Bayern-Sieg bei ZSKA Moskau:Minimalistisch vor blauen Sitzschalen

PFC CSKA Moskva v FC Bayern Munchen - UEFA Champions League

Thomas Müller verwandelt abgeklärt zum 1:0 - vor leeren Rängen

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Vor nahezu leeren Rängen siegt der FC Bayern in der Champions League 1:0 bei ZSKA Moskau. Die Münchner agieren vorne dominant, hinten aber hüftsteif. Wieder einmal übernimmt Thomas Müller die Verantwortung.

Von Carsten Eberts

Die Gesänge kamen von draußen vor dem Tor. Einige Dutzend Fans von ZSKA Moskau hatten sich dort positioniert, zwischen zwei Tribünen, fast ohne Blickkontakt zum Spielfeld - doch sie sangen. Und sangen. Und sangen. Zumindest ein bisschen Atmosphäre erreichte so die fast menschenleere Arena Chimki.

Ein Geisterspiel hatte die Uefa dem russischen Klub ZSKA wegen rassistischer Zwischenfälle aufgebrummt, und auch die Bayern mussten darunter leiden. Lediglich Offizielle der Vereine, Fifa-Delegierte, Sponsoren sowie einige Presseangestellte durften in die Arena und erzeugten ein wenig aufgeregtes Gemurmel. Nicht einmal die U19 der Bayern, die ebenfalls in Moskau weilte, weil sie in der Youth League antrat, durfte in die Arena.

Ausgemacht hat den Münchnern die schaurige Fußballkulisse letztlich wenig, sie gewannen auch die zweite Champions-League-Partie der Saison, durch einen Elfmetertreffer von Thomas Müller (22. Minute) 1:0 bei ZSKA Moskau. Nicht gerade schön, aber das Ergebnis passte. "Wir sind ja eigentlich in der Unterhaltungsbranche tätig, deshalb war das sehr seltsam", meinte Siegtorschütze Thomas Müller nach der Partie.

Und Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayerns, meinte gar: "Ich bin seit 40 Jahren im Fußballgeschäft, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Und ich hoffe, dass ich so etwas auch nie wieder erleben muss. Wenn ich aus meinem Büro bei unserem Training zuschaue, ist das sympathischer, als das heute Abend hier."

Die Geister-Atmosphäre - sie war auch nach dem Spiel das große Thema. Trainer Pep Guardiola hatte derlei nach eigener Aussage "noch nie erlebt". Er fand es "komisch", ohne Fans zu spielen: "Fußball ist für die Leute, nicht für uns." Um seine in dieser jungen Saison erst allmählich gefestigter auftretende Mannschaft nicht weiter zu verwirren, setzte Guardiola in Moskau nur punktuell auf modifiziertes Personal. Mit Xabi Alonso als Fixpunkt im Mittelfeld, vorne das Vierer-Offensivkarussell aus Mario Götze, Thomas Müller, Arjen Robben und Robert Lewandowski.

Allerdings fehlte Jérôme Boateng, der gegen Köln zum wiederholten Male angeschlagen ausgewechselt werden musste. Für ihn begann Dante; auch mitwirken durfte 30-Millionen-Euro-Zugang Medhi Benatia, dem Guardiola zuvor ebenfalls Fitnessdefizite attestiert hatte. Für ein Geisterspiel in Moskau sollte es reichen.

Das letzte Aufeinandertreffen hatten die Bayern in der vergangenen Saison im Moskauer Schnee 3:1 gewonnen (Torschützen Robben, Götze, Müller), damals vor 14 000 Zuschauern. Vor offiziell 13 600 Zuschauern weniger begannen die Münchner abermals seriös. Götze (9., Direktabnahme) und Robben (11., aus 20 Metern) verfehlten das Tor noch. Alonsos Freistoß war zu unplatziert (18.), dann setzte jedoch Götze zu einem seiner Hochgeschwindigkeitsdribblings an.

Widerpart Mario Fernandes initiierte seine Grätsche vor der gefährlichen Zone, als er den WM-Finaltorschützen traf, hatte Götze die Strafraumkante aber erreicht. Müller trat zum Elfmeter an, verzögerte wie üblich, knallte den Ball mittig schwungvoll ins Netz (22.). 1:0, früh stimmte die Richtung.

Benatia und Dante hüftsteif

Einen Sieg hatte Sportvorstand Matthias Sammer in Moskau gefordert, ganz egal vor welcher Kulisse, in dieser "höllischen Gruppe", in der ansonsten Manchester City und der AS Rom um das Erreichen der K.o.-Phase ringen. ZSKA machte zunächst nicht den Eindruck, als wolle es diesem Vorhaben etwas entgegensetzen. Alan Dzagojew und Pontus Wernbloom fehlten gesperrt, unter der Regie von Sergei Ignaschewitsch formierte der russische Meister einen Fünfer-Abwehrriegel, davor eine Viererkette.

"Es ist immer schwierig gegen so eine Abwehr", fand Guardiola nachher. Sein Team sei aber vorbildlich geduldig geblieben und sei so zu Chancen "für mehrere Tore" gekommen. Das stimmte. 2:0 hätte es zwischenzeitlichen stehen müssen, 3:0 hätte es stehen können, gemessen an den Chancen. Dann aber sah nicht nur Vorstands-Boss Rummenigge einige "Fahrlässigkeiten" - und plötzlich tauchte Musa frei vor dem Münchner Tor auf, er war Benatia enteilt. Manuel Neuer machte sich so breit, wie er nur konnte, halb mit seiner rechten Pranke, halb mit der Hüfte wehrte er Musas Geschoss ab (36.).

Vier Minuten später handelte sich Philipp Lahm eine seiner seltenen gelben Karten ein, als er Georgi Schennikow Zentimeter vor dem Strafraum legte (40.). Dann kam Roman Eremenko, sein Schuss aus halbrechter Position streichelte die Latte (41.). Da hätte die Richtung beinahe nicht mehr gestimmt.

In Halbzeit zwei mühten sich die Bayern, die Hoheit über die Partie zurückzuerlangen. Sie trieben sich gegenseitig an - "hier her", "noch mal", "weiter" hallte es durch die Arena, bis in den letzten Winkel gut verständlich. Als Musa trotzdem erneut frei vor Neuer auftauchte (52.), maßregelte ihn Alonso - auf Englisch. Auch Dante wirkte in den Aktionen des flinken Musa auffällig hüftsteif.

Die Gesänge der Fans wurden lauter, die Moskauer nahmen es nicht mehr so genau mit der Uefa-Direktive und ließen einige Hundert auf die Tribünen. Musa und Konsorten erhielten weiter Räume zum Kontern, auf Bayern-Seite vergab der eingewechselte Xherdan Shaqiri die beste Möglichkeit (87.). Dann hatte der schaurige Kick vor leeren, blauen Sitzschalen ein Ende. "Wir fahren hochzufrieden nach Hause. Wir haben die drei Punkte geholt, etwas anderes war hier nicht zu gewinnen", sprach Müller, bevor es in den Flieger zurück ging. Beim nächsten Spiel, am Samstag gegen Hannover, werden es wieder 68 000 Zuschauer mehr sein.

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