Bayern München:Souverän ist anders

Die neue Münchner Freiheit war das nicht: Gegen destruktive Gladbacher löst die Mannschaft von Jupp Heynckes nicht alle Blockaden, schafft aber dennoch einen verdienten 2:1-Erfolg.

Sebastian Gierke

Vor dem Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach war beim FC Bayern viel von Freiheit die Rede. Der Freiheit im Kopf. "Fesseln sollten gelöst werden" und "psychische Blockaden". "Freude und Emotionen" galt es zu wecken. Das alles hatte der neue alte Mann an der Seitenlinie versprochen. Jupp Heynckes, der Fußballlehrer, der in München ganz ohne Visionen innerhalb von fünf Tagen auch zu einer Art Messias wurde - direkt aus dem Vorruhestand.

Bayern München: Gibt die Richtung vor: Jupp Heynckes gewinnt sein erste Spiel mit Bayern.

Gibt die Richtung vor: Jupp Heynckes gewinnt sein erste Spiel mit Bayern.

(Foto: Foto: ddp)

Ein Messias von der bodenständigen, von der altmeisterlichen Sorte, zurückhaltend, der "alte Kumpel" wie in Uli Hoeneß nannte. Und man hatte das Gefühl, dass Heynckes tatsächlich der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt ist. Die Mannschaft wirkte in der vergangenen Woche regelrecht erleichtert. Die Stimmung sei überragend, sagte Kapitän Mark van Bommel. Und: "Der Trainer sagt uns, was wir tun müssen". Zwischen den Zeilen trat van Bommel da auch gegen Klinsmann nach, doch der Blick des Vereins, vom Manager bis zu den Spielern, schien wieder klar auf die Zukunft gerichtet.

Die zuallererst Mönchengladbach hieß. Mönchengladbach mit Trainer Hans Meyer, 66, der vor dem Spiel sagt, dass schnell klar werden würde, wer hier das modernere Spielsystem anbieten würde, Jupp Heynckes, 63, nämlich.

Gladbach wie Chelsea

"Beton anrühren", will Meyer und wählt eine defensive Aufstellung mit nur einem Stürmer, vergleicht das Spiel mit dem Champions League-Spiel Barcelona gegen Chelsea. "Wie viel Chancen hatte Chelsea? Und wie viele Stürmer", fragt er, um sich selbst die Antwort zu geben. "Drei Chancen, einen Stürmer, aber sie haben ihr Ziel erreicht und Unentschieden gespielt."

Damit ist die Ausgangslage klar. Der Versuch, die Blockade zu lösen auf Seiten der Bayern, Blockadepolitik bei Gladbach. Anrennende Bayern gegen auf Konter hoffende Gladbacher.

Die Bemühungen der Bayern wirken dabei nicht sonderlich befreit. Ein Kopfball von van Bommel, ein Schuss aus 18 Metern von Podolski: Das Projekt "Jupp rettet die Saison" nimmt nur schleppend Fahrt auf.

Doch der spielfreudige Phillip Lahm setzt erste Zeichen. In der 15. Minute wurschtelt er sich links durch, im Strafraum wird vielbeinig gestochert, bis Lukas Podolski die Gladbacher Abwehr hinter sich und nur noch den Torwart vor sich hat: Über das Tor.

Draußen gestikuliert Jupp Heynckes, redet auf Co-Trainer Hermann Gerland ein, der zwischen ihm und Hoeneß sitzt - und wirkt nicht sonderlich zufrieden. Dabei ist Bayern ständig in Ballbesitz, der Ball läuft sicher in den eigenen Reihen, gegen die bei Standardsituationen schwachen Gladbacher kommt die Mannschaft zu einigen Freistößen rund um den Sechzehner. Zu mehr jedoch nicht. Die Kreativität fehlt. Auch die Kreativität des gesperrten Franck Ribéry.

Und als Christian Lell, der auf der rechten Seite von Heynckes zunächst den Vorzug vor Massimo Oddo erhielt, eine Flanke unbedrängt hinter das Tor schlägt, sind auch die Piffe aus dem Publikum wieder da, das die Mannschaft bis dahin, anders als die Wochen zuvor, leidenschaftlich unterstützte.

Gelöste Blockadepolitik

Die Leichtigkeit, die Freiheit, die Freude, die Emotionen: nichts davon zu sehen. Doch es ist auch schwer, gegen die mit einer Art Fünferkette mehr reagierenden als agierenden Gladbacher. Auf der Tribühne gähnt im pinken Pulli: Franck Ribéry.

Für Heynckes war kaum eine schwierigere Premiere vorstellbar. Mit Mönchengladbach, seinem Heimatclub verbindet ihn immer noch eine enge emotionale Beziehung. Doch viel wichtiger: Verliert er mit Bayern das erste Heimspiel, ist die Meisterschaft wohl endgültig kein Thema mehr - und die Champions League in großer Gefahr. Und damit der Verbleib des besten Bayern-Spielers. Das Interesse des zuletzt lustlosen, unmotivierten Ribéry an München, schien sowieso mit jedem Spiel zu sinken. Der französischen Zeitung L'Equipe gab er zuletzt außerdem zu Protokoll: "Es wäre schwer für mich zu bleiben, wenn wir nicht unter die ersten zwei kommen."

Heynckes lächelt nicht

Das Hallo-Wach nach dem Ribéry-Gähner kommt dann von Lucio, der nach einer Zé Roberto-Ecke in der 32. Minute an den Pfosten köpft. Und plötzlich, in der 34. Minute war Chelsea-Mönchengladbach dann tatsächlich geschlagen. Toni setzt sich auf der rechten Seite gut durch, findet in der Mitte Bastian Schweinsteiger, der im Fallen und unter Bedrängnis den Ball im Tor unterbringt. Jetzt also: Freiheit, Freude, Emotion? Alle Dämme brechen, Bayern nicht mehr zu stoppen? Jupp Heynckes draußen gibt Anweisungen. Ohne ein Lächeln.

Drei Minuten später: Einen aus Bayern-Sicht unnötigen Freistoß nutzt Gladbach für den ersten gefährlichen Schuss aufs Bayern-Tor. Und Hans-Jörg Butt nutzt diesen Schuss für seinen ersten großen Fehler im Bayern-Tor: Er bekommt den Ball nicht zu fassen, fasst stattdessen in die Beine eines Gladbachers. Den berechtigten Elfmeter verwandelt Filip Daems zum Ausgleich. Jupp Heynckes draußen gibt gestikulierend Anweisungen.

Und plötzlich ist das Spiel völlig offen. Gladbach spielt mit. Für fünf Minuten. Dann setzt der engagierte Podolski mit einem wunderbaren Pass Hamit Altintop in Szene, der steht am Sechzehner frei und schießt präzise oben rechts in den Winkel. Heynckes lächelt immer noch nicht. Der Einsatz von Podolski hat sich aber gelohnt. Über den hatte Heynckes vor dem Spiel gesagt: "Wenn ich so einen linken Fuß gehabt hätte wie Lukas Podolski, hätte ich nicht 220 Bundesliga-Tore gemacht, sondern 500."

Ohne die alte Souveränität

In der Halbzeit nimmt Heynckes den wieder einmal enttäuschenden Christian Lell heraus, bringt Oddo. Der stellte sich mit einer Lell-Flanke vor. Ansonsten tut sich wenig. Die Gladbacher Mannschaft versucht - im Rahmen ihrer Möglichkeiten - etwas Torgefährliches zu unternehmen. Die Bayern verwalten das Spiel mit sicherem Passspiel, kommen gegen immer offensivere Gladbacher sogar zu einigen Chancen, die aber vor allem Luca Toni teils fahrlässig vergibt. Sogar mit der Hacke versucht es der Italiener - Freude, Emotion - scheitert aber kläglich. Doch Toni darf bleiben. Heynckes wechselt Podolski aus und bringt den 19-jährigen Thomas Müller.

Man spürt jetzt auch Nervosität, die Bayern versuchen das Spiel über die Zeit zu bringen. Die alte Bayern-Souveränität - noch ist sie nicht zurück. Vor allem daran muss Jupp Heynckes mit den Spielern arbeiten. "Wir müssen noch mehr Ruhe reinbringen und uns noch besser untereinander abstimmen", sagt Bastian Schweinsteiger nach dem 2:1-Sieg. Und Heynckes fordert sogar: "Wir müssen uns noch gewaltig steigern." Er hat Recht. Denn nur dann ist für die Bayern in dieser Saison noch etwas möglich. Ein versöhnlicher Abschluss zumindest. Oder sogar die Meisterschaft. Vielleicht auch, Franck Ribéry zu halten. Der diskutiert gegen Ende des Spiels auf der Tribühne über die vergebenen Chancen. Voll engagiert.

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