Bayern-Gegner Turin:Juventus ist listig, nicht lustig

Mg Torino 13 12 2015 campionato di calcio serie A Juventus Fiorentina foto Matteo Gribaudi Ima

Mario Mandzukic, einst beim FC Bayern aktiv, glückte am Wochenende, beim 3:1 gegen den AC Florenz, in der 80. Minute das 2:1 für Juventus Turin.

(Foto: ImagePhoto/Imago)

Auf den FC Bayern wartet im Achtelfinale der Champions League ein Gegner, der gefährlich ist: Juventus Turin hat seine Identitätskrise überwunden.

Von Birgit Schönau, Rom

Juventus also, die eiserne Lady. Nicht schön, aber aufrecht, nicht lustig, aber listig, äußerlich geschmeidig, innen beinhart. Wieso Franz Beckenbauer angesichts eines solchen Drachens in Vorfreude mit der Zunge schnalzen möchte, bleibt also sein Geheimnis.

Für die Bayern sei es ein Vorteil, zunächst in Turin zu spielen, damit sie den Achtelfinal-Gegner erst kennenlernen können, mutmaßte Beckenbauer noch. Kennenlernen? Das klingt nach sehr viel Selbstvertrauen, angesichts einer Signora, die die stärksten Charmeoffensiven mit erhobenen Augenbrauen an sich abperlen lässt. Sicher, zuletzt hatte der deutsche Rekordmeister gegen die Kollegen aus Turin eher leichtes Spiel (mit zwei glatten 2:0-Siegen 2013), was aber auch daran lag, dass Juve nach dem Wiederaufstieg in die erste Liga ein paar Jahre brauchte, um auf europäischer Bühne wieder Tritt zu fassen.

Es folgten vier Meistertitel seit 2012 und der sensationelle Einzug ins Champions-League-Finale von Berlin, wo die etwas bejahrte Truppe des neuen Trainers Massimiliano Allegri gegen die Außerirdischen vom FC Barcelona wider Erwarten gar keine schlechte Figur machte.

Nach dem Finale gingen Andrea Pirlo (nach New York), Carlos Tévez (nach Argentinien) und Arturo Vidal (zum FC Bayern). Aus Madrid kamen Sami Khedira (von Real) und der Ex-Bayer Mario Mandzukic vom Lokalrivalen Atlético - und erlebten Juves schlechtesten Saisonstart seit 103 Jahren. Nichts ging mehr, weder im eigenen, dauer-ausverkauften Stadion, noch bei jenen Gegnern in der italienischen Fußballprovinz, die ihr Glück gar nicht fassen konnten.

Juventus krebste auf einem Abstiegsplatz, die Musik spielte endlich mal woanders, in Rom, Florenz und Neapel, wo kreativer, wilder Fußball gespielt wurde, wie es die Tifosi nach der langen Juve-Tyrannei ersehnt hatten. In der Champions League aber hielten die Turiner Kurs und setzten sich in der starken Gruppe mit Mönchengladbach als Zweite durch.

Bald ging's auch in der Serie A wieder nach oben. Ein paar Wochen nur dauerte die Identitätskrise, dann schluckte man die Demütigungen hinunter und begann wieder, Punkte zu sammeln. Am Sonntagabend holte Juve gegen den tapferen, aber kurzatmigen AC Florenz des Ex-Dortmunders Paulo Sousa den sechsten Sieg in Serie, ein 3:1 nach frühem Rückstand durch Foulelfmeter in der 3. Minute. Für Juventus trafen Juan Cuadrado, Manduzkic und Paulo Dybala, drei Neue also, die nach den Anfangsschwierigkeiten perfekt integriert zu sein scheinen.

Mannschaftsdienlich und ohne Schnörkel

Alle spielen überaus mannschaftsdienlich und ohne Schnörkel eine Neuauflage jenes pragmatischen Effizienzfußballs, den Allegri in Ermangelung überragender Protagonisten schon in seinem ersten Jahr als Cheftrainer gezeigt hatte. Der alte Rivale und derzeitige Tabellenführer Inter Mailand spielt übrigens genauso. Noch hat Inter sechs Punkte Vorsprung vor Juve auf Platz vier.

Guardiola warnt: "Sie wollen nur gewinnen, gewinnen, gewinnen."

"Solide" sei die Leistung gegen die Fiorentina gewesen, kommentierte der Juve-Coach einsilbig, der Erfolg sei "verdient", und mit diesen beiden Vokabeln wäre dann auch schon alles beschrieben, was den unaufhaltsamen Aufstieg der Turiner ausmacht. Das Dribbeln, Pinseln und Tänzeln überlässt man gern den anderen, lieber setzt das von den Routiniers Gianluigi Buffon und Giorgio Chiellini angeführte Team auf Sekundärtugenden wie taktische Disziplin und Körpereinsatz, letzterer in bewährter Manier und auch ohne Arturo Vidal gern ein wenig ruppig.

Khedira, der nach längerer Verletzungspause zurückkehrte, hat den Pirlo-Part übernommen. Er macht das gut, nur die Freistöße sitzen noch nicht wie beim obsessiv kalkulierenden Maestro, und der Bart ist natürlich bei weitem nicht so interessant. Den Künstlerpart in der Ballarbeitertruppe hält weiter der Franzose Paul Pogba, der inzwischen die Trikotnummer 10 tragen darf, sein Talent aber nicht gerade verschwenderisch einsetzt. Gegen die Fiorentina reichte ein geniales Zuspiel für Dybala, gegen die Bayern darf es dann gern ein wenig mehr sein.

Wenn die heimatliche Erfolgsserie anhalten sollte, könnte Juventus für Bayern München ein gefährlicher Gegner werden. Saisonziel Nummer eins ist jetzt der fünfte Meistertitel, mit dem Präsident Andrea Agnelli an die Erfolge von Großvater Edoardo in den 1930er Jahren anknüpfen könnte. Darüber, dass man die Sensation des vergangenen Frühjahrs wiederholen und erneut zu den besten Mannschaften Europas aufschließen könnte, macht man sich in Turin kaum Illusionen. In der Champions League zu überwintern, sei das Wichtigste, nicht nur für die Bilanz, lässt Agnelli wissen. Alles andere käme dann schon als Sahnehäubchen. Zumal es nicht unehrenhaft wäre, gegen die Bayern auszuscheiden.

Deren Trainer Pep Guardiola aber warnte: "Sie wollen immer nur gewinnen, gewinnen und gewinnen." Na so was! Guardiola steht schon im Hinspiel gewaltig unter Druck, schließlich will er dieses Jahr endlich dorthin, wo Juve im vergangenen Juni war: Ins Finale.

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