Bayern-Gegner Manchester United:Elf aus 99

Manchester United's Rooney reacts during their English Premier League soccer match against Manchester City in Manchester

Wayne Rooney: Erlebte schon bessere Zeiten

(Foto: Phil Noble/Reuters)

Vor dem Vergleich mit den Bayern spricht wenig für die Auswahl von Manchester United: Das Team ist überaltert, die Hierarchie wankt und Wayne Rooney ist auch nicht mehr Avantgarde. Hoffnung spendet nur die Historie.

Von Raphael Honigstein, Manchester

1999: Diese Jahreszahl löst bei Manchester United immer noch große Emotionen aus. "Ich habe erst kürzlich wieder das Video von dem Match gesehen. Ich fand es zu 100 Prozent inspirierend", erzählte Rechtsverteidiger Rafael da Silva am Samstag. Schließlich stecke in der Geschichte vom 2:1-Sieg gegen den FC Bayern im Champions-League-Finale vor 15 Jahren ja eine gute Lektion für die Gegenwart, fand der Brasilianer: "Die Bayern sind besser. Aber wie man '99 gesehen hat: Alles ist möglich." Übersetzt heißt das aber auch: Gegen Pep Guardiolas Dauergewinner muss ein Fußballwunder her.

United-Trainer David Moyes warnte zwar davor, dass Old Trafford noch immer ein Ort sei, "an den man nicht gerne kommt", doch im sogenannten "Theater der Träume" wurden in dieser Saison meist die Wünsche der Gegner wahr. Die Derbys gegen Manchester City und Liverpool gingen 0:3 verloren, nur neun von 16 Heimspielen in der Liga wurden gewonnen.

Mittlerweile hat sich auch beim englischen Meister selbst die ernüchternde Einsicht durchgesetzt, dass Platz sieben in der Tabelle dem Leistungsstand ziemlich adäquat entspricht. "Die Bayern sind der Favorit, weil sie ein superbes Team voller individueller Klasse haben", sagt Verteidiger Phil Jones.

Jones' Vorgesetzter macht seit Wochen öffentlich die fehlende Qualität in dem überalterten Team für den Misserfolg verantwortlich. In der Innenverteidigung werden am Dienstag voraussichtlich Rio Ferdinand, 35, und Nemanja Vidic, 32, auflaufen, Veteran Ryan Giggs, 40, darf sich ob der dürftigen Alternativen im Mittelfeld ebenfalls Hoffnung auf einen Startplatz machen. "Auch für Sir Alex Ferguson wäre es hier eine schwere Saison geworden", behauptete Moyes kürzlich.

Mit der permanenten Geringschätzung der jetzigen Mannschaft hat der 50 Jahre alte Schotte sein ohnehin schwaches Standing nicht verbessern können. Doch in der Sache geben ihm viele Recht. Nicht 1999, sondern vielmehr 2010, das Datum des letzten Aufeinandertreffens mit den Münchnern, sei aus Uniteds Sicht von zentraler Bedeutung, merkt der Daily Telegraph an: "Damals fingen die Kräfteverhältnisse an, sich zu verschieben. Bayern erreichte drei Champions-League-Endspiele in den nächsten vier Jahren, während United unaufhaltsam den heutigen Problemen des veralteten Kaders entgegentaumelte."

Schleichender Verfall von Wayne Rooney

Das Viertelfinale gegen Louis van Gaals Elf vor vier Jahren markiert auch für Wayne Rooney, der in Abwesenheit des verletzten Stürmerkollegen Robin van Persie der einzige verbliebene Weltklassespieler der Gastgeber ist, den Anfang eines schleichenden Verfalls. Der Nationalheilige, 28, verletzte sich im Hinspiel in der Münchner Arena am Sprunggelenk, kam vorschnell zu einem Comeback und spielte danach bei der WM miserabel. Ein Teil seiner explosiven Antrittsschnelligkeit, die für sein Instinkt-gesteuertes Spiel unabdingbar ist, ging Rooney in jenem Jahr verloren.

Im Oktober 2010 unterschrieb er nach einem monatelangen Flirt mit den Nachbarn von City einen neuen Vertrag bei United. Das Schema wiederholte sich vor ein paar Wochen; dieses Mal hatten zunächst die Bayern (im vergangenen Sommer) und dann Real Madrid als vermeintliche Interessenten herhalten müssen. In Wahrheit gab es außerhalb des Vereinigten Königreich jedoch keinen Markt für den mittlerweile mit 19 Millionen Euro im Jahr entlohnten Angreifer. Zu schwankend sind die Leistungen, zu unseriös ist die Lebensführung. Ferguson verschrieb Rooney wiederholt spezielle Fitnessprogramme.

Beim 4:1-Sieg gegen Aston Villa am Wochenende zeigte sich Rooney in guter Verfassung, seine beiden Tore widmete er später dem viel kritisierten Trainer. Das Verhältnis der beiden gilt jedoch als gespalten. Moyes stieß dem Spieler in der Sommerpause unnötig vor den Kopf, als er ihn durch die Blume zum Ersatzmann von van Persie ("wenn ihm etwas passiert, brauchen wir Wayne") degradierte; Rooneys Berater nutzten den Affront gekonnt aus, um mit einem Abschied zu drohen.

Als im August die Bemühungen scheiterten, einen echten Superstar zu verpflichten, musste Rooney unbedingt gehalten werden. Er wurde bis 2019 an den Klub gebunden und soll nach dem Abschied von Vidic zu Inter Mailand im kommenden Sommer der neue Kapitän werden. Ob Rooney es schafft, die von der Generation um Giggs, Paul Scholes und Gary Neville jahrzehntelang kultivierte Siegermentalität an jüngere Kicker weiterzugeben, steht jedoch auf einem anderen Blatt.

Im Moment stimmt unter Moyes Führung jedenfalls neben der taktischen Balance auch das soziale Gefüge nicht. Die älteren Spieler sind auf dem Platz zu schwach, um als Korrektiv zu wirken, und die Legenden a.D. um Roy Keane können dem Niedergang ihres Klubs nur noch von außen zusehen. Einige von ihnen wünschen sich mehr Mitsprache im Verein und nennen hinter vorgehaltener Hand den FC Bayern als Vorbild. Ein Fußballwunder wie 1999 wäre, so ist aus dem Umfeld eines einflussreichen ehemaligen Spielers zu hören, zwar schön, aber in der momentanen Lage vielleicht sogar kontraproduktiv.

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