Bayern-Gegner Olympique Marseille:Schrecklicher als Inter Mailand

Bei all den schlimmen Prognosen, die Olympique Marseille vor dem Duell mit dem FC Bayern begleiten, bleibt die Frage: Wie hat es dieser Klub ins Champions-League-Viertelfinale geschafft? Es genügt ein kurzer Blick zurück - zu Marseilles Spielen gegen Dortmund und Mailand.

Carsten Eberts, Marseille

Das "Stade Vélodrome" im Süden von Marseille, nahe der Metrostation "Rond-Point-du-Prado", ist ein interessantes Gebilde. Aus größerer Entfernung sieht es ziemlich grau aus, wer genau hinblickt, entdeckt zwei weitere Farbschichten: hellgrau und dunkelgrau. Nicht zu vergessen die langen Aluminiumplatten an der Rückseite der Haupttribüne, die wohl vor der einstrahlenden Sonne schützen sollen. Deren Farbe übrigens: grau.

Olympique Marseille Brandao celebrates with teammates after scoring against Inter Milan during their Champions League soccer match round of 16 second leg at Giuseppe Meazza stadium in Milan

Brandão (rechts) feiert nach seinem Treffer gegen Inter Mailand, der Olympique Marseille den Einzug ins Viertelfinale sicherte.

(Foto: REUTERS)

Farbenfroher sind auch die Prognosen nicht, die Olympique Marseille vor dem Champions-League-Duell gegen den FC Bayern (20:45 Uhr, Liveticker auf SZ.de) begleiten. Dem Klub geht es sportlich schlecht, in der Liga hat "OM" 20 Punkte Rückstand auf den Tabellenführer Montpellier, im französischen Pokal war in der vergangenen Woche ebenfalls Schluss, nach einem 2:3 gegen den Drittligisten Quevilly, was in Frankreich für großes Gelächter sorgte.

Hinzu kommen große Personalsorgen. Vor wenigen Tagen gegen Nizza riss Innenverteidiger Souleymane Diawara nach sechs Minuten das Kreuzband, Stammtorwart Stéve Mandanda ist zudem gesperrt. Für ihn wird Trainer Didier Deschamps jedoch nicht etwa Ersatzmann Gennaro Bracigliano aufbieten, der im Pokalspiel gehörig patzte. Sondern den dritten Keeper Elinton Andrade, 32, der international höchst unerfahren ist. "Was ist schon ein Risiko?", fragte Trainer Didier Deschamps auf der abschließenden Pressekonferenz lakonisch, "der Stammtorwart steht halt nicht zur Verfügung."

Diese Mannschaft soll also den FC Bayern gefährden? Selbst die eigenen Fans scheinen nicht dran zu glauben. "Vorsicht, wir sinken", riefen die Fanklubs von Olympique ihre Mitglieder nach den letzten Auftritten auf, gegen die Bayern doch besser mit Schwimmwesten ins Stadion zu kommen. Wie viel daran Scherz und wie viel echte Sorge war, blieb ungewiss. Jedenfalls, so glauben viele, dürfte die Zukunft von Deschamps von dieser Partie abhängen.

Unterschätzen werden die Bayern ihren Gegner trotzdem nicht. Es genügt schließlich ein Blick in die einschlägigen Fußballdatenbanken. Als Suchzeitraum reichen acht Monate, um zu sehen, wie unangenehm die Franzosen für größere Gegner sein können.

Mit Beinen, Oberkörpern und Köpfen

In der Vorrundengruppe F ließ "OM" zunächst dem deutschen Meister Borussia Dortmund mit unerwartet abgebrühtem Spiel keine Chance (3:0 in Marseille). Im Rückspiel dann führte Dortmund durch Tore von Jakub Blaszczykowksi und Mats Hummels bereits 2:0, ehe Marseille die Partie in den Schlussminuten noch zu einem 3:2 drehte. Im Achtelfinale gegen Inter Mailand gewann Olympique das Hinspiel 1:0, ehe im Rückspiel Stürmer Brandão in der zweiten Minute der Nachspielzeit das wichtige 1:1 erzielte. Inter schoss zwar noch das 2:1, schied aber dennoch aus.

"Die Spieler haben die Siege von Marseille gegen Dortmund gesehen", sagte Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge vor dem Abflug der Münchner nach Marseille: "Das sollte uns Warnung genug sein."

Die Achtelfinalspiele gegen Mailand erwähnte Rummenigge in diesem Zusammenhang nicht - wohl aus gutem Grund. Denn das Marseille, das im Herbst 2011 noch den BVB schlug, ist nicht mehr das Marseille von heute. In der Winterpause verließ der Argentinier Lucho González den Klub in Richtung Porto, der das Spiel von Olympique bis dahin dirigierte und an guten Tagen auf eine andere Stufe hob.

Seitdem setzt sich der Trainer Deschamps immer wieder nachgesagte Effizienzfußball durch, was nicht gerade als Lob gemeint ist. "OM" mauert und kontert gerne, jedenfalls so lange, bis die Defensive einen ihrer berüchtigten Böcke schießt. So auch gegen Inter. Wirklich verdient war das Weiterkommen der Franzosen nicht, man könnte gar sagen: "OM" schaffte es in zwei Spielen, noch schrecklicher aufzutreten als Inter Mailand selbst.

In der ersten Partie agierte Marseille passabel, im Rückspiel hätten die Franzosen vier, fünf Gegentore kassieren müssen - doch sie warfen sich immer wieder in die Mailänder Schüsse, mit Beinen, Oberkörpern und Köpfen, hielten ihren Klub somit im Spiel. Dann schoss Ersatzstürmer Brandão, der früher wegen seines eigenartigen Laufstils und seiner kuriosen Art der Ballbehandlung verlacht worden war, das erlösende Tor.

"Nur gute Mannschaften kommen in der Champions League weiter", warnte trotzdem Thomas Müller im Stil eines freundlichen, wohlwollenden Gastes. Den Bayern käme es gelegen, hätte Müller auch in diesem Fall recht - die Münchner sollten nämlich die bessere Manschaft haben.

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