Bayern-Niederlage gegen Gladbach:In die Magengrube

  • Der FC Bayern erlebt beim 0:2 gegen Gladbach die erste Heimniederlage in der Bundesliga seit fast einem Jahr.
  • Sorgen bereitet nicht nur die Ideenlosigkeit in der Offensive - sondern auch die Verletzung von Arjen Robben.
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Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Die Wege des Matthias Sammer sind schwer zu ergründen, das hat der Sportvorstand des FC Bayern mit dem Fußballgott gemein. Sollten der Erdenmensch Sammer und der Himmelswächter sich einmal zum Plausch treffen, kämen kostbare Erkenntnisse zustande - nur die Logik hätte es schwer. Hatte Sammer vor einigen Wochen noch gefordert, dass seine Mannschaft nun in den "Maschinenmodus" schalten solle, so überraschte er diesmal mit der Feststellung: "Wir müssen einsehen, dass unsere Spieler Menschen sind und keine Maschinen."

Und weil das so sei, folgerte Sammer, wolle er nach dem 0:2 (0:1) gegen Borussia Mönchengladbach "diesmal nicht den Mahner geben". Die Bayern sind tatsächlich aus Fleisch und Blut, sie haben vielleicht sogar menschliche Defizite und Sammer mahnt nicht mehr - woran bitteschön, lieber Fußballgott, soll der gemeine Beobachter noch glauben? Um der Metaphysik ein paar Fakten entgegenzusetzen, sei an dieser Stelle zusammenfassend gesagt: Der FC Bayern hat nach fast einem Jahr mal wieder ein Heimspiel in der Bundesliga verloren.

Der letzte Betriebsunfall dieser Art datiert vom 12. April 2014, als gegen Dortmund mit einem 0:3 die Larifari-Wochen eingeleitet wurden. Damals standen die Münchner bereits als Meister fest, diesmal ist es für Almosen an die Liga noch zu früh. Trainer Pep Guardiola mag mit seiner Aussage, man habe "immer noch eine Menge Vorsprung" auf den VfL Wolfsburg, recht haben (es sind komfortable zehn Punkte), aber Gründe zur Beunruhigung bestehen nach diesem kleinen Alarmspiel durchaus. Wegen der auffälligen Ideenlosigkeit der Mannschaft - und der Verletzung von Arjen Robben.

"Arjen fällt mehrere Wochen aus, das ist sehr ärgerlich für uns", sagte Sammer voller Bedenken, die genaue Diagnose hatte zuvor Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge verkündet: "Der Arzt hat gesagt: Er hat einen Bauchmuskelriss."

In die entscheidenden Wochen mit Spielen gegen Dortmund und Porto gehen die Bayern nun ohne ihren Besten. Passiert war die Blessur bei einem Duell mit Tony Jantschke, der den Niederländer im Mittelfeld im hohen Bogen über sein Grätschbein segeln ließ. "Ein normales taktisches Foul", räumte der Gladbacher später ein.

In Abwesenheit ihrer wichtigsten Phantasie-Zulieferer (auch Franck Ribéry fehlte) wirkte die Bayern-Offensive behäbig wie ein beladener Dampfer. 25:3 Flanken und 68 Prozent Ballbesitz sehen auf dem Papier deutlich aus - auf dem Platz aber war die Borussia ebenbürtig, die Gäste hatten sogar die besseren Chancen. Eine davon nutzte Raffael nach strittiger Einwurf-Situation und einer Hereingabe von Patrick Herrmann zum 0:1 (30. Minute). Ein Volleyschuss, der Manuel Neuer so klassisch durch die Finger rutschte, dass er zukünftig im Fußball-Lexikon unter "Schuss durch die Hosenträger" geführt werden sollte.

Schnödes Anschieben durch die Mitte

"Ich wollte ihn festhalten, um den Gladbachern nicht die Chance auf den Rebound zu geben", sagte der Torwart über diesen seltenen Fauxpas, "dabei wäre es besser gewesen, ihn einfach zur Seite zu boxen." Es war die erste Pointe dieses anspruchsvollen Spiels, das zwar wenige echte Höhepunkte bereithielt aber reichlich Getüftel aus der Taktikkiste.

Guardiolas Männern fiel gegen Gladbachs doppelte Viererreihe nicht mehr ein als schnödes Anschieben durch die Mitte oder hoch und weit aus dem Halbfeld. Bastian Schweinsteiger, der im Zentrum kaum Räume ausfindig machen konnte, stellte fest: "Wir hatten hinten Fehlverhalten bei den Gegentoren und haben vorne zu wenig Lösungen gefunden." Sein Kollege Holger Badstuber formulierte es ähnlich: "Wir hatten keine Durchstöße nach vorne."

So konnte die Borussia das umsetzen, was Trainer Lucien Favre sich überlegt hatte: ein enges Netz im Mittelfelf, Bälle klauen, rasant nach vorne flitzen. In Perfektion vorgeführt beim 0:2: Wieder durchschnitt Herrmann die Bayern-Defensive mit einem öffnenden Zuspiel zu Christoph Kramer - und der Weltmeister gönnte sich einen luftigen Slalomlauf, an dessen Ende erneut Raffael gegen Neuer verwandelte (77.).

Bedenklich gestaltete sich der Auftritt der Münchner auch in Sachen Tempo. Götze, Müller, Lewandowski - sie alle schlenderten herum, als ginge es mit dem Badehandtuch an die Isar.

Pünktlich zu Beginn der Schlussrunde dieser Saison erlebten die Münchner einen Fausthieb in die Magengrube. Ob man sich jetzt ernsthaft Sorgen machen muss? "Ach, ich weiß nicht", meinte Kapitän Philipp Lahm, "ich bin einfach enttäuscht über unsere Leistung." In der Tat: Selten hat man die Bayern so verwundbar gesehen. Die Frage ist: Bleibt es bei den Bauchschmerzen oder tut es bald richtig weh?

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