die Eigenschaften zeigte, die der FC Bayern brauchen wird, um den Verlust von Ribéry, Robben, Alaba in den entscheidenden Wochen zu kompensieren, in den Wochen beginnend mit dem Pokalspiel am Mittwoch in Leverkusen und fortgesetzt in den Wochen danach in der Champions League gegen Porto. Benatia, der Lückenstopfer, war der Spieler, der diesen neuen FC Bayern im Frühling 2015 prächtig symbolisierte.

Oder wird sich Guardiola etwa schon wieder etwas Neues einfallen lassen? "Er muss jetzt erst einmal zwei Tage regenerieren", sagte Sammer über den Trainer, "er hat viel investiert."

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