Bayern-Gegner AS Rom:Drei Römer, ein Gallier, eine Schönheit

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Prägende Figuren des Römer Aufschwungs: Kapitän Francesco Totti (links), Daniele De Rossi (oben)

(Foto: AFP)

Vier Männer prägen den Gegner des FC Bayern in der Champions League: Francesco Totti, Daniele De Rossi und Alessandro Florenzi geben dem Klub die Identität, die man für kein Geld kaufen kann - und der französische Trainer Rudi Garcia hat der Elf einen ungewöhnlich ansehnlichen Spielstil verordnet.

Von Birgit Schönau, Rom

La Grande Bellezza, die große Schönheit. So hat der Regisseur Paolo Sorrentino jenen Film betitelt, der in diesem Frühjahr den Oscar als beste ausländische Produktion gewonnen hat. Es ist natürlich ein Film über Rom, wo sonst gibt es so viel Schönheit? Sogar auf der zentralen Piazza Vittorio, wo Sorrentino ein Penthouse bewohnt, hoch über dem größten, chaotischsten und vielleicht auch schmutzigsten Platz der Stadt, ist die Bellezza immer noch dominant.

An Schönheit berauschen sich die Touristen, die Rom auch Ende Oktober noch heimsuchen, die malerischen Ruinen des Weltreichs zu bestaunen, die barocken Kirchenkuppeln, die Brunnen, die Paläste, all diese unfassbare Pracht in diesem unglaublich milchigen Licht, bevor sie in heimatliche Gefilde zurück müssen, nach Dortmund oder auch bloß nach München.

Francesco Totti ist inzwischen 38 - und könnte bis 2017 bleiben

Die Spieler des FC Bayern werden die Nachmittagssonne über dem Tiber sehen und die Pinienalleen um das Olympiastadion. Am Mittwoch werden sie auch den Petersplatz sehen und die Peterskirche - morgens, auf dem Weg zur Privataudienz beim Papst. Ihr Trainer Pep Guardiola wird in jenes Stadion zurückkehren, in dem er 2009 mit Barcelona seine erste Champions League als Coach gewonnen hat und in dem er als Spieler für den AS Rom im Jahr 2002 durchwachsene sechs Monate absolvierte, bevor er nach Brescia zurückkehrte.

Zwei Jahre verweilte Guardiola damals in Italien, die Bellezza spielte im Calcio eine verschwindend kleine Rolle. Man fand sie eher noch in Brescia, wo Roberto Baggio seine Filigrankunst entfaltete, in der Hauptstadt Rom aber wurde das schöne Spiel dem Pragmatismus untergeordnet, das galt selbst für den sehr begabten Francesco Totti. Tempi passati.

Inzwischen ist der Klub mit der etruskischen Wölfin und den mythischen Zwillingen Romulus und Remus im Wappen nicht mehr Spielball römischer Bauunternehmer, deren Horizont bis zur anderen Tiberseite reichte und bis zum Stadtderby gegen Lazio. Seit 2011 gehört die Roma einer amerikanischen Investorengruppe, der Fondsmanager James Pallotta ist ihr Präsident. Pallotta, einer der reichsten Männer Bostons, hat italienische Wurzeln. In der alten Heimat lässt er sich häufig blicken, auf der Suche nach Bellezza. Nicht aus Sentimentalität allerdings, sondern weil die Schönheit Roms größtes Kapital ist. Auch für den Fußball soll das neuerdings gelten.

Pallotta ist dabei, dem AS Rom ein eigenes Stadion zu bauen, inspiriert vom antiken Amphitheater der Flavier - dem Kolosseum. 2017 soll Eröffnung gefeiert werden, die Klubführung will den Vertrag des mittlerweile 38-Jährigen Kapitäns Totti bis dahin verlängern. Weil Totti nicht einfach nur ein Spieler ist, sondern ein Symbol.

Die Amerikaner mussten also in Rom landen, um der Roma Grandezza zu verleihen. Und ein Gallier musste Trainer werden, um den alternden Gladiator Totti und seine Mannschaft zu beflügeln. Rudi Garcia, der andalusische Franzose, dem der Vater den Vornamen von Rudi Altig verpasste, hat die Order erteilt: "Wir spielen schönen Fußball mit freiem Kopf." So sieht es tatsächlich aus, meistens zumindest. Die Roma setzt auf Ballbesitz statt Kraftfußball, sie leistet sich verschnörkelte Kombinationen, sie verfügt über schnelle, dribbelstarke Spieler. In der Liga hat sie damit Erfolg, ebenso wie in der Champions League. Schönheit kann gewinnen.

"Rom kann einen verhexen"

Die Suche nach Bellezza ist natürlich im Fußball ein globaler Wettbewerb, und der börsennotierte AS Rom ist ein internationaler Klub. Auf dem Platz aber dominiert ein römisches Triumvirat: Francesco Totti, Daniele De Rossi und Alessandro Florenzi. Die drei Römer im Team verleihen der Mannschaft etwas mehr als Bodenhaftung und Lokalkolorit. Sie verleihen ihr etwas, was man im Unterschied zur Schönheit nicht kaufen kann: Identität.

Totti ist der unumstrittene Anführer, nicht, weil er als einziger Spieler Anteile am Klub besitzt, sondern, weil die Stadt ihm zu Füßen liegt. Er allein ist das Hauptthema für die 23 Fußball-Lokalradios, er allein verkauft mehr Namenstrikots als der Rest der Mannschaft zusammen, er allein ist der Magnet der Massen, die ihn wegen seiner Spielkunst anhimmeln, vor allem aber wegen seines Mutterwitzes.

De Rossi ist mit seinen 31 Jahren der Prinz Charles der Roma. Schon 2006, als er sich anschickte, an Tottis Seite Weltmeister in Deutschland zu werden, verliehen ihm die Fans den Spitznamen "Capitan Futuro", der künftige Kapitän. Dabei ist es bis heute geblieben, weil Totti, der achte König von Rom, einfach nicht abdanken mag. "Ich hätte mit 20 abhauen sollen", hat De Rossi kürzlich erklärt, "im Ausland hätte ich wohl viel mehr Champions League gespielt. Aber Rom kann einen verhexen, es ist schwierig, hier wegzugehen."

Dabei stammt De Rossi eigentlich aus Ostia, dem alten Römerhafen am Meer, Totti ist Stadtrömer, aus dem Viertel San Giovanni. Die Hauptstädter machen da üblicherweise feine Unterschiede, aber das kann De Rossi mittlerweile gleichgültig sein. Der Sohn des langjährigen AS-Jugendtrainers Alberto De Rossi hat drei Weltmeisterschaften gespielt, ist einer der besten defensiven Mittelfeldspieler weit und breit - und mit 6,5 Millionen Euro netto im Jahr der bestbezahlte Profi der Serie A. De Rossi verdient mehr als dreimal so viel wie Totti. Und sechsmal soviel wie Alessandro Florenzi, der von De Rossi senior entdeckte dritte Römer im Team.

Florenzi, 23, ist die Zukunft. Wenn Totti und De Rossi auf das Karriereende hinsteuern, mit einem leichten Bedauern, nie woanders gespielt zu haben als beim AS Rom, ist das Talent ungeheuer stolz darauf, es in die erste Mannschaft und in die Squadra Azzurra geschafft zu haben. Kürzlich rührte der flinke Angreifer halb Italien, als er nach einem Treffer gegen Cagliari über die Absperrung sprang und auf die Tribüne stürmte, um dort eine weißhaarige Frau im Kittelkleid zu herzen: seine Oma. Die Nonna sei zum ersten Mal ins Stadion gekommen, erklärte Florenzi später treuherzig, da habe er sie begrüßen müssen.

De Rossi widmete einst einen Treffer dem Ex-Schwiegervater, der, selbst in der römischen Halbwelt operierend, soeben von feindlichen Banditen erschossen worden war. "Familie ist das Wichtigste", beschied er seine Kritiker knapp. Wichtiger als Grandezza, wichtiger als Business, erst recht wichtiger als Schönheit. Aber das ist eine andere, sehr römische Geschichte.

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