Bayern-Gegner Arsenal:König übertrumpft Lästermaul

Arsenal FC v FC Bayern Munchen - UEFA Champions League
(Foto: Paul Gilham/Getty Images)

Von Raphael Honigstein, London

Am 19. September war an der Themse noch alles so, wie es immer war und bestimmt immer sein würde. Chelsea und José Mourinho schlugen Arsène Wengers Arsenal 2:0 an der Stamford Bridge. Nicht, weil die Blauen von Mourinho unbedingt die bessere Mannschaft waren. Sondern wegen der brutalen Verschlagenheit von Chelsea-Stürmer Diego Costa, wegen der defensiven Naivität der Gunners sowie der ihnen ureigenen Unfähigkeit, ihr schönes Spiel auch dann aufrecht zu erhalten, wenn sich erbitterter Widerstand regt.

Seit Mourinhos blaue Kampfmaschine vor zehn Jahren Wengers Invincibles, die in der Saison 2003/04 ungeschlagene Sieger-Elf, vom Thron bugsierte, konnte der Elsässer in der Liga nicht mehr gegen den Portugiesen gewinnen. Auch die Meisterschaft blieb Wenger seither versagt. Der Arsenal-Coach sei ein "Spezialist im Versagen", lästerte Mourinho, der selbsternannte Special One, im Februar 2014. Alle Trainer der Premier League seien unter Druck, nur "der König" Wenger nicht, fügte er kürzlich giftig hinzu: "Er kann nichts erreichen und trotzdem seinen Job behalten."

Verhältnisse kehren sich um

Inzwischen ist es aber so, dass der FC Arsenal trotz vieler Verletzungen, trotz eines unrühmlichen Ausscheidens im Ligapokal (0:3 bei Sheffield Wednesday) und trotz zweier Niederlagen in der Champions League eine insgesamt exzellente Saison spielt und punktgleich mit Manchester City die Tabelle anführt, während Mourinho mit dem FC Chelsea, dem Meister des Vorjahres, auf den 15. Platz abgestürzt ist. Bei einer neuerlichen Blamage an diesem Mittwoch zu Hause gegen Dynamo Kiew dürfte der 52-Jährige seinen Job an der Stamford Bridge zum zweiten Mal binnen acht Jahren los sein. Die rot-blauen Verhältnisse in der Hauptstadt haben sich binnen weniger Wochen ins Gegenteil verkehrt.

Wenger wollte vor dem Ausflug nach München nicht zu den Problemen seines Lieblingsfeindes Stellung nehmen. Es sei besser, man rede "nicht zu viel über andere Mannschaften", meinte er, lieber konzentriere man sich aufs eigene Spiel, und darauf, "die Balance zwischen Gier, Bescheidenheit und Selbstbewusstsein zu halten". Doch Wengers verschmitztes Lächeln zeugte von Genugtuung. Sein Team funktioniert, weil es hohe individuelle Qualität neuerdings mit einem gesteigerten Bewusstsein für die weniger glamourösen Dinge (ohne Ball rennen, Räume verdichten) garniert. Prompt wirken die Nord-Londoner robuster. "Unsere Mentalität ist stärker, wir kämpfen alle gemeinsam", sagt der französische Mittelstürmer Olivier Giroud, der in München als Zielspieler für Entlastung sorgen soll.

Probleme mit dem diktatorischen Umgang

Bei Chelsea dagegen hat Mourinho allem Anschein nach seine Truppe mit allerhand diktatorischen Maßnahmen (Mittelfeldspieler Matic wurde im Training bloßgestellt, andere Stammspieler demonstrativ nicht ein- oder ausgewechselt) sowie freudloser Überbetonung der unglamourösen Dinge so weit gebracht, dass mittlerweile alle gemeinsam gegen ihn ankämpfen. Spielmacher Cesc Fàbregas fühlte sich am Dienstag sogar genötigt, via Twitter zu insistieren, dass er keineswegs, wie allgemein kolportiert, als Anführer einer Kabinenrevolte gegen Mourinho fungiere. "Ich bin extrem glücklich bei Chelsea und habe ein exzellentes Verhältnis zum Trainer", teilte der Spanier mit; ein gut gemeinter Versuch, die Debatte zu beenden.

Mourinho selbst hatte in der Pressekonferenz vor dem Kiew-Match mehr zu sagen als im Interview nach der 1:3-Niederlage gegen Jürgen Klopps Liverpool am Samstag; da hatte er ein Dutzend Fragen noch mit dem Satz "I have nothing to say" abgeschmettert. Nun zitierte er sich selbst: "Als ich 2004 mit Porto die Champions League gewann, habe ich gesagt, dass eines Tages die schlechten Resultate kommen würden und dass ich diesen mit der gleichen Ehrlichkeit und Würde begegnen würde wie dem Sieg. Ich habe elf Jahre darauf gewartet, aber ich bin stabil und stark genug."

Mourinho kennt nur einen Meisterlehrer

Auf die Gründe der miserablen Leistungen seiner Elf angesprochen, blieb er vage. "Wenn man mein Niveau erreicht, ist es schwierig, von anderen zu lernen, man muss von sich selbst lernen", erklärte er.

Ehrlichkeit und Würde reichten aber leider nicht ganz für einen anständigen Umgang mit der Teamärztin Eva Carneiro. Die 42-Jährige wurde im August von Mourinho öffentlich dafür kritisiert, Eden Hazard beim ersten Saisonspiel vorschnell auf dem Platz behandelt zu haben. "Impulsiv und naiv" nannte Mourinho damals Carneiros Hilfe, obwohl sie von Schiedsrichter Michael Oliver auf den Rasen gebeten worden war. Carneiro wurde daraufhin von ihren Aufgaben entbunden und strengt nun eine Klage gegen Trainer und Klub an.

Die Stimmung im Verein ist seit der unrühmlichen Affäre - Mourinho rief Carneiro im Stadion "filho da puta" (Hurensohn) hinterher - bedrückt. Chelsea-Eigentümer Roman Abramowitsch dürfte allmählich die Geduld mit dem Portugiesen ausgehen. Das nächste Ligaspiel, gegen Stoke am Samstag, wird Mourinho ungeachtet des Resultats gegen Kiew sicher nicht auf der Bank erleben. Der englische Verband hat ihn wegen ungebührlichen Verhaltens gegenüber dem Schiedsrichter beim 1:2 gegen West Ham vor zwei Wochen für eine Partie gesperrt.

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