Bayern-Gegner AS Rom:In der Höhle der Römerfresser

Training AS Rom Champions League

Vorbereitung auf das zweite Duell: Francesco Totti (2.v.r) und der AS Rom.

(Foto: dpa)

Die Welt ist nicht mehr dieselbe beim AS Rom nach dem 1:7 gegen die Bayern. Der stolze Hauptstadtklub ist schwer gezeichnet. Immerhin hat sich Klubpräsident Pallotta ein apartes Ablenkungsmanöver einfallen lassen.

Von Birgit Schönau, Rom

Wenn es stimmt, dass Rom nicht an einem Tag erbaut wurde, so kann sich doch innerhalb von zwei Wochen in dieser uralten Stadt eine ganze Welt verändern. Ein einziges Spiel hat bei der Associazione Sportiva Roma und ihrer Anhängerschaft eine neue Zeitrechnung eingeführt: v. B. und n. B., vor den Bayern und nach den Bayern.

Vor der demütigenden 1:7-Klatsche am 21. Oktober spielte die Roma unter Anleitung ihres franco-spanischen Trainers Rudi Garcia einen luftigen, leichten, lustvollen Fußball, der über die Stadt hinaus das Land eroberte und den Klub der Kapitale über allen anderen schweben ließ - mit Ausnahme der ewigen Rivalin Juventus Turin. Doch während Juve den alten, italienischen Effizienzfußball mit noch mehr Kraftanstrengung und noch weniger technischer Finesse verkörperte, verhieß die Roma etwas ganz Neues: wie man sich in der heruntergekommenen, immer noch beinharten Serie A mit schönem Offensivspiel, rasanten Kombinationen und verspielten Kunststückchen durchsetzt.

Inzwischen aber ist die Ära n. B. angebrochen, nach den Bayern. Und es wirkt so, als hätten sich die Römer bei der schwersten Europapokal-Heimniederlage ihrer Geschichte schwer die Flügel verbrannt. Drei Ligaspiele gab es seitdem, ein torloses Unentschieden gegen Sampdoria Genua, einen leichten 2:0-Sieg gegen Aufsteiger Cesena und am Samstag ein dröhnendes 0:2 in Neapel beim SSC. Dröhnend deshalb, weil der AS Rom den Neapolitanern so gut wie nichts entgegenzusetzen hatte, mit ein wenig mehr Zielsicherheit und Fortüne hätte der SSC Neapel leicht noch mehr Tore schießen können.

Denn der AS Rom wiederholte stoisch jene Fehler, die er der Welt bereits gegen die Bayern gezeigt hatte - die Abwehr um Vasilis Torosidis, Konstantinos Manolas und José Holebas führte ihre eigene griechische Tragödie auf, indem sie die furios angreifenden Neapolitaner so schicksalsergeben hinnahmen wie eine Naturkatastrophe. Im Mittelfeld waren Radja Nainggolan, Seydou Keita und Miralem Pjanic viel zu sehr damit beschäftigt, die Gegner aufzuhalten, als dass sie Offensivarbeit hätten leisten können - und von Attacke war bis auf ein paar harmlose Dribbelversuche des notorischen Gervinho nichts zu sehen.

Aus Niederlagen lernt man, heißt es. Aber vielleicht erst dann, wenn man die Depression, die Lähmung danach überwunden hat. Also erst n. M., nach München, wenn der Albtraum endlich ausgestanden ist? "Wir sind ein wenig besorgt", hat die Klubleitung vor dem Rückspiel bei den Bayern verlauten lassen. Ihrer Meinung nach liegt der Akzent auf "ein wenig", doch Rom versteht nur: besorgt. Wie soll es auch anders sein, wenn doch in München unweigerlich die nächste Niederlage wartet?

So jedenfalls ist die Stimmung. Wenn es aber nur darum gehen soll, in der Ferne eine halbwegs gute Figur als Verlierer zu machen, ist es verdammt schwer, in der Liga auf Siegeskurs zu bleiben.

