Bayern-Gegner in der Champions League:AS Rom entdeckt das Tempo

Roma vs Chievo

Jubiliert wieder: Francesco Totti.

(Foto: dpa)

Viel Ballbesitz und pfeilschnelle Kombinationen. Die Taktik des Hauptstadtklubs AS Rom ist nicht neu, aber für italienische Verhältnisse revolutionär. Vor dem Spiel gegen den FC Bayern glänzt das Team wieder.

Von Birgit Schönau, Rom

Es war ein großer Spaß, und er währte eine gute halbe Stunde. Ein Kopfball von Mattia Destro: 1:0. Eine 30-Meter-Flanke von Francesco Totti auf den Fuß von Adem Ljajic, der einen Gegenspieler umkurvte und zielsicher abzog: 2:0. Schließlich der Elfmeter von Totti, cool unter die Latte geschossen: 3:0. Die Roma hätte jetzt noch weiter Tore schießen können, so wie der FC Bayern gegen Bremen, aber wozu die Zwerge von Chievo Verona unnötig demütigen, wenn man die Zeit für eine gemütliche Trainingseinheit nutzen kann? Schließlich gibt es wichtigere Gegner: die Bayern am Dienstag, das Gespenst Juventus Turin im Nacken.

Gegen den Titelverteidiger hatte der AS Rom vor zwei Wochen in Turin 2:3 verloren, eine Partie mit drei Elfmetern und einem nicht enden wollenden Nachspiel der Verschwörungstheorien, Verdächtigungen und Schuldzuweisungen. Sogar das Parlament und die Börsenaufsicht waren von enttäuschten Roma-Anhängern eingeschaltet worden, hielten sich aber zum Glück bislang vornehm zurück.

Anders als Totti: "Wir werden sowieso wieder nur Zweiter, das steht ja schon fest." Auch Roma-Torwart Morgan De Sanctis befeuerte die Komplotttheorie: "Gegenüber Juventus existiert eine gewisse Unterwürfigkeit der Schiedsrichter. Die gewinnen dauernd in Italien und nie internationale Trophäen. Seltsam." Und Trainer Rudi Garcia beklagte sich noch am Tag vor dem Spiel gegen Chievo über den Empfang in Turin: "Eine Schande."

Nun, Schweigen wäre Gold gewesen. Dass der AS Rom zurzeit den besten Fußball in Italien spielt, kann ja eigentlich jeder sehen, der Augen im Kopf hat. Auch Juve trat am Samstag gegen einen Zwerg aus dem Tabellenkeller an, mühsam erkrabbelte sich der Tabellenführer gegen US Sassuolo ein 1:1. Der Abstand zur Roma beträgt nur noch einen Punkt, und natürlich eine ganze Sphäre, fußballphilosophisch betrachtet.

Ballbesitz und pfeilschnelle Kombinationen, Garcias Taktik ist gar nicht neu, für italienische Verhältnisse aber immer noch revolutionär. Sein Team spielt gegen Chievo wie gegen Manchester City, auch gegen die Bayern werden sie ihre Gangart nicht ändern. Was natürlich erst recht etwas ganz Neues ist, für italienische Mannschaften, die gemeinhin ihr Spiel so nüchtern gestalten wie neuerdings Schalke 04 und gegen technisch überlegene Teams immer noch in Angststarre verfallen.

Totti verfolgt Baggio

Doch gleichgültig, ob die Roma gegen die Großen (außer ihr nur noch Juve) oder die Kleinen antritt, es wird Fußball gespielt, das Spektakel gesucht, sogar die Sensation. Kein anderes Team der Serie A ist derart eingespielt, keine andere Mannschaft zeigt so viel Freude am Spiel. "Wir haben stark angefangen und viel Charakter gezeigt, das ist wichtig für das, was auf uns zukommt", sagte Totti, der soeben sein 237. Roma-Tor in der Serie A erzielt hatte und Elfmeter-Rekordhalter Roberto Baggio nahe gerückt ist: Baggio verbuchte 68 Strafstoß-Treffer, Totti hat nun 66. Eine volle Stunde absolvierte der 38-jährige Kapitän, bevor er den Platz unter standing ovations verließ und sich auf der Bank einen Eisbeutel unter das schmerzende Knie presste.

Eigentlich hätte Totti im Hinblick auf die Champions League eine Pause gebraucht, doch Garcia erklärte verschmitzt: "Die Partie war zu wichtig, um auf den capitano zu verzichten." Zu wichtig, um Juve zu zeigen, wo der Hammer hängt. Zu wichtig, um nach den Debatten wieder Harmonie ins Team zu bringen. Und die Fans zu beruhigen. Beim Gegner war hinterher weniger Harmonie, Chievo entließ noch am Sonntag Trainer Eugenio Corini.

Statt Totti saß erstmals der Ivorer Gervinho auf die Bank - er soll am Dienstag all seine Energie aufbieten und die Abwehr des FC Bayern in Panik versetzen. Der Kapitän verteilt die Bälle, Gervinho aber ist der gefährlichste Mann der Roma, er ist schnell, unberechenbar und konditionsstark. Ein Ausnahmetalent, das von Garcia entdeckt, gehegt und gepflegt wurde. Und das inzwischen in jeder europäischen Spitzenmannschaft brillieren könnte.

Gegen die Bayern will der AS Rom eine Leistung auf Augenhöhe bieten. Ein kleines bisschen Rachsucht gegen den abtrünnigen Mehdi Benatia wird schon auch dabei sein. Man möchte halt seinen Spaß haben. Auch wenn's ernst wird.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: