Bayern-Gegner Olympique Lyon:Ein teurer Traum im zugigen Stadion

Mit neuer Arena und neuem Coach will Präsident Aulas Olympique Lyon an die europäische Spitze führen - nun wackelt die Vorherrschaft in Frankreich.

Josef Kelnberger

Beim Besuch in der Münchner Arena hat Jean-Michel Aulas, den Präsidenten von Olympique Lyon, wieder einmal die Wut gepackt. Es ärgerte ihn nicht das 1:1 im Hinspiel der Champions League bei den Bayern, nein: Er will endlich auch so ein Stadion haben. 60.000 Zuschauer soll es fassen, und wenn nicht in spätestens zwei Jahren die Bagger anrollen, dann, so erklärte er einem kleinen Kreis französischer Journalisten in München, sollen sie sehen, wie sie ohne ihn zurechtkommen in Lyon.

Bayern-Gegner Olympique Lyon: Die Lyon-Spieler Karim Benzema (links) und Jean Makoun.

Die Lyon-Spieler Karim Benzema (links) und Jean Makoun.

(Foto: Foto: AFP)

Dann werde er sein Amt hinschmeißen. Dann werde er das Projekt namens "Grand Stade" samt Trainingszentrum, Hotel, Shopping Mall, Freizeitpark eben irgendwo anders in Frankreich hinstellen. "Ich werde das durchziehen", sagte er. Die Botschaft galt Kommunalpolitikern, Bürgerinitiativen, kritischen Journalisten daheim in Lyon, Menschen also, die Aulas für Kleingeister hält.

In Lyon hielt sich die Betroffenheit in Grenzen. Sie kennen ihren Präsidenten und seinen Ehrgeiz. Und als Polterer ist er ebenso berüchtigt wie Uli Hoeneß, der als Bayern-Manager in München eine ähnliche Rolle spielt wie Aulas in Lyon, bloß dass er, anders als Aulas, die Champions League schon einmal gewonnen hat - und außerdem nicht auch noch eigenes Geld investiert für seinen Traum, Europas Fußball zu beherrschen.

Aulas, 59, Gründer der Firma CEGID, die mit der Entwicklung von Management-Software zum Konzern aufstieg, hat den Verein 1987 übernommen. Olympique Lyon, OL, solle zur Nummer eins in Europa werden, erklärte Aulas damals. Doch es reichte nur zu Frankreichs Nummer eins. Sieben Titel am Stück hat OL zuletzt gewonnen, in der Champions League kam man über das Viertelfinale nicht hinaus.

Um mit Engländern, Italienern, Spaniern zu konkurrieren, brauche er mehr Geld, glaubt der Präsident. Er will es mit seinem "Grand Stade" erwirtschaften. Bis zu 450 Millionen Euro soll der Verein für den Bau aufbringen. Etwa 180 Millionen müsste die Stadt Lyon für Erschließung und Anbindung zahlen. Gérard Collomb, der sozialistische Bürgermeister, unterstützt das Projekt, aber im Stadtrat gibt es Widerstände, die es nun zu brechen gilt. Das neueste Argument ist: nationales Interesse.

Von Präsident Sarkozy und Sportminister Laporte beauftragt, hat Staatssekretär Besson kürzlich seinen Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit des französischen Fußballs veröffentlicht. Der Kernpunkt: Frankreich braucht dringend neue, moderne Stadien; die rechtlichen Voraussetzung für von Vereinen gebaute und vom Staat mit der Infrastruktur versehene Projekte seien schleunigst zu schaffen.

Ein teurer Traum im zugigen Stadion

Kritiker schrieben, der Regierungsbericht müsse aus der Feder von Aulas und anderen Klubpräsidenten stammen. In der Tat zeigt der Vorgang, wie eng verflochten in Frankreich Staat, Wirtschaft und Sport sind. Eine homogene Elite wechselt problemlos von einem Bereich zum nächsten, und eine Hand wäscht die andere.

Staatssekretär Éric Besson, Sarkozys Geheimwaffe, machte bei den Sozialisten Karriere und stand, bevor er 2007 das Lager wechselte, kurz davor, Anteile am FC Nantes zu kaufen. Er kennt das Fußball-Milieu. Aulas wiederum kam 1987 auf Empfehlung von Bernard Tapie ins Präsidentenamt bei OL. Tapie: sozialistischer Spitzenpolitiker, Multi-Unternehmer, Eigner von Olympique Marseille - und berüchtigt für seine Korruptionsaffären.

Olympique Marseille hat unter Tapie 1993 als letzter französischer Klub die Champions League gewonnen. Aulas allerdings darf man, obwohl er Tapie nachfolgen will, nicht in den gleichen Topf werfen. Er hat den Verein entschuldet, ihm neue Einnahmequellen erschlossen und als ersten französischen Klub an die Börse gebracht (wobei er dafür politische Unterstützung bis hinein in die Regierung mobilisierte).

Anders als bei den großen Konkurrenten, Paris Saint-Germain und Marseille, ist unter Aulas in Lyon kein Geld sinnlos verpulvert worden. Der Stadionbau soll die Entwicklung nun ebenso absichern wie, auf sportlichem Gebiet, die Installierung eines Teammanagers. Noch eine Analogie zum FC Bayern: Während die Münchner nach Gewinn von Meisterschaft und Pokal Ottmar Hitzfeld durch Jürgen Klinsmann ersetzten, feuerte Aulas trotz des Double-Gewinns den Coach Alain Perrin und holte Claude Puel, der den OSC Lille in die Champions League geführt hatte. Puel soll, wie Klinsmann, das Team auf europäisches Spitzenniveau bringen.

"Ein Casting-Fehler" sei ihm mit Perrin unterlaufen, sagte Aulas ungerührt. Allerdings hat sein Wunschtrainer ähnliche Probleme wie Klinsmann: Er gilt als Verfechter von Tempo und Physis, muss aber nun, obwohl als Teammanager britischer Prägung mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, mit einem Kader zurechtkommen, den er nicht zusammengestellt hat und der nun fragt: Warum anders spielen, nach sieben Meistertiteln?

Vornehmlich der brasilianische Spielmacher Juninho gilt nicht direkt als Tempobolzer. Zudem zurückgeworfen von einer Verletzungsserie, hat OL zuletzt drei Ligaspiele nicht gewonnen. Der Kampf um Gruppenplatz eins gegen die Bayern ist deshalb in den Hintergrund gerückt. Abwehrchef Cris und Juninho fehlen ohnehin gelbgesperrt, und vermutlich wird auch Stürmer Karim Benzema geschont für das Ligaspiel am Sonntag. Im zugigen Stade Gerland gastiert Olympique Marseille, der Tabellenzweite. Es geht um die Vorherrschaft in Frankreich; Europa und das Grand Stade werden ganz weit weg sein.

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