"Die echte Roma habe ich nur wenige Minuten gesehen", gestand Trainer Rudi Garcia in Neapel. "Wir waren nicht wiederzuerkennen", klagte Spieler Nainggolan. "Wir arbeiten daran, wieder wir selbst zu werden", beteuert Sportdirektor Walter Sabatini. Klingt alles nach ausgewachsener Identitätskrise, ausgelöst durch die Begegnung mit den Bayern. Darüber, dass die 1:7-Roma auf keinen Fall die echte Mannschaft sei, sind sich immerhin alle einig.

Mia Hamm im Verwaltungsrat

Aber welche ist es dann? Vielleicht jene, die 2013 zehn Spieltage in Serie nur Siege einfuhr, die sieben Tage lang kein Gegentor kassierte - was womöglich auch an der Präsenz eines gewissen Medhi Benatia (jetzt FC Bayern) lag? Garcia scheint noch immer mit dieser Vision zu hadern, statt sich endlich den Realitäten zu stellen. Gegenüber der Vorjahressaison hat seine Mannschaft acht Punkte weniger, sie steht jetzt wieder auf Platz zwei hinter Juventus, mit einer Traube von Verfolgern im Nacken, die angesichts der wankenden Giganten an der Spitze immerhin etwas Aufregung im Rennen um die Meisterschaft versprechen. Aus der Wundertruppe ist ein Titelanwärter unter vielen geworden.

Und in Europa, wo die Roma nach dreijähriger Abwesenheit Fuß zu fassen sucht, ist die Mannschaft von Kapitän Francesco Totti ein Außenseiter, der bislang zweimal für Überraschungen gesorgt hat. Erst mit dem 1:1 in Manchester gegen City. Und das zweite Mal mit der weißen Fahne für die Bayern. Diesmal immerhin will sich Garcia nicht kampflos ergeben. Weil in der Abwehr weiter der Veteran Maicon fehlt und auch Torosidis ausfällt, hat der Trainer sogar Gervinho nach hinten kommandiert.

Damit nicht nur gezittert wird vor der unausweichlichen Begegnung in der Höhle der Römerfresser, hat sich Klubpräsident James Pallotta ein apartes Ablenkungsmanöver einfallen lassen. Der Italo-Amerikaner berief die Frauenfußball-Legende Mia Hamm in den Verwaltungsrat des AS Rom. Die Sensation brachte positive Schlagzeilen, vor allem aber ist Hamms Berufung ein weiterer Schritt zur Modernisierung und Internationalisierung eines Klubs, der noch vor fünf Jahren von den Erben des römischen Baulöwen Franco Sensi verwaltet wurde wie eine Familien-Trattoria.

Die 42 Jahre alte Hamm ist inzwischen dreifache Mutter und verheiratet mit dem früheren Baseball-Star Nomar Garciaparra, der einst bei den Boston Red Sox spielte - an dem Klub hält Thomas Di Benedetto Anteile, einer der Mitbesitzer des AS Rom. Bei der Roma soll Hamm für die nötige Nestwärme sorgen, die Präsident Pallotta als einstiger Hedgefonds-Jongleur nicht so recht vermitteln kann. Im Gegensatz zu ihm hat sie einen Teil ihrer Kindheit in Italien verbracht und angeblich sogar dort Fußball spielen gelernt. "Der AS Rom ist einer meiner Lieblingsklubs", erklärte Mia Hamm. Im Übrigen verehre sie Kapitän Totti und könne es gar nicht erwarten, ihn persönlich kennenzulernen.

Umgekehrt ist die Weltmeisterin aber auch am Tiber ein Idol. Die Res Roma, die Frauenfußballmannschaft des AS Rom, absolviert dort gerade ihre zweite Erstliga-Saison. Star der Mannschaft ist Riana Nainggolan, Zwillingsschwester des Roma-Spielers. Riana und Res Roma stehen derzeit da, wo die Männer in Gelb-Rot auch wieder hinwollen: an der Spitze.

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