Bundesliga:Ein Sieg der Leidenschaft über behäbige Abgeklärtheit

Bundesliga - RB Leipzig vs Bayern Munich

Dreht jubelnd ab: Leipzigs Timo Werner schießt das Siegtor gegen Bayern, Niklas Süle kann nur zuschauen.

(Foto: REUTERS)

Von Benedikt Warmbrunn

Timo Werner hatte nur noch Augen für den Ball. Drei, vier Schritte, immer noch blickte er nur auf den Ball, dann schoss er mit rechts. Und erst dann blickte Werner wieder nach oben. So sah er, dass der Ball auf dem Weg ins Tor war. Ein paar weitere Schritte, dann sah Werner schon nichts mehr, so eng hatten ihn die Mitspieler in die Arme genommen.

2:1 (1:1) gewann RB Leipzig am Sonntagabend gegen den FC Bayern, es war ein Erfolg der Leidenschaft über die teilweise zu behäbige Abgeklärtheit. Leipzig war die aktivere, die bessere Mannschaft, und das lag auch an Werner, nicht nur wegen dessen Treffer zum Endstand. Er war der Spieler, der die Münchner Defensive immer wieder mit seiner Dynamik auseinander riss. Für Leipzig war es der erste Punktgewinn gegen den FC Bayern. Für die Münchner war es die zweite Niederlage in den knapp fünf Monaten unter Jupp Heynckes.

"Es gibt solche Spiele, in denen man nicht so souverän auftritt", sagte der Trainer. "Der Gesamtauftritt war heute richtig klasse", sagte Leipzigs Sportdirektor Ralf Rangnick.

Schon einmal hatten die beiden Mannschaften in dieser Saison in Leipzig gegeneinander gespielt, im Oktober, in der zweiten Pokal-Runde. Der FC Bayern war damals in der Liga Tabellenzweiter, mit einem Punkt Vorsprung vor Leipzig. An diesem Pokalabend war Leipzig dynamisch, leidenschaftlich, dominant. Dennoch siegte München, im Elfmeterschießen. Es war vielleicht der Knackpunkt in dieser Saison. Drei Tage später gewann der FC Bayern zu Hause gegen Leipzig mühelos 2:0, der Widerstand war gebrochen. Durch den Sieg rückte der FC Bayern erstmals auf den ersten Tabellenplatz, den die Mannschaft seitdem nicht mehr hergegeben hat. Und den sie auch nicht mehr hergeben wird.

Nach den Siegen von Schalke und Dortmund am Wochenende wusste der FC Bayern zwar schon vor dem Anpfiff, dass ein Sieg nicht zum Titel reichen würde - das Team kann das nun in zwei Wochen nachholen, im Heimspiel gegen Dortmund. Bei nur noch 17 Punkten Vorsprung darf Schalke jedoch nicht gegen Freiburg gewinnen.

Vor dem dritten Saisonduell der beiden Klubs rotierten beide Trainer. Ralph Hasenhüttl schonte zunächst Werner, Jean-Kévin Augustin, Emil Forsberg und Willi Orban; bei den Gästen saßen unter anderem Robert Lewandowski, Franck Ribéry und Jérôme Boateng auf der Bank. Doch diese Schonmaßnahmen verhinderten nicht, dass es erneut ein unterhaltsamer Fußballabend wurde.

Wagner köpfelt die Münchner Führung

Hasenhüttl musste seine Elf bereits nach wenigen Minuten umstellen, für Marcel Sabitzer (Verletzung am Sprunggelenk) kam nach zehn Minuten Werner. Drei Minuten lang war der FC Bayern durch diese Verletzung in Überzahl, auch nach Werners Hereinnahme waren die Gastgeber zu weit weg von ihren Gegenspielern. Die routinierten Gäste nutzten das sofort aus. James Rodríguez flankte gefühlvoll in den Strafraum, wo drei Münchner frei standen. Sandro Wagner traf mit dem Kopf (12.). Für Leipzig war das Gegentor ein Zeichen, es wieder dynamisch und leidenschaftlich zu versuchen.

In den vergangenen Wochen hatte der FC Bayern immer wieder Phasen in seinen Partien, in denen es die Spieler sich gemütlich machten, in denen sie sich zu sicher fühlten. Zuletzt blieb das ohne nennenswerte Folgen. Nicht aber am Sonntag.

Die Bayern sind gedanklich nicht schnell genug

"Der Gegner war sehr aggressiv, sehr laufstark, hat sehr gutes Pressing gespielt", lobte Heynckes, "deswegen sind wir verdient als zweiter Sieger vom Platz gegangen."

Die Leipziger suchten konsequent den direkten Weg in den Strafraum, sie hielten sich nicht lange im Mittelfeld auf. Die teilweise arg behäbigen Münchner Verteidiger waren gedanklich nicht schnell genug, sie verließen sich auch zu sehr aufeinander. Doch verlassen konnten sie sich lange nur auf Torwart Sven Ulreich.

Der klagte später: "In der gesamten Defensive waren wir nicht so wach wie gewohnt."

Zwei Minuten nach der Führung machte Ulreich sich so breit, dass Yussuf Poulsen keinen Weg an ihm vorbei fand. Wenig später scheiterte Werner mit einem Kopfball an Ulreich (19.). Einen Freistoß von Bruma lenkte der Torwart über die Latte (27.); Sekunden später fälschte er einen Schuss von Werner so ab, dass Niklas Süle noch auf der Linie klären konnte. Erst in der 37. Minute war auch Ulreich machtlos.

Der FC Bayern war auf der linken Seite des eigenen Strafraums in der Überzahl, konnte den Ball aber nicht sichern. Naby Keita passte zu Werner, der traf nur Süle, den Nachschuss knallte Keita ins Tor. Es war der verdiente Ausgleich. Zur Halbzeitpause hatte Leipzig zwölf Mal aufs Tor geschossen, der FC Bayern einmal.

In der zweiten Halbzeit nahm der Gastgeber zunächst etwas Tempo aus der Partie, dadurch hatten die Gäste mehr Aktionen. Doch den Münchnern fehlte eine Idee für die Offensive. Leipzig dagegen spielte weiter so direkt wie möglich in den Strafraum. In der 56. Minute eröffnete Torwart Peter Gulasci mit einem langen Ball den Angriff, Süle klärte vor die Füße von Kampl, dann ging es wieder schnell. Ein Pass zu Keita, der spielte in den Lauf von Timo Werner. Der blickte nur auf den Ball - und traf.

Es war Werners erstes Tor in der Liga nach 543 Minuten.

Ribéry und Lewandowski werden eingewechselt - es bringt aber nichts

Für den FC Bayern war das Gegentor ein Zeichen, es mit dem Vertrauen auf die Routine besser nicht zu übertreiben. Heynckes wechselte Ribéry ein, der mehr Unruhe in der Leipziger Defensive verursachte. Wenige Minuten später kam Lewandowski für James, der erstmals mit Wagner einen Zwei-Mann-Sturm bildete. Doch viele Torchancen spielten sich die Gäste weiterhin nicht heraus. Hummels scheiterte einmal mit einem Schuss an Gulasci (62.), einmal verfehlte er mit einem Kopfball deutlich das Tor (84.).

Und so war es nun an Leipzig, die Führung routiniert über die Zeit zu retten.

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